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Menschenrecht als Grundlage

Die Arbeit an diesem Blog bezieht sich auf menschenrechtliche Grundlagen.

-Art. 5 Abs. 1 S. 1 Grundgesetz (Meinungsfreiheit)
-Art. 5 Abs. 1 S. 2 Grundgesetz (Informationsfreiheit)
-Art. 5 Abs. 1 S. 3 Grundgesetz (Pressefreiheit)
-Art. 5 Abs. 1 S. 4 Grundgesetz (Zensurverbot)
-Art. 19 Allgem. Erkl. der Menschenrechte sowie Art. 19 Uno-Zivilpakt (Meinungs- und Informationsfreiheit auch Staatsgrenzen überschreitend)
-Art. 1 von Uno-Resolution 53/144 (schützt das Recht, sich für die Menschenrechte zu engagieren)

Trotzdem sehe ich mich dazu gezwungen, gewisse Kommentare zu überprüfen, und gegebenenfalls nicht zu veröffentlichen. Es sind dies jene, die sich in rassistischer Weise gegen andere Menschen richten - gewalttätige Inhalte enthalten - Beschimpfungen, etc. Derlei Inhalte kann ich nicht damit vereinbaren, dass sich dieses blog für Menschenrechte einsetzt - und zwar ausnahmslos für alle Menschen.

Mein Blog ist ab 18 Jahren, denn ab da kann man voraussetzen, dass der Mensch denkt...

...und ausserdem nicht mehr mit den Umtrieben der Ministerin von der Leyen gegen Websiten in Schwierigkeiten kommt, wenn er einen blog lesen will.

Im Übrigen gilt Folgendes für die verlinkten Seiten:

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Mit Urteil vom 12. Mai 1998 hat das Landgericht Hamburg entschieden, dass durch die Ausbringung eines Links die Inhalte der gelinkten Seite gegebenenfalls mit zu verantworten sind. Dieses kann – laut Landgerichtsurteil – nur dadurch verhindert werden, dass man sich ausdrücklich von diesen Inhalten distanziert.

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Mittwoch, 16. Juni 2010

Folterdebatte

Es wird immer mal wieder eine Situation geben, wo es um sehr viel geht - um Menschenleben, um ein Vernichtungsszenario, was auch immer. Und, es wird den Täter geben, der schweigt, der mit der Menschlichkeit abgeschlossen hat, - vielleicht, weil er sie selber nie kennenlernen konnte, oder aus anderen Gründen, die genauso schwerwiegend sind.

Ihm gegenüber werden Ermittler sitzen, die mit der Zeit kämpfen, um Leben zu retten, um eine Katastrophe abzuwenden, was auch immer an Verbrechen vorliegt. Der Täter wird schweigen, wird vielleicht sogar die Ermittler provozieren, verhöhnen, aber nicht das sagen, was sie hören wollen. Es gibt jene eiskalten, gfühllos wirkenden Menschen, die mit nichts mehr zu erreichen sind, was unser sogenanntes Gerechtigkeitssystem ausmacht.

Nun kann man sich in einen solchen Ermittler hineinversetzen, der daran interressiert ist, dass der andere - der Verbrecher - redet. Und, die Emotionen, die bei eben nicht so ganz kalten Menschen hochkochen, kann man auch nachempfinden. Man möchte den Kerl da gegenüber durchschütteln... und irgendwann will man ihm mehr antun - für sein Schweigen, für das Gefährden anderer Menschen, für das, was er eiskalt und billigend in Kauf nimmt an Schäden anderer Menschen, was auch immer...

Aber, genau das ist der Knackpunkt: Nein ! - Denn es wäre eben der Einstieg in Folter und Rachejustiz, die zu vermeiden ist, um nicht wieder eine total furchtbare Justiz einzuführen. Das muss so bleiben, egal wie die Verbrecher die einem gegenüber sind, auch immer drauf sein mögen.

Dies also vorneweg, und hier ein Artikel aus dem blog vom Spiegelfechter:

http://www.spiegelfechter.com/wordpress/2921/uber-einen-versuch-die-folter-als-%E2%80%BAletztes-mittel%E2%80%B9-zu-legalisieren


Über einen Versuch, die Folter als ›letztes Mittel‹ zu legalisieren

geschrieben am 16. Juni 2010 von Spiegelfechter
ein Gastartikel von Wolf Wetzel
Am 31.5.2010 hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) in Straßburg die Folterandrohung gegen Magnus Gäfgen während einer Vernehmung im Frankfurter Polizeipräsidium im Jahre 2002 als einen Verstoß gegen Artikel 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention, das Folterverbot, verurteilt. Auffallend kurz wurde in den Leitmedien darüber berichtet, ganz schnell war das Thema vom Tisch. Aus gutem Grund: Es ging um weit mehr als einen Vizepolizeipräsidenten, der ganz alleine und einsam mit Folter Leben retten wollte.
Im Zuge einer Fahndung nach Personen, die Jakob von Metzler entführt hatten, wurde am 30.9.2002 Magnus Gäfgen als Tatverdächtiger verhaftet und vernommen. Tags darauf ordnete der Vize-Polizeipräsident Wolfgang Daschner die Androhung der Folter und gegebenenfalls deren Durchführung an. Man wollte den Tatverdächtigen »zum Sprechen bringen«. Noch am selben Tag dokumentierte Daschner diesen Rechtsbruch in einer Aktennotiz und informierte den zuständigen Staatsanwalt Rainer Schilling.
Erst drei Monate später wurde ein Ermittlungsverfahren gegen den Frankfurter Vize-Polizeipräsidenten eingeleitet. Der Vorwurf lautete ›Aussageerpressung‹, für Juristen gleichbedeutend mit Folter, für die Freiheitsstrafen zwischen ein und zehn Jahren verhängt werden kann. Obwohl Polizisten bei weit weniger massiven Vorwürfen bis zum Ende eines Verfahrens suspendiert werden, blieb der Vize-Polizeipräsident im Amt. Im Februar 2004 ließ die Staatsanwaltschaft auch diesen Vorwurf fallen und klagte den beteiligten Kriminalhauptkommissar Ortwin E. und den ehemaligen Vize-Polizeipräsidenten Daschner wegen ›Nötigung‹ bzw. ›Anstiftung zu einer Tat‹ vor dem Landgericht Frankfurt an. Das Urteil war an Milde nicht zu überbieten:
»Ehrenwerte Motive, mildes Urteil. Der ehemalige Frankfurter Vize-Polizeipräsident Wolfgang Daschner ist wegen der von ihm angeordneten Folterdrohung im Entführungsfall Metzler zu einer Geldstrafe auf Bewährung verurteilt worden. Strafmildernd hätten sich die ehrenwerten Motive Daschners und des mitangeklagten Polizisten ausgewirkt, so die Richterin.«
(Der Spiegel vom 20.12.2004)

»Irgendwann hätte er nicht mehr geschwiegen.«

An besagtem 1.Oktober 2002 gab der Vize-Polizeipräsident, nach mehreren Beratungen und Rücksprachen, seine Anweisungen. Im Gespräch war u.a. der Einsatz eines ›Wahrheitsserums‹ (Der Spiegel, 9/2003), um den Verdächtigen in einen Zustand zu versetzen, in dem er nicht mehr »Herr seiner Sinne« (Daschner, Der Spiegel 9/2003) ist. Es waren keine rechtlichen oder moralischen Bedenken, sondern schlicht handwerkliche Gründe, die den Einsatz dieses Mittels verunmöglichten: »In der Kürze der Zeit fand sich aber nichts.« (Daschner, Der Spiegel 9/2003). Stattdessen wurde beschlossen, dem Verdächtigten Schmerzen zuzufügen, die keine sichtbaren Verletzungen zurücklassen sollten: »Sie brauchen jemandem nicht fürchterliche Schmerzen zufügen. Es genügt, wenn ein relativ geringer Schmerz für eine bestimmte Dauer aufrechterhalten wird.« (Daschner, FR vom 22.2.2003). Auf die Frage der FR-Redakteure, was passiert wäre, wenn Magnus Gäfgen auch nach der Anwendung von Gewalt geschwiegen hätte, antwortete der Vize-Polizeipräsident skrupellos: »Irgendwann hätte er nicht mehr geschwiegen. Innerhalb sehr kurzer Zeit.«
Obwohl die Zeit knapp und davon auszugehen war, dass es sich hierbei um keine Routine handelte, war ›das Team‹ schnell zusammengestellt: Ein Kampfsportexperte, der aus seinem Urlaub auf Mallorca zurückgerufen wurde, sollte die Schmerzen zufügen. Ein Polizeiarzt stand bereit, das Ganze zu überwachen und Polizeibeamte, die das Verhör führen und die Drohungen aussprechen sollten, waren ebenfalls schnell gefunden. Und ganz selbstverständlich dachte der Vize-Polizeipräsident, ein »Ausbund von Korrektheit« (Der Spiegel 9/2003), nicht im Traum daran, einen Rechtsanwalt hinzuzuziehen, der das Vertrauen des Beschuldigten gehabt hätte.
Was sich dann genau abspielte, als mit dem Verhör begonnen wurde, blieb voller Andeutungen. Wolfgang Daschner behauptete, dass man bei dieser »Befragung« zuerst an Magnus Gäfgen und sein Gewissen appelliert habe, den Aufenthaltsort des entführten Kindes preiszugeben. Andernfalls müsse man ihn dazu zwingen: »Wie, das wurde ihm gegenüber nicht konkretisiert. Aber es wurde ihm schon sehr deutlich gemacht, dass wir ihm wehtun müssten, bis er den Aufenthaltsort des Kindes nennt.« (Daschner, Der Spiegel 9/2003). Was unter »sehr deutlich gemacht« zu verstehen ist, hat Magnus Gäfgen so beschrieben:
»Ein Spezialist wäre mit einem Hubschrauber unterwegs, welcher ein Fachmann wäre und mir große Schmerzen zufügen könnte. Er könnte mir Schmerzen zufügen, die ich noch nie verspürt hätte. Die Behandlung würde keine Spuren hinterlassen. Der Beamte verdeutlichte die Situation, indem er die Rotorgeräusche eines Hubschraubers nachahmte. Der Beamte kam weiter näher, machte das Rotorgeräusch weiter nach und drohte, dass ich mit zwei großen Negern in eine Zelle gesperrt würde, welche sich an mir sexuell vergehen könnten.«
(Der Spiegel 9/2003)

»Das war allein meine Entscheidung« (Daschner, FR vom 22.2.2003) – die Legende vom Einzelgänger

Die Tatsache, dass Wolfgang Daschner kurz vor seiner Pensionierung stand, mag so zufällig gewesen sein, wie die sich im Urlaub befindlichen Vorgesetzten: Der Frankfurter Polizeipräsident Harald Weiss-Bollandt, der hessische Innenminister Bouffier (der bekanntlich Roland Koch folgen soll) und der hessische Ministerpräsident Roland Koch selbst. So gesehen hatten alle für die fragliche Zeit ein ›Alibi‹, als ein ihnen Untergebener die Androhung und Anwendung von Folter in die Wege leitete.
Adrienne Lochte, die als Polizeireporterin der FAZ den Fall Jakob von Metzler beobachtet hatte, schrieb später ein Buch darüber: ›Sie werden dich nicht finden‹ (Droemer Verlag 2004). Ohne es vielleicht zu wollen, demontiert sie darin die Legende von der ›einsamen Entscheidung‹ an besagtem 1.Oktober 2002: »Der Führungsstab kam zusammen. Anderthalb Stunden lang diskutierten die Kriminalisten darüber, wie Gäfgen anzupacken sei, mit welchen Methoden man ihn zum Sprechen bringen könnte, was rechtlich machbar sei. Der Polizeipsychologe soll davon abgeraten haben, dem Verdächtigen Schmerzen zuzufügen.« (S. 176) Drei Seiten weiter fasst sie das Ergebnis dieser Beratungen und Rücksprachen zusammen: »Der Innenminister wollte in seinem Urlaub ständig informiert sein. Auch Ministerpräsident Roland Koch, der ebenfalls gerade Ferien machte, wollte wissen, wie es weiterging.« (S. 179)
Die Entscheidung zur Androhung der Folter und die entsprechenden Vorbereitungen, sie anzuwenden, wenn die Androhung ihre Wirkung verfehlt, waren also zwischen dem Führungsstab der Polizei, dem hessischen Innenministerium und mit dem hessischen Ministerpräsidenten abgesprochen. Auch nach der Folterandrohung verlief alles nach Plan. Daschner spielte den verzweifelten Mann, der ganz alleine und auf sich selbst gestellt die Entscheidungen traf – was ihm seine Vorgesetzten danken sollten. Der aus dem Urlaub zurückgekehrte Polizeipräsident sicherte ihm »volle Rückendeckung« (FR vom 22.3.2003) zu und auch Roland Koch (CDU) reihte sich in die Phalanx der Beschützer und Versteher ein. Der hessische Innenminister Volker Bouffier (CDU) sah auch nach Zulassung der Anklage der Staatsanwaltschaft vor dem Frankfurter Landgericht – beim besten Willen – keinen Grund, den Vize-Polizeipräsidenten zu suspendieren.
Dennoch war Daschner enttäuscht. Er hatte ganz offensichtlich nicht mit der Zulassung der Klage gerechnet. So im Stich gelassen, überraschte er vor Prozessbeginn mit einer Stellungnahme, die die Legende von der einsamen Entscheidung endgültig demontierte. In einem Nachtrag an das Gericht teilte er mit, sein Vorgehen mit dem Innenministerium abgestimmt zu haben. »Aus der Wiesbadener Behörde habe er die Antwort erhalten: ›Machen Sie das! Instrumente zeigen!‹« (Spiegel online vom 13. November 2004)
Herr Daschner wollte nicht als Bauernopfer da stehen und zog damit drohend die Spur ins Innenministerium – ohne den betreffenden Staatssekretär bzw. den Innenminister beim Namen zu nennen. Die Drohung, die Legende vom Einzeltäter auffliegen zu lassen, zeigte Wirkung: Das Urteil strotzte nur so vor ›mildernden‹ Umständen.

Der Paradigmenwechsel – wer Folter anordnet und/oder befürwortet, wird politisch nicht geächtet, sondern ein Medienstar

Dass man für ein richtig gutes Motiv auch mal illegale Methoden bis hin zur Erpressung von Aussagen, also Folter, anwenden darf, haben die wenigsten am eigenen Leib erfahren müssen. Die meisten kennen solche Methoden und Szenen aus dem Fernsehen – wenn mal wieder der sympathische Bulle ›Schimanski‹ zuschlägt – und man ihm verzeiht, wenn es darum geht, einem Zuhälter, Kindesmörder und/oder Vergewaltiger das Handwerk zu legen.
Im wirklichen Leben, auf Polizeirevieren und in Polizeipräsidien sind einige Menschen diesen ›Schimanskis‹ schon begegnet, hatten die falsche Hautfarbe, hatten Pech oder wurden des Terrorismus verdächtigt – und haben z.T. schwere Verletzungen davon getragen. In den allermeisten Fällen werden Ermittlungen gegen solche Polizeibeamte wegen Mangel an Beweisen eingestellt. Nicht selten beantwortet die Polizei solche Anzeigen mit Gegenanzeigen.
Das Besondere am Fall ›Daschner‹ ist also nicht, dass die Polizei Festgenommene bedroht und/oder misshandelt, dass Personen, die in ihrer Gewalt sind, zu Aussagen und Geständnissen erpresst werden. Das Besondere ist, dass ein Vize-Polizeipräsident aus der behördlichen Routine des Leugnens und Vertuschens ausbricht, diese Polizeipraxis nicht bestreitet, sondern als ›letztes Mittel‹ des Rechtstaates offensiv propagiert.

Die Etablierung der Folter als ›letztes Mittel‹

Die Argumentationsfigur vom ›letzten Mittel‹ ist nicht neu: Wie viele ›letzte Mittel‹ wurden in den letzten 50 Jahren diskutabel gemacht, abgewogen und angewandt? Von der Wiederbewaffnung Deutschlands, über den ›finalen Rettungsschuss‹, über die Legalisierung von ›out of area‹-Kriegseinsätzen, bis hin zu Angriffskriegen zur »Verteidigung Deutschlands am Hindukusch« Aber wie etabliert und integriert man Folter, die ein Synonym für Diktaturen und ›Unrechtsregime‹ ist?

Die Zeit der ›furchtbaren Juristen‹

Zahlreiche Rechtsgelehrte, Wissenschaftler und sonstige Experten machten sich in der Folge daran, Folter als rechtstauglich darzustellen. Eine kleine Minderheit wollte Folter einfach nicht Folter nennen. Das Gros beschritt den Weg der ›Güterabwägung‹. Sie bestritten ihre Befürwortung der Folter nicht, sondern wollten diese mit der fiktiven/realen Rettung von Menschenleben aufgewogen sehen. Eine Vorgehensweise, die auch Diktaturen nicht fremd ist. Das schwante auch den Folter-Befürwortern. Also machten sie sich daran, Kriterien zu entwickeln, die Folter in Diktaturen von Folter in Demokratien unterscheiden sollten: In Diktaturen, so ihre Logik, wird willkürlich, außerhalb des bestehenden Rechts gefoltert – in Demokratien müsse mit klaren und festgelegten Maßstäben gefoltert werden, wodurch die Folter nicht länger ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit sei, sondern ein Rechtsgut.
Diese Debatte wurde in aller Öffentlichkeit wochenlang tabu- und verfolgungsfrei geführt. So bekam der Professor für Öffentliches Recht und Rechtsphilosophie an der Universität Heidelberg, Dr. Winfried Brugger, eine ganze Seite in der FAZ, um für die »Folter als zweitschlechteste Lösung« zu werben. Akribisch führte er acht Merkmale auf, die erfüllt sein müssen, damit anschließend gefoltert werden darf: »Eine (1) klare, (2) unmittelbare, (3) erhebliche Gefahr für (4) das Leben oder die körperliche Integrität einer Person durch (5) einen identifizierten Aggressor, der (6) gleichzeitig die einzige Person ist, die zur Gefahrenbeseitigung in der Lage und (7) dazu verpflichtet ist. (8) Die Anwendung körperlichen Zwanges ist das einzig erfolgversprechende Mittel.« (FAZ vom 10.3.2003)
Diese schaurig-kalte Fähigkeit, ein (Staats-)Verbrechen in ein Rechtsmittel zu transformieren, hat in der Weimarer Republik bekanntlich nicht die Demokratie ›verteidigt‹, sondern zum Faschismus geführt. Ohne diese ›furchtbaren Juristen‹ und anderen Persönlichkeiten des bürgerlichen Lebens wäre der deutsche Faschismus nie an die Macht gekommen. Auch Michael Wolffsohn, Professor für Geschichte an der Bundeswehrhochschule in München, musste sich zu Wort melden. Wie viele andere vor und nach ihm, erklärte dieser in der Sendung von Sandra Maischberger: »Als eines der Mittel gegen Terroristen halte ich Folter oder die Androhung von Folter für legitim, jawohl.« (FAZ vom 18.6.2004).
Dieser Aufruf zur Folter erntete Zuspruch und Widerrede. Anstatt sich damit zufrieden zu geben, dass er für solche verfassungsfeindlichen Äußerungen nicht seines Amtes enthoben wurde, legte Wolffsohn nach. Unter dem Titel ›J’accuse!‹ (FAZ vom 25.6.2004) hielt er eine analytische und persönliche Rückschau. Die erste Hälfte seines Beitrages beschäftigte sich mit der »Gegenwärtigkeit und Wirksamkeit Herzls«, mit der (Leidens-)Geschichte des Judentums seit dem 19.Jahrhundert. Was dies Rekursion mit der Folterdebatte zu tun haben sollte, erschloss sich nicht – bis er seine Lehren aus Judenverfolgung und Holocaust in dem Credo zusammenfasste: »Nie wieder Opfer«. Was er damit meinte, führte er im Folgenden aus: »Der neujüdische Konsens billigt (…) die Gewaltkomponente nicht nur reaktiv, sondern notfalls auch präventiv, also vorwegnehmend. Für den politischen Zweck unseres Überlebens, in Notwehr, befürworten wir die Androhung und notfalls, notfalls, notfalls die Anwendung von Gewalt, also auch Krieg.«
Jenseits dieser unerträglichen Instrumentalisierung des Holocausts spielt das von Michael Wolffsohn eingebrachte Credo israelischer Staatspolitik »Nie wieder Opfer« tatsächlich eine nicht unbedeutende Rolle beim ›Aufweichen‹ des absoluten Folterverbots in Deutschland. Auf der Suche nach einem Land, das Demokratie und Folter miteinander vereinbart, verweisen Befürworter der Folter gerne und verständnisvoll auf den Staat Israel. Dort sind Misshandlungen und Aussagerpressung von Gefangenen rechtsstaatlich geregelt: »Nach einer Zeit weitgehend ungeregelten Vorgehens habe man 1987 ein Regelwerk zum ›maßvollen physischen und psychischen Druck‹ festgelegt, das Geheimsache blieb. Immerhin wisse man, so Frankel (Korrespondent bei der ›Washington Post‹), dass es dabei darum ging, Gefangene tagelang zum Stehen zu zwingen oder sie zusammengekrümmt zu fesseln, ihnen den Schlaf zu entziehen, sie mit überlauter Musik zu beschallen, sie am Gang auf die Toilette zu hindern oder sie extrem hohen und niedrigen Temperaturen auszusetzen.« (Lorenz Jäger, FAZ vom 18.6.2004)
Dass deutsche Experten die Überlebenden des Holocausts angeführt hatten, ihnen das Credo ›Nie wieder Opfer‹ raubten, um damit in Deutschland die Anwendung der Folter zu begründen, war der Höhepunkt dieser Folterdebatte – an die sich wieder einmal niemand erinnern will.
Wolf Wetzel
Dieser hier skizzierte Fall war (und ist) in eine weltweite Debatte eingebunden, die die Abschaffung von elementaren Schutzrechten zur ›Verteidigung der Demokratie‹ gegen Terrorismen (der anderen) nicht für verrückt, sondern für paradigmatisch hält.

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