Nie wieder!
Samstag, 30. Januar 2010
Mit Nie wieder! Nie wieder! haben sie den kürzlich begangenen Holocaustgedenktag erfüllt, Betroffenheitsmiene und Bestürzungsgesicht inbegriffen, beteuert und versichert, dass das, was einst geschah, nie wieder, nie wieder geschehen dürfe. Es war wie in den Jahren zuvor, wie eigentlich immer schon, ein höchst ritualisiertes Gedenken, zwischen bundestäglicher Rührung und eigens für den Anlass herausgekramten Mitfühlens, eingepackt in einstudierte Ansprachen, die keinen Gemeinplatz ausließen, die vor Binsenweisheit strotzten, sich so anhörten, wie schon unzählige Ansprachen zuvor, so klangen, als habe man archivierte Reden abgestaubt und auf ein Neues vorgetragen.
Ansprachen voller Nie wieder! Vorträge betrunken von Nie wieder! Festreden übersatt an Nie wieder! Wenn es doch nur ein gelebtes, beseeltes Nie wieder! wäre! Ein aufrichtiges, ein ehrliches, ein verwurzeltes Lebensgefühl dieser politischen Marktschreier-Gilde, die da in den Sitzbänken lümmelte, den Rednern gebannt lauschend, dabei lobend und affirmativ nickend und lebhaft applaudierend. Wenn dem ritualisierten Gedenken nur eine Philosophie zugrunde läge! Eine Lebensphilosophie! Doch wo ein hohes Gut, beispielsweise jenes Nie wieder!, in Fleisch und Blut überging, da ist kein Gedenktag mehr notwendig. So benötigt man keinen festgelegten Tag, an dem man eine Liturgie auf das Atmen begeht, mit allerlei Bräuchen, Riten und Atemübungen. Zu atmen ist dem Menschen in Fleisch und Blut gegeben, er tut es unbedacht - dem Unbedachten muß nicht gedacht werden. Aber Nie wieder! Nie wieder!: es ist nötiger denn je!
Da glänzen feiste Antlitze und aufgedonnerte Festtagsgesichter aus den Reihen, aufgelöst in Andacht und Betroffenheit - jedenfalls allem Anschein nach -, klatschen, bestätigen und schwören der Barbarei von einst ab, drehen sich dann, nach getaner Lauscharbeit, zu den Kameras und Objektiven der Alltagspolitik, um in ihrem ordinären Trott zu schwelgen. Nach abgeschlossener Betroffenheitsarbeit folgt das Tagwerk. Noch ein kurzes, stärkendes Nie wieder! sich selbst geflüstert, um sich des hochherzigen Anspruches, dessen man sich selbst verschrieben hat, nochmals zu versichern, ihn sich von neuem einzubläuen - und dann in die Hände gespuckt, schließlich ist Werktag und man hat sich am Tagesgeschäft abzuschuften. Zu schuften an den Heeren von Sozialschmarotzern, die man in Interviews und Stellungnahmen verurteilt, verunglimpft und strenger bestraft sehen will; zu schuften an Legionen von Ausländern, Moslems bevorzugt, die der deutschen Leitkultur nicht unter Selbstaufgabe ihrer terroristischen Herkunft nachgehen wollen; zu schuften an fortschrittlichen Ideen wie Ausweisung bei Zuwiderhandlung und Zwangsarbeit bei Arbeitslosigkeit.
Bei so einer Plackerei kann man das Nie wieder! schon mal aus den Augen verlieren. Und weil dem so ist, weil man nur zu gerne vergisst und verbummelt, sind Gedenktage unentbehrlich. Man erinnere jene hohen Herrschaften aus Politik, Presse und Fernsehen, aus den Vorzimmern der staatlichen Allmacht, allerdings nur an jenem Gedenktag an dieses Nie wieder! Während des Jahres erntet man Giftpfeile, wenn man die Hetzpropaganda jener braunen Tage mit derjenigen vergleicht, die heute in gebräunten Runen von weißem Papier stieren. Soetwas könne heute gar nicht mehr vorkommen, beschwichtigt man, der Pogrom sei ausgeschlossen, Volksverhetzung verboten, das Nie wieder! habe man ja auch rituell geschworen. Nur nicht übertreiben! Nicht Äpfel mit Birnen vergleichen! Bloß nicht dramatisieren!
An jenem Gedenktag, diesem geheucheltem Gesellschaftsritual, gilt das Nie wieder! den Morden, den Gruben voller Leichen, der Vergasung, den Kopfschüssen, der Marter durch Arbeit. Nie wieder! Nie wieder! Aber was davor geschah, die Schmähung, die Beleidigung, der Rufmord an einer ganzen Gesellschaftsgruppe, die Verleumdung, die Treiberei, das Gehetze, Berichte voller ehrabschneidender Unwahrheit, Betonung der Fremd- und Andersartigkeit, der Faulheit und Verschlagenheit, all dies und noch mehr, dieses Vorspiel der Vernichtungslager, diese enorme Komposition des deutschen Kampagnenjournalismus' jener Tage - all dies beinhaltet Nie wieder! nicht. Es ist, als wollte man in solchen Gedenkzeremonien verdeutlichen, man könne die letzte, die mörderische Konsequenz unschädlich machen. Aber alles andere, das erzeugte Klima aus Angst und Hass, aus Aufwiegelung und Lynchakten, alles was vor dem Mord und dem Arbeitslager kam, könne man behalten. Nie wieder! für Mord, Immer wieder gerne! für den Weg dorthin, für das Geplänkel davor.
Nie wieder! Auschwitz wiederholt sich nicht. Massengräber wird es möglicherweise nicht mehr geben, Gaskammern schon gar nicht. Auch wenn der Mensch aus seiner Geschichte kaum lernt, nicht imstande ist, positive Schlüsse aus ihr zu ziehen, so lernt er aus ihr doch, wie er seine Bosheit derart kostümieren kann, dass sie weniger boshaft aus der Wäsche schaut. Nach Auschwitz führt das erzeugte Klima dieser Tage fürwahr nicht. Es reicht, wenn das vergiftete Klima dazu beiträgt, ungeliebte Personen sozial kaltzustellen, sie in städtische Randbezirke, banlieues und Ghettos zu pferchen, ihnen Chancengleichheit für Bildung und Beruf zu rauben, sie kulturell und infrastrukturell auszugrenzen. Man mordet veredelt, man tötet nicht physisch, man beseitigt psychisch - körperliche Spätfolgen ohne Gewähr.
Nie wieder! Nie wieder!, beten sie alljährlich ihren Kanon herunter. Man wünschte sich, sie würden nie wieder Nie wieder! rufen - rufen müssen! Nie wieder Gedenktage, die an Nie wieder! erinnern müssen! Solange man erinnern muß, ist die Grundlage des Nie wieder!, nämlich der Mensch als Peiniger und Schlächter des Menschen, nicht in weite Ferne gerückt - es steht unmittelbar ante portas...
Ansprachen voller Nie wieder! Vorträge betrunken von Nie wieder! Festreden übersatt an Nie wieder! Wenn es doch nur ein gelebtes, beseeltes Nie wieder! wäre! Ein aufrichtiges, ein ehrliches, ein verwurzeltes Lebensgefühl dieser politischen Marktschreier-Gilde, die da in den Sitzbänken lümmelte, den Rednern gebannt lauschend, dabei lobend und affirmativ nickend und lebhaft applaudierend. Wenn dem ritualisierten Gedenken nur eine Philosophie zugrunde läge! Eine Lebensphilosophie! Doch wo ein hohes Gut, beispielsweise jenes Nie wieder!, in Fleisch und Blut überging, da ist kein Gedenktag mehr notwendig. So benötigt man keinen festgelegten Tag, an dem man eine Liturgie auf das Atmen begeht, mit allerlei Bräuchen, Riten und Atemübungen. Zu atmen ist dem Menschen in Fleisch und Blut gegeben, er tut es unbedacht - dem Unbedachten muß nicht gedacht werden. Aber Nie wieder! Nie wieder!: es ist nötiger denn je!
Da glänzen feiste Antlitze und aufgedonnerte Festtagsgesichter aus den Reihen, aufgelöst in Andacht und Betroffenheit - jedenfalls allem Anschein nach -, klatschen, bestätigen und schwören der Barbarei von einst ab, drehen sich dann, nach getaner Lauscharbeit, zu den Kameras und Objektiven der Alltagspolitik, um in ihrem ordinären Trott zu schwelgen. Nach abgeschlossener Betroffenheitsarbeit folgt das Tagwerk. Noch ein kurzes, stärkendes Nie wieder! sich selbst geflüstert, um sich des hochherzigen Anspruches, dessen man sich selbst verschrieben hat, nochmals zu versichern, ihn sich von neuem einzubläuen - und dann in die Hände gespuckt, schließlich ist Werktag und man hat sich am Tagesgeschäft abzuschuften. Zu schuften an den Heeren von Sozialschmarotzern, die man in Interviews und Stellungnahmen verurteilt, verunglimpft und strenger bestraft sehen will; zu schuften an Legionen von Ausländern, Moslems bevorzugt, die der deutschen Leitkultur nicht unter Selbstaufgabe ihrer terroristischen Herkunft nachgehen wollen; zu schuften an fortschrittlichen Ideen wie Ausweisung bei Zuwiderhandlung und Zwangsarbeit bei Arbeitslosigkeit.
Bei so einer Plackerei kann man das Nie wieder! schon mal aus den Augen verlieren. Und weil dem so ist, weil man nur zu gerne vergisst und verbummelt, sind Gedenktage unentbehrlich. Man erinnere jene hohen Herrschaften aus Politik, Presse und Fernsehen, aus den Vorzimmern der staatlichen Allmacht, allerdings nur an jenem Gedenktag an dieses Nie wieder! Während des Jahres erntet man Giftpfeile, wenn man die Hetzpropaganda jener braunen Tage mit derjenigen vergleicht, die heute in gebräunten Runen von weißem Papier stieren. Soetwas könne heute gar nicht mehr vorkommen, beschwichtigt man, der Pogrom sei ausgeschlossen, Volksverhetzung verboten, das Nie wieder! habe man ja auch rituell geschworen. Nur nicht übertreiben! Nicht Äpfel mit Birnen vergleichen! Bloß nicht dramatisieren!
An jenem Gedenktag, diesem geheucheltem Gesellschaftsritual, gilt das Nie wieder! den Morden, den Gruben voller Leichen, der Vergasung, den Kopfschüssen, der Marter durch Arbeit. Nie wieder! Nie wieder! Aber was davor geschah, die Schmähung, die Beleidigung, der Rufmord an einer ganzen Gesellschaftsgruppe, die Verleumdung, die Treiberei, das Gehetze, Berichte voller ehrabschneidender Unwahrheit, Betonung der Fremd- und Andersartigkeit, der Faulheit und Verschlagenheit, all dies und noch mehr, dieses Vorspiel der Vernichtungslager, diese enorme Komposition des deutschen Kampagnenjournalismus' jener Tage - all dies beinhaltet Nie wieder! nicht. Es ist, als wollte man in solchen Gedenkzeremonien verdeutlichen, man könne die letzte, die mörderische Konsequenz unschädlich machen. Aber alles andere, das erzeugte Klima aus Angst und Hass, aus Aufwiegelung und Lynchakten, alles was vor dem Mord und dem Arbeitslager kam, könne man behalten. Nie wieder! für Mord, Immer wieder gerne! für den Weg dorthin, für das Geplänkel davor.
Nie wieder! Auschwitz wiederholt sich nicht. Massengräber wird es möglicherweise nicht mehr geben, Gaskammern schon gar nicht. Auch wenn der Mensch aus seiner Geschichte kaum lernt, nicht imstande ist, positive Schlüsse aus ihr zu ziehen, so lernt er aus ihr doch, wie er seine Bosheit derart kostümieren kann, dass sie weniger boshaft aus der Wäsche schaut. Nach Auschwitz führt das erzeugte Klima dieser Tage fürwahr nicht. Es reicht, wenn das vergiftete Klima dazu beiträgt, ungeliebte Personen sozial kaltzustellen, sie in städtische Randbezirke, banlieues und Ghettos zu pferchen, ihnen Chancengleichheit für Bildung und Beruf zu rauben, sie kulturell und infrastrukturell auszugrenzen. Man mordet veredelt, man tötet nicht physisch, man beseitigt psychisch - körperliche Spätfolgen ohne Gewähr.
Nie wieder! Nie wieder!, beten sie alljährlich ihren Kanon herunter. Man wünschte sich, sie würden nie wieder Nie wieder! rufen - rufen müssen! Nie wieder Gedenktage, die an Nie wieder! erinnern müssen! Solange man erinnern muß, ist die Grundlage des Nie wieder!, nämlich der Mensch als Peiniger und Schlächter des Menschen, nicht in weite Ferne gerückt - es steht unmittelbar ante portas...
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