http://www.gulli.com/news/zensur-im-namen-des-jugendschutzes-2010-01-25
Zensur im Namen des Jugendschutzes
Simon_Columbus am Montag, 25.01.2010 22:57 UhrSendezeitbegrenzungen für das Internet, Zensur ausländischer Webseiten, Haftung für Kommentare in Blogs: Der aktuelle Entwurf des überarbeiteten Jugendmedienschutz-Staatsvertrages hat es in sich. Der AK Zensur kritisiert das Papier deswegen massiv.
Unter anderem sieht eine Änderung vor, dass in Zukunft Internetzugangsanbieter und Webhoster für die Inhalte ihrer Kunden verantwortlich sein sollen. Für die Unternehmen bedeutet das ein hohes wirtschaftliches Risiko, denn sie müssen so gegen jugendgefährdende Inhalte anderer vorgehen. Voreilige Zensur scheint dadurch vorprogrammiert.
Das gleiche gilt für die zusätzlichen Pflichten, die den Betreibern von Webseiten auferlegt werden sollen. Wenn auf ihrer Plattform andere Nutzer Inhalte erstellen können, müssen sie nachweisen, dass sie zeitnah solche Beiträge entfernen, "die geeignet sind, die Entwicklung von jüngeren Personen zu beeinträchtigen".
Der AK Zensur befürchtet, dass durch eine solche Verpflichtung "derartige Angebote in Deutschland nicht oder nur noch extrem eingeschränkt verfügbar wären. Denn Anbieter würden gänzlich unkalkulierbaren Haftungsrisiken ausgesetzt." Keine Angst, die Gulli-Server stehen in Österreich, ist man da versucht zu sagen.
Aber auch das soll keinen Schutz darstellen. Der Entwurf sieht eine Verpflichtung für ISPs vor, ausländische Webseiten zu sperren, die sich nicht an in Deutschland geltende Jugendschutzbestimmungen halten. "Es muss also eine weitaus umfangreichere Internet-Zensur-Infrastruktur aufgebaut werden, als dies Ursula von der Leyen im Wahlkampf vorgesehen hat", warnt der AK Zensur.
Zudem sollen alle Inhalte in Anlehnung an die FSK der Filmwirtschaft in Kategorien eingeteilt werden. Je nach Einschätzung sollen sie ab 0 Jahren, ab 6 Jahren, ab 12 Jahren, ab 16 Jahren, ab 18 Jahren verfügbar sein. Um die Alterseinschätzung durchzusetzen, sind drei alternative Maßnahmen vorgesehen.
Der kontroverseste Vorschlag ist sicherlich, Inhalte nur noch zu bestimmten Uhrzeiten anzubieten. Das werde "der Natur eines internationalen Kommunikations- und Abruf-Mediums nicht gerecht", schreibt der AK Zensur. Er lehnt allerdings auch das "Labeling" von Inhalten nach Altersfreigabe ab. Damit wendet sich der Arbeitskreis gleichfalls gegen die Vorschläge, ein Altersverifikationsverfahren einzusetzen oder alle Inhalte mit einer entsprechenden Altersfreigabe zu kennzeichnen.
Letzterer Vorstoß erinnert an Pläne der chinesischen Internetaufsichtsbehörden, eine "White List" mit zugelassenen Webseiten zu erstellen. Nicht angemeldete Internetangebote, vor allem aus dem Ausland, würden so standardmäßig zensiert.
Der AK Zensur schreibt, die in dem Papier geschilderten Regeln dienten "[i]m Bereich der Pornographie [...] nicht dem Schutz von Jugendlichen, sondern [...] der Marktabschottung der inländischen Porno-Industrie vor ausländischer Konkurrenz."
In anderen Bereichen diene der Staatsvertrag "der Durchsetzung moralischer und sittlicher Vorstellungen unter dem Deckmantel des Jugendschutzes". Auch Erwachsenen werde es "deutlich erschwert", sich ein Bild über vermeintlich jugendgefährdende Inhalte zu machen.
Bei dem Jugendmedienschutz-Staatsvertrag handelt es sich um ein Abkommen zwischen den Bundesländern. Der nicht nur vom AK Zensur, sondern auch vom Provider 1&1 sowie dem Verband der Internetwirtschaft eco massiv kritisierte Entwurf "wurde am 15. Dezember von der Rundfunkkommission der Länder für die Anhörung 'vorgesehen'", wie der Arbeitskreis schreibt.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen