http://feynsinn.org/?p=3049
In einem “Gastkommentar” von Fred Grimm, versteckt unter “Personalführung” im Wirtschaftsteil, findet sich bei SpOn eine Ungeheuerlichkeit, ein scheinbar unscheinbares Detail, das die Existenz einer Demokratie in Deutschland zu widerlegen geeignet ist, wenn es sich bestätigt. Es heißt dort lapidar:
“Über die Hälfte des deutschen Top-Managements stammt aus dem winzigen 0,5-Prozent-Segment der reichsten deutschen Familien.”
Daß die sogenannten “Eliten” gern unter sich bleiben, ist nicht neu und nicht verwunderlich. Sollte aber tatsächlich in einem solchem Maße Begünstigung vor Qualifikation gehen, dann ist es Zeit für radikale Veränderungen der Gesellschaftsordnung oder eine simple Unbenennung – was der machbare Weg sein dürfte. Hören wir auf, von einer “Demokratie” zu sprechen!
Gewaltenteilung, begrenzte Macht
Nun ist “Volksherrschaft” ohnehin ein dehnbarer Begriff, daher stützt sich der moderne Demokratiebegriff auch auf Montesquieus Staatsentwurf der Gewaltenteilung. Zu einer Zeit, da der Staat noch als übermächtiges Gebilde seinen Untertanen gegenübertrat, erhob sich mit dem Bürgertum das Streben nach begrenzter Macht. Die staatlichen Gewalten sollten durch gegenseitige Kontrolle in die Schranken gewiesen werden, und es darf angenommen werden, daß das Bürgertum des 18. Jahrhunderts seine Macht ohnehin durch den Staat wirksam begrenzt sah.
Das hat eine Weile ganz passabel funktioniert. Allerdings wurde in den darauf folgenden Jahrhunderten kein Wert auf eine durchgreifende Aktualisierung des Demokratiemodells gelegt und die aufkommenden Gewalten privater Konzerne und Medien immer weniger wirksam kontrolliert. Ganz offen fordern die Verfechter unbegrenzten Eigentums daher auch immer weniger Staat, immer mehr Einfluß für sich und ihresgleichen. War die staatliche Gewaltenteilung der Ausweg aus Diktatur und autoritärem Staat, so ist die schamlose Machtballung der Wohlhabenden das schlichte Gegenteil.
Menschen, unnützig
Auf ein Menschenbild verzichtet diese “Elite” inzwischen völlig. Es geht nur noch um manische Machtballung, die Verfügungsgewalt in Form und Geld. Der Rest, das Volk, hat zu funktionieren und wird so lange als notwendige Ressource betrachet, wie es nützlich ist. Die Unnützen, längst als “Minderleister” offen diffarmiert, haben keinen Status mehr, auf den sie sich auch nur berufen dürften, um in Würde ihr karges Dasein zu fristen.
Damit es bleibt wie es ist und die Macht bei denen bleibt, die sich immer häufiger als “genetisch” überlegen darstellen – was übrigens auch in den Forenbeiträgen zum Spiegel-Artikel haarsträubend argumentiert wird – werden alle Register kreuzdämlicher Propaganda gezogen. Wirft man den Abgehängten zähnefletschend in doppelter Lüge “anstrengungslosen Wohlstand” vor, wird genau dieser für sakrosankt erklärt: Das Erbe der Besitzenden sei unantastbar.
Erbhöfe
Als sei etwa eine Aktiengesellschaft ein unmögliches Unternehmen, wird das Hirngespinst des Untergangs der Mittelschicht gepflegt, wenn es eine wirksame Erbschaftssteuer gäbe. Ganz selbstverständlich wird auch die Rückführung von Allgemeingut durch eine Steuer auf Erbschaften aus Privatvermögen bekämpft. Und immer sind es die “Leistungsträger” der “Mittelschicht”, die angeblich zu schützen seien. Doppelt gelogen hält auch hier offenbar besser.
Aber es geht noch dicker. Der Sicherung des Eigentums der Eigentümer durch die Vergabe höchstdotierter und einflußreicher Posten im Management ist durch keine Steuer beizukommen, schon gar nicht von Seiten eines Staates, der dem Treiben an den Erbhöfen nicht reinzureden hat. Was einzig noch stört, ist daß die postmodernen Feudalherren überhaupt Rücksicht zu nehmen haben auf eine Staatsverfassung, die etwas gänzlich anderes verspricht als die gegebenen Zustände. Das muß gekittet werden durch Propaganda, Korruption, Ablenkung und die Verteufelung aller denkbaren Alternativen, die von den aggressivsten Hetzern mit der Sozialismuspeitsche behandelt werden. Mit Erfolg wird schon der Begriff “Kapitalismus” zur Ausgeburt stalinistischer Massenmörder verklärt.
Sozialismus?
Der Dualismus des kalten Krieges, Kapitalismus vs. Sozialismus-Kommunismus, ist eine Albernheit, die schon in jenen Zeiten nur zur Propaganda taugte. Heute muß man schon mit unerhörter Brutalität diese Keule schwingen, um damit Wirkung zu erzielen. Wenn alle Mittel recht sind, dann auch dieses.
Ich bemühe mich stets um die Entwicklung von Ideen, die der aktuellen Lage gerecht werden und mag darum nicht von “Sozialismus” sprechen. Aber wenn es denn wirklich so gesehen werden muß, daß es keine anderen Alternativen gibt zum Marsch in die Diktatur der kapitalistischen Clans, ist es höchste Zeit für einen Sozialismus. Er wäre demnach die letzte Chance für die Demokratie.
Mittwoch, 14. April 2010
Der demokratische Lack bröckelt ab, und es zeigt sich das Feudalsystem
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