Die Folter des Ameer Makhoul |
Von JONATHAN COOK, 7. Juni 2010 -
Ein führender Menschenrechtsaktivist aus Israels palästinensischer Minderheit wurde gestern (28.05) mit dem schwersten Sicherheitsvergehen nach Israels Gesetzbuch angeklagt, einschließlich Spionage.
Der Staatsanwalt klagte Ameer Makhoul, den Vorsitzenden von Ittijah, einer Dachorganisation für arabische Menschenrechtsgruppen in Israel, öffentlich an: er habe Sicherheitseinrichtungen im Namen der Hisbollah ausspioniert und zwar nach einem angeblichen Treffen mit einem ihrer Agenten in Dänemark 2008.
Ameer Makhoul, der von Israels Geheimpolizei, dem Shin Bet, die meiste Zeit seiner Verhaftung vor drei Wochen in Einzelhaft gehalten wurde, erschien vor Gericht und plädierte „nicht schuldig“. In seinem ersten öffentlichen Statement sagte er dem Gericht: „Der Shin Bet kontrolliert das israelische Justizsystem.“
Als die Nachrichtensperre zu diesem Fall aufgehoben wurde, sagten seine Anwälte, A. Makhoul ist während der Haft gefoltert worden, es sei ihm auch von den Verhörenden gesagt worden, man würde ihn „behindert“ entlassen. Die drei Anwälte sagten, er sei gezwungen worden, ein falsches Bekenntnis abzulegen, von dem sie behaupten, es sei unzulässig.
A. Makhouls Verhaftung hat viele in Israels palästinensischer Minderheit – ein Fünftel der Bevölkerung - zornig gemacht. Sie hat den Verdacht, dass er wegen seiner führenden Rolle bei der internationalen Boykottbewegung gegen Israel und seiner prominenten Opposition zu Israels Angriff im Gazastreifen vor fast 18 Monaten verfolgt wird.
Er wurde von Menschenrechtsgruppen, einschließlich Amnesty International im Ausland unterstützt, das ihn zu einem Gefangenen des Gewissens erklärte und Israel der „reinen Schikane“ anklagte.
A. Makhouls Bruder Issam, ein früheres Knessetmitglied einer jüdisch-arabischen Partei, sagte gestern zu Israel-Radio, dass ihn der Shin Bet im Januar 2009, kurz nachdem er den Protest gegen den Gazakrieg organisierte, bedroht hatte. Der Shin Bet hatte ihm gesagt, dass sie ihm etwas anhängen und ihn verschwinden lassen würden.
Frau Janan Makhoul, die ihren Mann im Gericht zum ersten Mal nach der Verhaftung sah , sagte, er habe ständig Schmerzen und könne nicht mehr richtig sehen. Er sei sehr erschöpft und er habe ihr von der Folter während des Verhörs berichtet: 36 Stunden ohne Schlaf an einen Stuhl gebunden, der im Fußboden befestigt war.
A. Makhoul, 52, ist angeklagt, dem Feind in Kriegszeiten geholfen, schwere Spionage begangen und Kontakt mit einem ausländischen Agenten gehabt zu haben. Nach der Anklage gab er bei mindestens 10 Gelegenheiten „strategische Geheimnachrichten“ per Email in verschlüsselter Form an die Hisbollah weiter.
Die militante libanesische Gruppe hätte Ameer Makhoul, dessen Organisation ihren Sitz in Haifa hat, benützt, um Informationen über Sicherheitseinrichtungen im Norden Israels zu bekommen.
Makhoul soll angeblich Details über Örtlichkeiten der Shin Bet-Einrichtungen, von einem Mossadbüro, einer Militärbasis und einer Rafael-Waffenfabrik geliefert haben. Er soll auch erfolglos Informationen über Sicherheitsmaßnahmen von Benyamin Netanyahu, dem Ministerpräsidenten, und Ehud Barak, dem Verteidigungsminister, gesammelt haben.
Ein ranghoher Shin Bet-Offizier sage der liberalen Zeitung Haaretz: Ein Teil der Informationen, die Makhoul weitergab, könnte von jedem anderem mit zwei Augen und mit Google Earth (einem PC-Programm, das Satellitenbilder liefert) weitergegeben werden. Aber Makhoul als israelischer Araber hat Bewegungsfreiheit und Zutritt zu ganz Israel.
Der Staatsanwalt klagte ihn auch an, er habe die Namen von sechs israelischen Spionen weitergegeben und Analysen von Trends der israelischen Politik und Gesellschaft.
Der Staatsanwalt unterstellte, dass es der Hisbollah ganz besonders daran lag, zu erfahren, ob sie israelische Sicherheitsanlagen während der militärischen Konfrontation im Sommer 2006 getroffen hatte.
In einem ähnlichen Fall wurde gestern (am 28. Mai 2010) Omar Said, 50, Pharmakologe und politischer Aktivist vor einem Gericht in Nazareth angeklagt, er habe die Hisbollah kontaktiert und Informationen weitergegeben, nachdem er sich im Sinai-Urlaubsort Sharm El-Sheikh mit einem Agenten getroffen hätte. Er leugnet die Behauptungen und sagte, er sei gezwungen worden, ein Bekenntnis abzugeben.
Hassan Jaja, ein libanesischer Geschäftsmann, der in Jordanien lebt, sei angeblich der Mittelsmann zwischen der Hisbollah, Omar Said und Ameer Makhoul gewesen.
Das Adalah-Rechtszentrum, das A. Makhoul vertritt, sagte, seine Anklage beruhe auf einem Bekenntnis, das ihm während fast zwei Wochen entlockt wurde, in denen ihm kein Anwalt zugestanden wurde, er in einer kleinen Einzelzelle ohne Schlaf und Mahlzeiten gehalten wurde und in schmerzvoller Position an einen kleinen Stuhl gebunden war.
Die Kombination der Methoden, im Hebräischen als Shabeh bekannt, verursachen einen enormen Stress und akuten anhaltenden Schmerz, sagt Abir Baker, ein Anwalt von Adalah. Die Verhörmethoden verletzen das Internationale Gesetz, die eigentlich 1999 vom obersten Gerichtshof verboten wurden.
Hasan Jabareen, Vorsitzender von Adalah, sagte, als Makhoul sich über schwere Schmerzen beschwerte, haben die Verhörenden ihn noch fester angebunden und ihm damit gedroht, ihn „behindert“ zu lassen.
Issam Makhoul sagte, die Familie sei in großer Sorge gewesen, dass das Gericht ihm seine Anwälte verweigern würde.
Frau Baker sagte, vor kurzen hätten Veränderungen in Israels Sicherheitsgesetzen dem Shin Bet „gefährliche Macht“ gegeben: dem Verdächtigen verweigert man bis 21 Tage lang das Recht, einen Anwalt zu sehen. Solche Macht wird fast nur gegen palästinensische Bürger, die in Haft sind, benützt, sagte sie, obwohl sich der Staat weigerte, Zahlen zu nennen, wie oft das Gesetz angewendet wird. Sie sagte auch, dass während Zeiten, in denen ein Verdächtiger keinen Anwalt sehen kann, es wahrscheinlicher ist, dass illegale Foltermethoden angewandt werden. Bei einem früheren Verhör hätte ein Shin Bet-Offizier Makhoul gedroht, ihn in den Gazastreifen abzuschieben.
Makhouls Fall hat jeden in der Menschenrechtsbewegung Israels in Angst zurückgelassen, sagte Zeidan, Vorsitzender der Menschenrechtsvereinigung in Nazareth. „Der Shin Bet möchte ihn vom Fenster weghaben – und es ist ihnen gelungen. Ameer ist verschwunden.“
Am Mittwoch verabschiedete das Parlament nach der ersten Lesung einen „Loyalitäts-Gesetzentwurf“, der von der extremrechten Yisrael Beitanu-Partei vorgelegt wurde: Jedem, der der Spionage verdächtig wird, soll die (israelische) Staatsbürgerschaft entzogen werden.
Der Artikel erschien im Original am 29. Mai unter dem Titel The Torture of Ameer Makhoul bei Counterpunch.
Der Autor: Jonathan Cook, Nazareth, ist ein Schriftsteller und Journalist. Seine letzten Bücher waren „Israel and the Clash of Civilisations: Irak, Iran and the Plan to Remake the Middle East” (Pluto Press) und „Disappearing Palestine: Israels Experiments in Human Despair” (Zed Books). Er betreibt die Webseite www.jkcook.net
Übersetzung: Ellen Rohlfs
Der Artikel wurde geringfügig gekürzt.
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