An ihrer Sprache sollt ihr sie erkennen …
geschrieben am 30. Januar 2010 von Frank Benedikt
Eine Rezension von Roberto de Lapuentes Buch “Unzugehörig”
Unzugehörig – der Titel ist Programm. Hier schreibt einer, der sich dieser Gesellschaft und ihren Normen nicht zugehörig fühlt, sondern seine Heimat anderswo verortet. Auf rund 175 Seiten polemisiert der Autor sprachgewaltig gegen den täglichen Einheitsbrei, gegen das Wegsehen und die Lethargie. Der 31-jährige Ingolstädter kennt “seinen” Camus, “seinen” Sartre und “seinen” Marcuse und er steigt darüber hinaus – hinab zu den alltäglichen Problemen und Gemeinheiten. In kräftig-derber, zuweilen schon lyrischer Prosa seziert er gnadenlos seine Umwelt und hält ihr einen geschliffenen Spiegel vor Augen.
Schon früh sah er, der Bayer mit einem spanischen Vater, sich mit dem Problem der Ausgrenzung und der Verweigerung einer Integration durch die “Einheimischen” konfrontiert. So schildert er im Text “Unzugehörig”, nach dem auch das Buch seinen Namen bekam, seine Kindheitserfahrungen: den Vater, der bereits 1962 nach Deutschland kam, der fließend Deutsch sprach, aber von den Kollegen in gebrochenem Deutsch angesprochen wurde, die Erniedrigung, die daraus resultierte, dass der Vater keiner von ihnen, nicht akzeptiert, nicht zugehörig war. Erniedrigung auch, da die Deutschen zu dieser Zeit die Spanier für rückständig hielten, was natürlich nicht den Tatsachen entsprach. Nicht zuletzt auch aus diesen Erfahrungen heraus dürfte sich De Lapuentes Ablehnung von Vorurteilen und Rassismus jeglicher Art, die sich wie ein roter Faden durch seine Texte zieht, speisen.
Wortmächtig klagt er, der er wohl zur letzten Generation gehört, die noch das System des “Rheinischen Kapitalismus” und den Sozialstaat alter Prägung selbst erlebt haben, auch über zunehmende soziale Kälte und Ungerechtigkeit, über die Ausbildung eines neuen Klassenbewußtseins seitens der Oberschicht und Defizite im Klassenbewußtsein “der da unten”. Die zunehmende Ungleichheit, die Kälte der Ämter – dies kennt der Autor leidvoll aus eigener Anschauung und reagiert darauf mit einem der menschlichsten aller Gefühle: Wut. Aus Verletzung geboren, zu Buchstaben und Worten geronnen, setzt de Lapuente diese Wut kreativ und bildreich um in eine Philippika, die in Zeiten der “Political Correctness” wohl mehr als nur den guten Ton verletzen dürfte. Da ist einer, der sich nicht nur wehrt, sondern diese erfrischende Wehrhaftigkeit auch noch in scharf gestanzte Worte umzusetzen weiß.
In 31 Skizzen widersetzt sich der Autor dem “Mainstream”, schreibt gegen die fortschreitende Re-Barbarisierung der Welt an, gegen eine Welt der wieder wachsenden Chancenungleichheit, gegen das mediale Blendwerk der Bertels- und Diekmänner, gegen Vorurteile und den Rassismus, der in uns allen steckt, vor allem auch gegen die Vergewaltigung und Verzerrung der Sprache durch “die Mächtigen”, die spätestens seit George Orwells “1984″ ein veritables Thema in der (linken) Diskussion bildet. Wieder auflebender Sozialdarwinismus, Eugenik, die obligatorischen Mauscheleien zwischen Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertretern stellen weitere Themenfelder und der “Kampf aller gegen alle”, den bereits Thomas Hobbes 1651 beschrieb, der hier aber unter den Vorzeichen fortschreitender Erosion der gesellschaftlichen Solidarität und des Verfalls jedweder staatlichen Autorität(!) zu betrachten ist, bildet unter dem Aspekt der Entsolidarisierung und Vereinzelung des Menschen einen zentralen Punkt zum Verständnis dieses Buches.
Wohl wissend, dass der Einzelne hinter seiner Tastatur ohnmächtig ist, keine intellektuelle Ein-Mann-Armee, dass der Rufer in der Wüste nichts gilt, kämpft er, einem modernen Don Quixote gleich, mit dem Griffel gegen die Windmühlen von Dummheit, Ignoranz und Vorurteil, wo doch schon Götter versagten. Als Mensch möchte man ihm, diesem Roberto de Lapuente, der in all seiner Menschlichkeit da steht und die “Frechheit” besitzt, noch Idealismus haben und die Menschen lieben zu wollen, wo doch Gleichgültigkeit und Gefühlskälte das Credo der Zeit sind, nur beipflichten und einen kleinen Nietzsche ausbringen: “Ecce homo!” Mit ihm hat die Gesellschaft wieder ein schlechtes (und beileibe nicht stummes!) Gewissen in ihrer Mitte, das vermutlich noch öfter unbequem mahnen wird.
Roberto De Lapuente ist ein “Empörer”, ein rigoroser Moralist, einer, der sich eben nicht damit zufrieden gibt, wenn er aus der Schußlinie ist; er vertritt die Idale, für die er steht, auch lautstark und findet in seinem Blog ad sinistram täglich ein zwar kritisches, aber geneigtes Publikum. Er ist ebenfalls ein “Poète maudit”, wenn man denn so will, entbehrt aber doch nicht einer gesunden Selbstironie, die sich vor allem auch in seinem Schlußtext “Die eingezäunte Welt” wiederfindet. Das Buch selbst ist gut ausgestattet, liest sich flüssig und leidet nicht an unnötigen Längen, obwohl es für die nächsten Ausgaben ein weiteres Korrektorat verdienen würde. Es ist für 11,- Euro zzgl. Versandkosten beim Renneritz Verlag erhältlich.
“An ihrer Sprache sollt ihr sie erkennen”, so schrieb einst der große Karl Kraus. Roberto de Lapuente ist dafür ein erfreuliches Beispiel im Positiven.
Frank Benedikt
Unzugehörig – der Titel ist Programm. Hier schreibt einer, der sich dieser Gesellschaft und ihren Normen nicht zugehörig fühlt, sondern seine Heimat anderswo verortet. Auf rund 175 Seiten polemisiert der Autor sprachgewaltig gegen den täglichen Einheitsbrei, gegen das Wegsehen und die Lethargie. Der 31-jährige Ingolstädter kennt “seinen” Camus, “seinen” Sartre und “seinen” Marcuse und er steigt darüber hinaus – hinab zu den alltäglichen Problemen und Gemeinheiten. In kräftig-derber, zuweilen schon lyrischer Prosa seziert er gnadenlos seine Umwelt und hält ihr einen geschliffenen Spiegel vor Augen.
Schon früh sah er, der Bayer mit einem spanischen Vater, sich mit dem Problem der Ausgrenzung und der Verweigerung einer Integration durch die “Einheimischen” konfrontiert. So schildert er im Text “Unzugehörig”, nach dem auch das Buch seinen Namen bekam, seine Kindheitserfahrungen: den Vater, der bereits 1962 nach Deutschland kam, der fließend Deutsch sprach, aber von den Kollegen in gebrochenem Deutsch angesprochen wurde, die Erniedrigung, die daraus resultierte, dass der Vater keiner von ihnen, nicht akzeptiert, nicht zugehörig war. Erniedrigung auch, da die Deutschen zu dieser Zeit die Spanier für rückständig hielten, was natürlich nicht den Tatsachen entsprach. Nicht zuletzt auch aus diesen Erfahrungen heraus dürfte sich De Lapuentes Ablehnung von Vorurteilen und Rassismus jeglicher Art, die sich wie ein roter Faden durch seine Texte zieht, speisen.
Wortmächtig klagt er, der er wohl zur letzten Generation gehört, die noch das System des “Rheinischen Kapitalismus” und den Sozialstaat alter Prägung selbst erlebt haben, auch über zunehmende soziale Kälte und Ungerechtigkeit, über die Ausbildung eines neuen Klassenbewußtseins seitens der Oberschicht und Defizite im Klassenbewußtsein “der da unten”. Die zunehmende Ungleichheit, die Kälte der Ämter – dies kennt der Autor leidvoll aus eigener Anschauung und reagiert darauf mit einem der menschlichsten aller Gefühle: Wut. Aus Verletzung geboren, zu Buchstaben und Worten geronnen, setzt de Lapuente diese Wut kreativ und bildreich um in eine Philippika, die in Zeiten der “Political Correctness” wohl mehr als nur den guten Ton verletzen dürfte. Da ist einer, der sich nicht nur wehrt, sondern diese erfrischende Wehrhaftigkeit auch noch in scharf gestanzte Worte umzusetzen weiß.
In 31 Skizzen widersetzt sich der Autor dem “Mainstream”, schreibt gegen die fortschreitende Re-Barbarisierung der Welt an, gegen eine Welt der wieder wachsenden Chancenungleichheit, gegen das mediale Blendwerk der Bertels- und Diekmänner, gegen Vorurteile und den Rassismus, der in uns allen steckt, vor allem auch gegen die Vergewaltigung und Verzerrung der Sprache durch “die Mächtigen”, die spätestens seit George Orwells “1984″ ein veritables Thema in der (linken) Diskussion bildet. Wieder auflebender Sozialdarwinismus, Eugenik, die obligatorischen Mauscheleien zwischen Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertretern stellen weitere Themenfelder und der “Kampf aller gegen alle”, den bereits Thomas Hobbes 1651 beschrieb, der hier aber unter den Vorzeichen fortschreitender Erosion der gesellschaftlichen Solidarität und des Verfalls jedweder staatlichen Autorität(!) zu betrachten ist, bildet unter dem Aspekt der Entsolidarisierung und Vereinzelung des Menschen einen zentralen Punkt zum Verständnis dieses Buches.
Wohl wissend, dass der Einzelne hinter seiner Tastatur ohnmächtig ist, keine intellektuelle Ein-Mann-Armee, dass der Rufer in der Wüste nichts gilt, kämpft er, einem modernen Don Quixote gleich, mit dem Griffel gegen die Windmühlen von Dummheit, Ignoranz und Vorurteil, wo doch schon Götter versagten. Als Mensch möchte man ihm, diesem Roberto de Lapuente, der in all seiner Menschlichkeit da steht und die “Frechheit” besitzt, noch Idealismus haben und die Menschen lieben zu wollen, wo doch Gleichgültigkeit und Gefühlskälte das Credo der Zeit sind, nur beipflichten und einen kleinen Nietzsche ausbringen: “Ecce homo!” Mit ihm hat die Gesellschaft wieder ein schlechtes (und beileibe nicht stummes!) Gewissen in ihrer Mitte, das vermutlich noch öfter unbequem mahnen wird.
Roberto De Lapuente ist ein “Empörer”, ein rigoroser Moralist, einer, der sich eben nicht damit zufrieden gibt, wenn er aus der Schußlinie ist; er vertritt die Idale, für die er steht, auch lautstark und findet in seinem Blog ad sinistram täglich ein zwar kritisches, aber geneigtes Publikum. Er ist ebenfalls ein “Poète maudit”, wenn man denn so will, entbehrt aber doch nicht einer gesunden Selbstironie, die sich vor allem auch in seinem Schlußtext “Die eingezäunte Welt” wiederfindet. Das Buch selbst ist gut ausgestattet, liest sich flüssig und leidet nicht an unnötigen Längen, obwohl es für die nächsten Ausgaben ein weiteres Korrektorat verdienen würde. Es ist für 11,- Euro zzgl. Versandkosten beim Renneritz Verlag erhältlich.
“An ihrer Sprache sollt ihr sie erkennen”, so schrieb einst der große Karl Kraus. Roberto de Lapuente ist dafür ein erfreuliches Beispiel im Positiven.
Frank Benedikt
Danke auch für die "Raucherecke" - die brauche ich tatsächlich :-D
AntwortenLöschenBeste Grüße
Frank