Freiheit, die wir meinen
geschrieben am 13. Januar 2010 von Spiegelfechter
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Ich bin bekannt für meine Ironie. Aber auf den Gedanken, im Hafen von New York eine Freiheitsstatue zu errichten, wäre selbst ich nicht gekommen.
George Bernard Shaw
Freiheit á la USA
Da wundert es nicht, dass sowohl die USA selbst, als auch alle anderen westlichen Demokratien im Freedom House-Ranking Bestnoten bekommen – nur Griechenland, Israel und Italien mussten leichte Abzüge bei der B-Noten (den Bürgerrechten) hinnehmen. Auf der anderen Seite gehören China und Russland zu den Antagonisten – je stärker ihr Einfluss in einem bestimmten Staat ist, desto schlechter schneidet dieser im Ranking ab. Den Bodensatz bilden Äquatorial-Guinea, Birma, Eritrea, der EU-Asylpolitik-Partner Libyen, Nordkorea, Somalia, Sudan, Turkmenistan und Usbekistan. Es besteht sicher kein Zweifel an der Tatsache, dass diese Staaten lupenreine Diktaturen sind, in denen die Menschenrechte mit Füßen getreten werden. Kontroverser dürfte da schon die Kategorisierung des Rests der “unfreien” Staaten sein – neben den Anrainern des Persischen Golfs und den üblichen Verdächtigen in Afrika befinden sich auch China und Russland auf einer Stufe mit den blutrünstigsten Militärdiktaturen des Planeten.Freiheit ist ein Kaugummibegriff geworden – an jedem Schlagbaum versteht man etwas anderes darunter.Besonders attraktiv scheint diese Art von Freiheit jedenfalls nicht zu sein, anders scheint der massenhafte Exodus freier indischer Slumbewohner auf die Baustellen der unfreien Golfemirate kaum zu erklären. Doch der Zusammenhang von Armut und Unfreiheit ist im Westen ein Tabu – dies musste zuletzt die Deutsche Welle-Journalistin Zhang Danhong erfahren, die in einer Podiumsdiskussion die Frage stellte, ob die Überwindung der Armut für 400 Mio. Chinesen in den letzten 30 Jahren nicht eine der größten Menschenrechtsverbesserungen der jüngeren Zeit sei. Armut hat ihre Freiheit und Reichtum seine Zwänge – natürlich ist es für den Westen äußerst unangenehm, dass ausgerechnet unfreie Länder wirtschaftlich sehr erfolgreich sind. Auf der Liste der wirtschaftlich prosperierendsten Länder befinden sich unter den Top 10 ausschließlich unfreie und “teilweise freie” Staaten.
Oskar Kokoschka
Der Israel-Trick
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Der Glaube an eine größere und bessere Zukunft ist einer der mächtigsten Feinde gegenwärtiger Freiheit.
Aldous Huxley
Auf dem rechten Auge blind
Doch das Freedom House-Ranking besticht auch durch andere Merkwürdigkeiten. So steht das demokratische Bolivien im Ranking auf einer Stufe mit Honduras, obgleich dort der demokratisch gewählte Präsident Zelaya durch eine rechtsgerichtete Junta weggeputscht wurde. Die Blindheit auf dem rechten Auge ist jedoch eine Erbkrankheit von Freedom House. Schon in den 1980ern bezeichnete der Think Tank das von den Todesschwadronen regierte El Salvador als “lupenreine Demokratie” und trug maßgeblich zur Rehabilitation des politischen Arms der Todesschwadronen bei – schließlich waren sie auch ein Mitglied der “World Anti-Communist League”, einer Vereinigung von rechtsextremen Gruppierungen, die von den frühen NeoCons in den USA unterstützt und hofiert wurde.Wer sagt: hier herrscht Freiheit, der lügt, denn Freiheit herrscht nicht.
Erich Fried
Ein toller Haufen
Wie kommt es zu derlei vorgefärbter Meinungsmache? Es lohnt sich, einmal einen Blick auf den Vorstand von Freedom House zu werfen. Neben einer ganzen Kompanie von Anwälten aus internationalen Großkanzleien und hochdotierten Lobbyisten aus PR-Firmen sitzen dort ausschließlich einseitig Vorbelastete:William Howard Taft IV ist der Vorsitzende von Freedom House und wurde bereits von Ronald Reagan in das Verteidigungsministerium geholt, war kurzzeitig selbst Verteidigungsminister und diente unter mehreren republikanischen Präsidenten in hohen Ämtern. Wenn Demokraten an der Macht waren, verschlug es Taft in eine Großkanzlei, bei der er vor allem für Lobbyaktivitäten der Hochfinanz bezahlt wurde. Taft war während des Golfkriegs NATO-Botschafter der USA und gilt als strammer Interventionist.
Ruth Wedgwood ist nicht nur Vorstandsmitglied, sondern auch ehemalige US-Deligierte beim HRC und Mitglied des interventionistischen Think Tanks “Council on Foreign Relations”
Bevor Thomas A. Dine Vorstandsmitglied bei Freedom House wurde, war er Präsident des amerikanischen Propagandasenders Radio Free Europe, hoher Funktionär bei der CIA-nahen Entwicklungshilfeorganisation USAID und Vorsitzender der AIPAC, dem bedeutendsten Sprachrohr der Israel-Lobby.
John Norton Moore war früher Berater im Verteidigungsministerium und UN-Botschafter.
Max Kampelman ist ein früherer US-Botschafter und Chefunterhändler der USA bei den Abrüstungsgesprächen mit der Sowjetunion. Er sitzt nicht nur im Vorstand des proisraelischen Think Tanks “Jewish Institute for National Security Affairs”, sondern auch im antirussischen Aktionsbündnis “American Committee for Peace in Chechnya”.
Bette Bao Lord ist nicht nur Schriftstellerin, sondern auch Mitglied des Think Tanks “Council on Foreign Relations”. Ihr Ehemann Winston Lord ist Direktor der “International Campaign for Tibet” und war früher sogar Vorsitzender des “Council on Foreign Relations”.
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Lee Cullum ist nicht nur Journalistin für das konservative National Public Radio, sie ist ebenfalls Mitglied im “Council on Foreign Relations”.
Paula Dobriansky ist ebenfalls eine ehemalige hohe Beamtin, die sich nun ihre Zeit in diversen Think Tanks vertreibt. Sie ist nicht nur Mitglied beim PNAC, sondern war früher sogar Vizepräsidentin des “Council on Foreign Relations”. 2002 verfasste sie in der Washington Post einen Artikel, in dem sie George W. Bush aufforderte, einen “Action Plan” aufzustellen, um 110 Regierungen, die sie für unfrei hält, zur Freiheit zu bekehren. Dobriansky vertritt auch die These, dass Terrorismus ein geeignetes Mittel sei, um die Freiheit in unfreie Staaten zu transportieren.
Sidney Harman ist nicht nur Gründer de HiFi-Schmiede Harman & Kardon, sondern auch Mitglied des “Council on Foreign Relations” und der “Trilateral Commission”
Kathryn Dickey Karol ist eine ehemalige CIA-Mitarbeiterin, die ihre Erfahrungen in Osteuropa nun in die Dienste des Pharmakonzerns Elli Lilly gestellt hat.
Joshua Muravchik ist Forscher beim NeoCon-Think Tank “American Enterprise Institute” und Unterzeichner einiger offener Briefe des PNAC. Auch Muravchik gilt als Falke, der voll und ganz hinter Bushs Interventionspolitik stand.
Mark Palmer war nicht nur US-Botschafter in Ungarn und ein hochrangiger Beamter im Außenminsterium. Palmer ist auch Autor des Buchs “Breaking the Real Axis of Evil: How to Oust the World’s Last Dictators by 2025″, in dem er fordert, dass es oberstes Ziel amerikanischer Aussenpolitik werden solle, die Demokratie bis ins letzte Ende der Welt zu “exportieren”.
Arthur Waldron ist nicht nur China-Experte, sondern auch Mitglied diverser Think Tanks, wie dem CFR und dem AEI.
Farooq Kathwari ist ein iranischer Expatrierter, der seine Dienste voll und ganz den Interventionisten, die Iran befreien wollen, zur Verfügung stellt. Auch er ist Mitglied des CFR.
Azar Nafisi ist eine iranische Schriftstellerin, die als stramm neokonservativ und neokolonialistisch gilt. Ihr Arbeitgeber, die PR-Firma Benador Associates, wurde von Brian Whitaker im Guardian als neokonservativer Kriegshetzer beschrieben.
Die interventionistische und neokonservative Linie von Freedom House hat Tradition. Zu den früheren Vorständen gehörten auch so illustre Personen wie Zbigniew Brzezinski, Samuel Huntington, Otto Reich, Donald Rumsfeld und Paul Wolfowitz.
Mehr als nur ein Think Tank
Das Personal sagt einiges über die Ausrichtung von Freedom House aus. Doch wer denkt, Freedom House sei ein reiner Think Tank, der lediglich Schriften verfasst, der irrt. Freedom House wird zu 66% vom amerikanischen Staat finanziert und bezieht den Rest seiner Mittel von interventionistischen Stiftungen wie der Soros Foundation. Freedom House unterhält auch Büros in vielen “unfreien” Staaten, in denen nicht nur die lokalen Zeitungen gelesen werden.Die Freiheit des Menschen liegt nicht darin, dass er tun kann, was er will, sondern, dass er nicht tun muss, was er nicht will.
Jean-Jacques Rousseau
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Jens Berger
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