Worte wie schleichendes Gift
geschrieben am 30. April 2010 von Spiegelfechter
Die Grenzen von Anstand und Moral sind überschritten. Heute morgen eröffneten Heckenschützen aus den Reihen der schwarz-gelben Koalition zusammen mit der Süddeutschen Zeitung einen Frontalangriff auf Finanzminister Schäuble. Dieser sei, so die Verschwörerclique aus dem Hinterzimmer, wegen seiner Krankheit geistig nicht mehr imstande, seinen Posten auszufüllen. Den Meuchelmördern stößt dabei vor allem Schäubles ablehnende Haltung bei den Steuersenkungen auf – dem Lieblingsthema der FDP. Infam lässt sich die Süddeutsche vor den Karren spannen, macht die konspirativen Giftpfeile der Schäuble-Kritiker zu ihren eigenen, instrumentalisiert die Krankheit des Ministers und setzt damit einen neuen Tiefpunkt im Sachen journalistischer Ethik.
Um das Maß unredlicher Suggestion vollzumachen, verbreiten die Autoren sogar die Lüge, Schäuble habe durch seinen ständigen Positionswechsel das Hilfspaket für Griechenland gefährdet und „Anfang der Woche die Hilfen für Athen in Frage (ge)stellt.“ Diese Aussage ist natürlich grundfalsch – während Wolfgang Schäuble als einziges Regierungsmitglied eine mögliche Umschuldung kategorisch ausschloss und in einem Interview mit dem Handelsblatt kristallklar Stellung bezog, quaselten alle möglichen Personen aus der Regierungskoalition halbgares Zeugs – unter ihnen vielleicht sogar der Hinterzimmerkontakt der Süddeutschen. Erst die Klausur mit dem offensichtlich alarmierten IWF-Chef Strauss-Kahn ließ die chronisch zögernde Regierungschefin ebenfalls auf Schäubles Linie umschwenken. Der angerichtete Schaden ist groß, Schäubles Schuld ist dies allerdings sicher nicht.
Jens Berger
Hinterzimmerjournalismus
Was hat bloß die Herren Braun, Hulverscheidt und Bohsem geritten, als sie ihr konspiratives Insiderpamphlet „Wie aus dem falschen Jahrhundert“ verfassten? Die Herren trafen sich mit einer nicht näher benannten „Spitzenkraft der christlich-liberalen Koalition“ im Hinterzimmer eines Restaurants im Berliner Regierungsviertel und ließen ihr Gegenüber reden. Der Mann erzählte unter dem Deckmantel der Anonymität von der Krankheit Schäubles, die ihn nicht nur körperlich, sondern – so die implizite Botschaft der Süddeutschen – auch geistig in Mitleidenschaft gezogen hätte.Der Mann im Hinterzimmer zieht die Stirn ein wenig zu demonstrativ in Falten, als er auf Schäuble zu sprechen kommt, und er klingt ein wenig zu besorgt, als er erzählt, dass die “Krankheit” beim Minister zu immer stärkeren Stimmungsschwankungen führe. [...] Ist es ein Wunder, so lautet die Botschaft des Gesprächspartners, dass Schäuble erst für Steuersenkungen war und jetzt dagegen ist? Bei den Stimmungsschwankungen?Natürlich ist es nicht ehrenrührig, die Meinung eines Gesprächpartners aufzuzeigen – auch wenn diese Meinung in infamer Art und Weise ein körperliches Leiden zu einem geistigen Leiden stilisiert. Politische Gegner in die Ecke von Geisteskranken zu rücken, zeugt nicht eben von gutem Stil. Problematisch wird es jedoch, wenn man solche Zitate als Steilvorlagen zum Transport seiner eigenen Meinung verwendet. Genau dieser Tabubruch ist es, der den Artikel der Süddeutschen wie schleichendes Gift durchzieht. Die Autoren wechseln fröhlich von indirekter Rede zu direkter und ihrer eigenen Meinung und benutzen dabei Zitate von anonymen Hinterzimmerkontakten dazu, diese zu unterstreichen. Die Autoren unternehmen noch nicht einmal den Versuch abzuwägen, oder gar neutral zu bleiben – sie kommentieren, diskreditieren und intrigieren offen gegen Wolfgang Schäuble, der ihre neoliberalen Begehrlichkeiten partout nicht erfüllen will.
Alberich und die Begehrlichkeiten
Die Süddeutsche Zeitung wäre eine gute Zeitung, wenn sie keinen Wirtschaftsteil hätte. Dieses Ressort ist eine Art neoliberaler Dinosaurier im Blätterwald, gegen den selbst das Handelsblatt progressiv erscheint. Der Mann im Hinterzimmer und die Wirtschaftsredaktion der Süddeutschen sind daher offensichtlich Seelenverwandte, deren Ziele größtenteils deckungsgleich sind. Schäuble gleicht dem Zwergenkönig Alberich, der im Nibelungenlied den goldenen Hort gegen die Begehrlichkeiten der Menschen verteidigt. Seine Standhaftigkeit beim Bemühen, den von katastrophalen Krisenfolgen erschütterten Bundeshaushalt nicht auch noch durch sinnfreie Steuersenkungen vollends zu ruinieren, hat ihm zwar seitens der Kritiker der schwarz-gelben Koalition Respekt und Anerkennung eingebracht, in den eigenen Reihen – und hier vor allem bei der FDP – hat er sich damit jedoch erbitterte Feinde gemacht. Aber nicht nur dort, auch die SZ-Journalisten lassen kein gutes Haar an der Haushaltsdisziplin des Finanzministers. So sorgte sein Haushaltsentwurf – laut SZ – für „Entsetzen“, seine Weigerung, Steuerentlastungen zu beschließen, sei einzig und allein „ein Stoß vor den Kopf des Koalitionspartners“.Um das Maß unredlicher Suggestion vollzumachen, verbreiten die Autoren sogar die Lüge, Schäuble habe durch seinen ständigen Positionswechsel das Hilfspaket für Griechenland gefährdet und „Anfang der Woche die Hilfen für Athen in Frage (ge)stellt.“ Diese Aussage ist natürlich grundfalsch – während Wolfgang Schäuble als einziges Regierungsmitglied eine mögliche Umschuldung kategorisch ausschloss und in einem Interview mit dem Handelsblatt kristallklar Stellung bezog, quaselten alle möglichen Personen aus der Regierungskoalition halbgares Zeugs – unter ihnen vielleicht sogar der Hinterzimmerkontakt der Süddeutschen. Erst die Klausur mit dem offensichtlich alarmierten IWF-Chef Strauss-Kahn ließ die chronisch zögernde Regierungschefin ebenfalls auf Schäubles Linie umschwenken. Der angerichtete Schaden ist groß, Schäubles Schuld ist dies allerdings sicher nicht.
Bollwerk gegen den Neoliberalismus
Der Mann im Rollstuhl, so die Hoffnung, werde das eher konservative Haus nach den Erfahrungen mit dem Besserwisser Oskar Lafontaine, dem Koma-Sparer Hans Eichel und dem großspurig-dröhnenden Peer Steinbrück wieder zu sich selbst führen. Nichts ist geblieben von diesen Hoffnungen. [...] Gerade in der Finanzkrise jedoch mutet seine (Schäubles) Gedankenwelt manchem Beobachter so philosophisch abgehoben an, dass viele sich fragen, ob dieser Mann mit seinen 67 Jahren den Finanzkapitalismus des 21. Jahrhunderts tatsächlich durchdrungen hat.Sicherlich hat Wolfgang Schäuble den Finanzkapitalismus des 21. Jahrhunderts durchdrungen, er hat sich allerdings offensichtlich nicht mit ihm gemein gemacht und hält wenig von den neoliberalen Marktbeschwörungsformeln. Dass dies nicht nur den neoliberalen Hinterzimmerkontakten, sondern auch der SZ nicht schmeckt, liegt auf der Hand. Ihn wegen seines Gesundheitszustands stürzen zu wollen, ist jedoch nicht nur infam, sondern auch ein vorgeschobenes Kalkül. Es geht nicht um Schäubles Gesundheit, sondern um seine ordnungspolitische Grundhaltung. Anscheinend sieht die FDP in einer Demission Schäubles die letzte Chance, ihren Steuersenkungswahn doch noch Realität werden zu lassen. Schön für die FDP, dass sie so gute Freunde in der Redaktion der Süddeutschen Zeitung hat. Wer hätte gedacht, dass ausgerechnet der verhasste Innenminister Schäuble als Finanzminister zum letzten Rettungsanker der Vernunft werden würde? Wünschen wir Schäuble eine schnelle Genesung und der Süddeutschen eine Rückkehr zu Anstand, Ethik und Moral. Gleich wie man zu einer Person steht, körperliche Gebrechen zu instrumentalisieren ist nicht satisfaktionsfähig.
Jens Berger
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