Viele sind für Herrn Gauck, weil die anderen zu unbekannt, oder zu farblos sind, und wie Wulff als Vorbild nicht so recht taugen,- wenn es denn eines sein soll.
Es ist quasi wieder einmal - wie in so manchen Fällen zuvor schon - die pure Verzweiflung darüber, dass nicht wirklich eine Persönlichkeit da ist, die überzeugen würde - ohne, oder mit nur ganz wenigen Vorbehalten. Was sich unsere Republik in den vergangenen Jahrzehnten an Zerstörung geleistet hat, und noch leistet, ist unbeschreiblich, wenn man sie zuvor kannte. Das rächt sich allmählich.
Manche wollen daraus nun einen "Hype" für Gauck häkeln. Der Spiegelfechter berichtet.
http://www.spiegelfechter.com/wordpress/2930/gauck-hype-welcher-gauck-hype
Gauck-Hype? Welcher Gauck-Hype?
geschrieben am 17. Juni 2010 von Spiegelfechter
Um in Zeiten der Politiker- und Parteienverdrossenheit erfolgreiches Online-Campaigning machen zu können, braucht man einige Faktoren, die in Deutschland normalerweise nicht gegeben sind: Das Produkt (der Kandidat) sollte von der “Community” nicht all zu eng mit einer der etablierten Parteien verbunden werden. Daher sollte auch die Kampagne als solche sich nicht mit einer Kampagne einer Partei in Verbindung bringen lassen. Wenn dies gegeben ist und man dann auch noch willfährige Massenmedien vorfindet, die ebenso wie arglose Netzbewohner auf den Kampagnenzug aufspringen, ist die Gelegenheit günstig. Yes, we Gauck! Das Netz lässt sich gerne vergauckeln und freut sich bereits über seine vermeintliche Wirkmächtigkeit, denn “wir werden gehört”. Fragt sich nur, wer “wir” ist.Go for Gauck!
BILD, SPIEGEL und ZEIT haben ein Phänomen ausgemacht. “Go for Gauck“, das Netz, so wollen es die Qualitätsjournalisten wissen, schwärmt für Joachim Gauck. Anscheinend leben wir in getrennten Netzen, mir ist selbst bei umfassenden Bloglese kein besonderer Gauck-Hype aufgefallen. Aber ich bin ja auch kein Qualitätsjournalist. Ein breites Medienbündnis von taz bis BILD liebt den “besseren Präsidenten” (SPIEGEL) und will, dass auch das Netz Joachim Gauck lieb hat. Wer aber akribisch nach Quellen sucht, um einen Artikel über den “Gauck-Hype” im Netz zu schreiben, wird sie auch finden. Und wer weiß? Vielleicht setzt dies ja eine selbsterfüllende Prophezeiung in Gang?Den Stein ins Rollen brachte offenbar der Unternehmensberater und “Beinahe-Europaabgeordnete” der FDP Christoph Giesa. Der ehemalige Vorsitzende der Jungen Liberalen in Rheinland-Pfalz gründete kurz nach der Rücktrittsankündigung Horst Köhlers eine Facebook-Gruppe namens “Joachim Gauck als Bundespräsident”. Mit dieser Idee war Giesa nicht alleine, auch der Urenkel des letzten deutschen Kaisers sammelt auf Facebook Gauck-Sympathisanten. Giesa scheint allerdings besser vernetzt zu sein und sammelte binnen weniger Wochen immerhin über 10.000 Klickaktivisten.
Facebook-Klickaktivismus
Online-Aktivismus ist glücklicherweise denkbar unkompliziert – man muss nur einmal die Maustaste betätigen und schon ist man echter Aktivist. 10.000 Facebook-Aktivisten sind zwar schon eine kleinere Hausnummer, im Vergleich zu den Leserzahlen von “gauckkritischen” Blogs wie f!xmbr oder dem Spiegelfechter sind sie jedoch überschaubar. Aber warum sollte man sich mit derlei Marginalien abgeben, wenn man einen Artikel über den so nicht vorhandenen “Gauck-Hype” im Netz zu schreiben hat. Die Kollegen schrieben, schwärmten und lieferten damit natürlich erstklassige Werbung für die Facebook-Aktivisten. Mittlerweile tummeln sich dort bereits 31.000 Gauck-Fans, was im Vergleich zu den Leserzahlern “gauckkritischer” Blogs zwar immer noch überschaubar ist, aber zumindest als Steilvorlage für weitere Artikel benutzt werden kann.Denn, so wollen es SPIEGEL, BILD und Co., der “Gauck-Hype” geht ja weit über Facebook hinaus. Ist dem so? Es gibt zwar auch weitere Pro-Gauck-Seiten im Netz, die auf so aussagekräftigen Domains wie wir-fuer-gauck.de, go-for-gauck.de oder mein-praesident.de laufen und sogar eine innovative Einbindung sozialer Netzwerke ermöglichen. Das Problem dieser Seiten ist jedoch, dass sie nicht unbedingt ins Bild der spontanen Graswurzelbewegung passen, die die Herren und Damen Qualitätsjournalisten ausgemacht haben wollen.
So viele Zufälle
Die Seite wir-fuer-gauck.de wird von einem gewissen Nico Lumma betrieben. Lumma arbeitet als “Director Social Media” für die bekannte Werbeagentur Scholz & Friends, die Netzaktivisten eigentlich schon wegen ihrer regelmäßigen Arbeit für das Netz-Enfant-terrible “Zensursula” ein Dorn im Auge sein sollte. Lumma ist allerdings nicht nur Werber, er sitzt auch im “Gesprächskreis Netzpolitik des SPD-Parteivorstands”. Zufälle gibt es! Natürlich ist es möglich, das Nico Lumma als echter Citoyen vom Gauck-Fieber überwältigt wurde und seine Kompetenzen vollkommen selbst- und parteilos einbringt. Aber wer glaubt schon an so viele Zufälle? Seltsam nur, dass unter den Erstzeichnern seiner Unterschriftenliste auffällig viele SPD-Politiker sind. Wer gut vernetzt ist, hat jedoch auch im Netz Erfolg. Nachdem der SPIEGEL über die Unterschriftenliste Lummas berichtete, wuchs diese sprunghaft von 1.300 auf momentan “sensationelle” 8.767. Sogar eine Unterschriftensammlung zur Rettung des Karstadt-Warenhauses in der Altstadt von Goslar hatte im letzten Jahr mehr Stimmen sammeln können.Zum “Gesprächskreis Netzpolitik des SPD-Parteivorstands” gehört auch Mathias Richel. Richel ist Betreiber der Seite mein-praesident.de. Bis vor kurzem war Richel Angstellter der Agentur “Butter”, die im Willy-Brandt-Haus ein- und ausgeht. Für den Kunden SPD hat Richel unter anderem in leitender Funktion im letzten Jahr den SPD-Bundestagswahlkampf, den SPD-Europawahlkampf und den Wahlkampf für die Landtagswahlen in Thüringen und Sachsen betreut. Richel wurde auch in der SPD-Wahlkampfzentrale “Nordkurve”, dem Nachfolger der berühmt-berüchtigten Kampa eingesetzt. Zufälle gibt es! Natürlich kann es auch sein, dass Richel sich spontan in den Präsidentschaftskandidaten der SPD verliebt hat und sein Netz- und Twitter-Engagement vollkommen selbst- und parteilos betreibt. Aber wer glaubt schon an so viele Zufälle?
Ein eher kleines Licht im PR- und Werber-Jungle ist hingegen Stefanie Schmidt. Schmidt leitet die Werbeagentur Soundsites und betreibt die Seite go-for-gauck.de. Beruflich ist Frau Schmidt unter anderem mit der Realisierung des Internetauftritts einiger SPD-Politiker beschäftigt und im SPD-Netzwerk meinespd.net ist sie Mitgründerin der Gruppe “Joachim Gauck als Bundespräsident”. Zufälle gibt es! Natürlich kann es auch sein, dass Frau Schmidt ihr Pro-Gauck-Engagement völlig spontan und ohne jegliche parteipolitische Präferenz betreibt. Aber wer glaubt schon an so viele Zufälle?
Da gucken wir doch lieber ganz angestrengt weg
All diese Hintergründe sind für jeden Journalisten innerhalb weniger Stunden im Netz recherchierbar. Warum berichten die lieben Kollegen nicht über die – sagen wir es freundlich – ungewöhnliche Nähe der Gauck-Fans zur Parteizentrale der SPD? Hat der Leser denn kein Recht zu erfahren, wer hinter dem Gauck-Hype steckt? Wem ist damit geholfen, wenn die Massenmedien den Eindruck erwecken, “das Netz” stünde geschlossen hinter Gauck? Ein Großteil der Journalisten will – aus welchen Grund auch immer – Joachim Gauck in einem besseren Licht darstellen, als es ihm gebührt. Das ist Kampagnenjournalismus, der sich nahtlos in die auch ansonsten sehr einseitige Pro-Gauck-Kampagne der großen Zeitungen einreiht.Online-Hype wird zur Offline-Blamage
Dass Online- und Offlinewahlkampf zwei verschiedene Dinge sind, mussten jedoch auch die wenigen “echten” Gauck-Fans feststellen. Der FDP-Mann Christoph Giesa wollte den “Online-Hype” auf die Strasse bringen und am letzten Montag in Berlin eine “Großdemonstration” veranstalten. Giesa sprach in diesem Zusammenhang von “Montagsdemonstrationen” und sein Netzwerk will auch heute am 17. Juni auf die Strasse gehen und ruft zu “bundesweiten Demonstrationen” auf, da sich an diesem Datum “schon einmal das Volk gegen die Arroganz der Herrschenden” erhoben habe. Diese doch recht drollige Relativierung der “DDR-Diktatur” sollte eigentlich den Kandidaten Gauck auf den Plan rufen. Als Sozialverbände ihre Demonstrationen gegen Hartz-IV “Montagsdemos” nannten, schäumte der Herr der Akten vor Wut und nannte dies “töricht und geschichtsvergessen”. Gilt dies dann auch für Giesa und seine Freunde? Aber man sollte aus einer Mücke auch keinen Elefanten machen, schließlich konnte Giesas “Großdemonstration” gerade einmal 30 Aktivisten auf die Strasse bringen, die immerhin einer fast gleich großen Schar von Journalisten in die Mikrophone diktieren durften, warum das Netz in einen derartigen Gauck-Hype verfallen ist. Vielleicht sollte Giesa einmal im Willy-Brandt-Haus anrufen, dort verfügt man schließlich über die “50-Cent-Army” der Jusos, die jede noch so schlecht besuchte Demonstration personell verstärken kann.Jedenfalls sollte man der SPD Respekt zollen. Sie hat es geschafft, das Medium Internet direkt und indirekt für einen Wahlkampf einzuspannen: Das ist eine Novität in Deutschland. Es muss allerdings auch die Frage gestattet sein, ob diese Online-Kampagne auch ein derartiges mediales Echo bekommen hätte, wenn ihre Ziele sich nicht zufälligerweise mit der Agenda der Leitmedien so hervorragend ergänzen würden. Vielleicht kann “das Netz” ja mal eine SPD-Kampagne für die Einführung des Mindestlohns starten. Dann schauen wir mal, ob SPIEGEL, BILD und Co. auch dann derart wohlwollend berichten.
Jens Berger
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