"I will survive" - Gute Ideen für schwierige Zeiten | |||
(20.10.2009) Die Amerikanerin Karen Salmansohn ist Autorin zahlreicher Ratgeber, was erstmal erwarten lässt, dass sich ein Buch mit Tipps für (individuelle) Krisenphasen wie das liest, was die Regale in Buchhandlungen füllt. Dieses Buch ist jedoch, auch wegen Layout und Grafiken, keineswegs ein Werk von der Stange. Salmansohn hat jeden ihrer 75 Tipps selbst ausprobiert, nachdem sie eine sehr traumatische Erfahrung machte und versuchen musste, sie zu bewältigen. Ein Bekannter, dem sie das niemals zugetraut hätte, nötigt sie sexuell, und sie ist danach am Boden zerstört. Es ist etwas Unvorstellbares "passiert", ihr Urvertrauen in die Welt ist erschüttert - genau genommen ist es nicht "passiert", sondern dieser Mann hat ihr etwas angetan. Als sie einen Freund fassungslos fragt, wie jemand nur so böse sein kann, erklärt er, dass die Menschen nicht böse, sondern schwach sind. Karen fand das Wort Schwäche "irgendwie beruhigend" und erkannte nach längerem Nachdenken, dass es auch impliziert, dass sich Menschen ändern können, was bei böse nicht der Fall ist. "Die Erkenntnis traf mich wie ein Schlag. Du hast im Leben immer die Wahl. Sei schwach oder sei stark." Aus ihren Erfahrungen danach ist die Entscheidung, welchen der beiden Wege wir einschlagen, der bestimmende Faktor bei der Frage, wie wir Traumata bewältigen. man müsse, sagt sie, in schwierigen Zeiten "bewusst die Anstrengung und Disziplin aufbringen, ein starker Mensch zu sein". Also das "stärkstmögliche Selbst" sein zu wollen, "statt in Angst und Depression zu versinken". Karen meint, sie wählte auch zuerst den schwächeren Weg, denn der sexuelle Übergriff hat sie völlig traumatisiert. Sie bekam Beklemmungen, wenn sie unter Menschen war, und hielt alle auf Distanz, da sie niemandem mehr wirklich vertrauen konnte, auch denen nicht, die sie seit Jahren kannte. Immerhin hat sie ja erlebt, dass sich ein Mensch von einer Sekunde auf die andere vollkommen verändern und Entsetzliches tun kann. Sie fand es irgendwie absurd, dass sich eine Autorin von Selbsthilfebüchern nicht selbst helfen kann, zumal alle anderen sie für sehr stark hielten, sie bei Partys als "das ist Karen, sie ist eine Macherin" vorgestellt wurde. Sie kam zu dem Schluss, dass sich erst in Zeiten von Krisen und Konflikten zeigt, was für ein Mensch man wirklich ist. Denn es ist einfach, "das stärkste und beste Selbst zu sein, wenn alles glattläuft". Wenn aber auch in Schwierigkeiten stark sein kann, dann ist man "eine disziplinierte und schwungvolle Person". Und das, verspricht sie "macht dich nicht nur zu einem sehr coolen Menschen, sondern auch zu einem sehr glücklichen". Da Salmansohns Ratschläge auch durch Infos im Bereich Wissenschaft, Meditation, Philosophie und Psychologie ergänzt werden, sei das Buch allen Frauen (aber auch Männern) ans Herz gelegt, die traumatische Erfahrungen machten. Die Autorin hat nämlich auch festgestellt, dass traditionelle Versuche, Menschen bei der Bewältigung von Traumata zu helfen, sie nicht so sehr stärken wie in der Rolle der Person, der etwas Furchtbares passiert ist / angetan wurde, festzuhalten. Dabei ist klar, dass daraus kein Selbstvertrauen entstehen kann und kein zutiefst verletztes Selbst sich wieder menschlich, stark und dem Alltag und neuen Herausforderungen gewachsen fühlt. Wenn du willst, dass andere glücklich sind, zeige Mitgefühl. Wenn du selbst glücklich sein möchtest, zeige Mitgefühl. (der Dalai Lama) Gleich zu Beginn rät Salmansohn den LeserInnen, das als "normal" zu empfinden, was sie durchmachen, aber auch zu wissen, dass es sowas wie "normal" nicht gibt. Die vielfältigen emotionalen, kognitiven, physischen Nachwirkungen und jene im Verhalten sind normale Reaktionen, die aber bei jeder und jedem anders aussehen, da jede Person auch eine unterschiedliche Zeitspanne braucht, um ihre Verletzungen zu überwinden. Man sollte sich daher nicht unter Druck setzen, sondern die eigenen Verwundungen richtig pflegen, damit sie heilen können. Das mag sehr schwer umzusetzen sein, wenn traumatisierte Menschen als Folge ihrer Erfahrungen ihre Arbeit verlieren und daher dann auch noch nicht wisssen, wie sie überleben sollen. Auch da können aber Salmansohns Tipps helfen, an dieser nur zu häufigen Situation nicht vollends zu verzweifeln. Gerade Gewalterfahrungen verschiedener Art bedeuten, dass jemand anderer einem Menschen die Kontrolle über sich selbst, über den eigenen Körper, über das, was er tut, wegnehmen und verwunden ein Individuum sehr tief. Da kann niemand frischfröhlich arbeiten oder gar Arbeit suchen, wie wenn nichts wäre. Denn die Phasen, die man durchlebt, gleichen jenen bei der Trauer um einen geliebten Menschen. Zuerst will man gar nicht wahrhaben, was einem passiert ist oder angetan wurde, weil das Realisieren viel zu brutal wäre, und am Ende akzeptiert man es und lebt damit weiter. Salmansohn verweist auf den "Kernschmerz", der mehr weh tut als alles, was man sich vorstellen kann - da muss man aber durch, um den immensen Schmerz nicht zu verdrängen, da er nur so eines Tages schwächer und schwächer wird. Karen beschreibt ihren "Kernschmerz" so: "Die unerträgliche Traurigkeit, die ich zu umgehen versuchte, hatte mich schliesslich eingeholt und überschwemmte mich dermaßen, dass mir die Luft wegblieb." In Tipp 6 erinnert Karen daran, dass die gerade durchgemachte schlimme Zeit nur ein Teil unseres Lebens, aber nicht unser ganzes Leben ist. Tipp 7 "Denk wie ein Löwe" macht sich zu eigen, dass sich Löwenbändiger in die Perspektive der Tiere versetzen müssen, um keine gefährlichen Fehler zu machen. Es geht also darum, alles auch aus der Sichtweise der anderen zu betrachten, auch die traumatische Situation. Man sollte Menschen finden, die einen aufbauen, bei denen man nach einer Begegnung glücklicher und nicht trauriger ist. In schwierigen persönlichen Zeiten ist man offener und verletzlicher, geht daher auch anders mit anderen um und bindet sich enger an sie, was ja kein Nachteil ist. "Der einzig geeignete Betrachter deiner Welt und deiner Probleme bist du" besagt aber, dass man bei allen gutgemeinten Ratschlägen anderer doch auf sich selbst und das Bauchgefühl vertrauen sollte. Und wenn es einem peinlich ist, was andere denken könnten - nicht den Kopf darüber zerbrechen, denn andere Menschen sind so sehr mit ihrer eigenen Welt beschäftigt, dass sie gar nicht so genau auf andere achten. Es ist nicht gut, gegen Veränderungen zu kämpfen, meint Karen, denn wir sollten daraus gute Veränderungen machen. Also etwa ein Firma gründen, wenn wir gefeuert wurden, für einen Marathon trainieren, wenn bei uns eine Krankheit diagnostiziert wurde. Oft stehen uns "Eisberg-Überzeugungen" im Weg, die wir uns in der Kindheit aneigneten und die unsere Denkweise prägen. Da unsere Gefühle (nicht zu verwechseln mit den Emotionen) aus der Art zu denken resultieren, können wir mit dem Aufgeben unsinniger Überzeugungen auch unsere Gefühle verändern. Karen bringt Beispiele wie "Lass sie nie merken, dass du leidest" oder "Jungen weinen nie" oder "Was du nicht richtig machst, ist es nicht wert, getan zu werden". Als wir solche Sprüche lernten, glaubten wir auch, dass Monster unter dem Bett lauern oder Kuchen das Beste ist, was man Essen kann. Menschen können nur wachsen, wenn sie sich strecken, wenn sie keine Angst vor Veränderung haben und erkennen, dass es ohne kurzfristige Wachstumsschmerzen keinen langfristigen Wachstumserfolg gibt. Karen empfiehlt den LeserInnen keine To Do-Liste, sondern eine To Be-Liste: "Was für eine Person wirst du sein müssen, um harte Zeiten durchzustehen und alles, was du dir im Leben wünscht zu kriegen?". Da Eigenschaften etwas subjektiv empfundenes und nicht genau zu definierendes sind, ist das sicher ermutigender als sich vorzunehmen, eine Menge Dinge zu tun, damit es einer/einem besser geht. Wobei auch Salmansohn dazu rät, beispielsweise zu CDs zu tanzen oder einen Spaziergang zu machen, aber es hat nichts von "Kremple deine Wohnung und dein Leben an einem Wochenende um und alles wird super"-Tipps, die man auch Büchern findet. Denn der Erholungsprozess kennt keinen Zeitplan, es ist unrealistisch zu erwarten, dass man sich ein paar Monate nach der traumatischen Erfahrung schon besser fühlt. Wenn man sich nach einiger Zeit 51% der Zeit gut fühlt und 49% bescheiden, sollte man damit zufrieden sein, dann das ist bereits ein "riesiger Meilenstein". AtheistInnen unter den LeserInnen werden da vielleicht die Augen verdrehen, aber Karen meint auch, man sollte "eine höhere Macht anheuern". Sie bringt das Beispiel von den Strumpfpuppen, wo die eine zur anderen sagt "manchmal frage ich mich, ob es eine Hand gibt" und meint, "wir sind unsere innere Hand und die göttliche Macht lebt in einem jeden von uns und beschert uns das Leben, das wir uns wünschen - ganz egal, was für Probleme sich stellen". Gläubige profitieren nicht nur von einer Gemeinschaft und davon, dass es einen Ort gibt, an den sie gehen können, sondern haben auch das Gefühl, dass es eine ordnende Hand im Chaos gibt - dass sich also auch für sie alles wieder zum Guten wenden kann. Außerdem gelten "riesengroße Probleme" im Buddhismus als Anerkennung, da mit ihnen eine alte Seele geprüft wird, die bereit ist, in die nächste Stufe der Erleuchtung aufzusteigen. Karen meint, das Universum bürde uns nie mehr auf, als wir bewältigen können (in diesem Sinne haben die "alten Seelen" dann wohl auch besondere Aufgaben, die sich von denen anderer Menschen unterscheiden und extreme Härten mit sich bringen können). "Augenblickliche schlimme Ereignisse" können wir als Prüfung betrachten, wenn wir uns fragen, was wir daraus lernen sollen, welchen Charakterzug und welche Eigenschaft wir stärker herausbilden sollen. Andere wollen übrigens meistens nicht wirklich hören, wie es uns mit einem Trauma oder einem Verlust geht, da sie nach wenigen Minuten selbst etwas sagen wollen. Wir sollten uns eine Kurzfassung zulegen, die in ein oder zwei Minuten erzählt ist und mit der wir auch unsere Seele schützen können. Es ist auch okay zu sagen, dass wir im Moment nicht darüber reden wollen. Nach Gewalterfahrungen tut Menschen liebevolles Kuscheln besonders gut, da es auf der Welt ohnehin nie genug gute Berührungen geben kann. Dass uns Traumata so sehr umwerfen, ist in der Geschichte des Gehirns begründet, denn in entsprechenden Situationen re(a)giert das Repitliengehirn, das nur Kampf, Flucht oder Erstarren kennt. Wenn ein Mensch einem anderen etwas Furchtbares antut und er (sie!) weder kämpfen noch flüchten kann, würde er (sie!) sich am liebsten bitterlich weinend in einer Ecke zusammenkauern und totstellen. Das Limbsche System (rechte, emotionale Hirnhälfte) und der Neocortex (linke, rationale Hirnhälfte) sind dann fast völlig ausgeschaltet, weil neurochemische Stoffe ausgeschüttet werden. Bei Flashbacks (Posttraumatischer Stress, das ursprüngliche Erlebnis ist wieder präsent, weil etwas die Erinnerung auslöst, geht mit Herzrasen, Atemnot, sich stundenlang wie gelähmt fühlen, weinend daliegen, ohne etwas tun zu können einher und kann tagelang, wochenlang, monatelang andauern) funktioniert zwar das Limbsche System, doch der Neocortex kann die Erfahrungen nicht verarbeiten, da er völlig dichtmacht. Das einzige, was Menschen heilt, ist zu benennen, wie es ihnen geht, wie sie körperlich reagieren, was sie fühlen,was sie tun möchten, welche Konsequenzen das hätte, welche alternativen Lösungen es gibt und wie ich mich dann fühlen würde - um so die Verbindung zwischen rechter und linker Gehirnhälfte wieder herzustellen. Das ist eine besonders überzeugende Beschreibung dessen, wie man Posttraumatischen Stress überwinden kann, der eine absolut grauenvolle Erfahrung ist, bei der Menschen wie Fische am Land sind, die nach Luft schnappen. Beschreiben können, wie schrecklich das ist, dürfte aber schon der erste Schritt zur (Selbst-) Heilung sein, da dabei die linke Gehirnhälfte die Signale der rechten aufnimmt, wie es auch bei "normalen" Erfahrungen der Fall ist. Und dann bringt uns ein Haustier, mit dem wir kuscheln können, ebenso wieder auf den Weg wie eine Änderung der Körperhaltung und die sorgfältige Wahl unserer Worte, die uns schliesslich nicht entmutigen sollen. Letztlich treffen wir unsere Entscheidungen auf der Basis von Angst (vor Veränderung und vor Neuem) oder von Vergnügen (wir gehen auf das/den zu, was/wer uns interessiert).... Infos: Blog von Karen Salmansohn Karen Salmansohn bei Huffington Post Buchvorstellung Vorstellung beim Thiele-Verlag Mehr häusliche Gewalt in der Krise Cosmic Ordering - Selbstheilung auf Hawaiianisch "Arbeitslos und trotzdem glücklich" Freude heilt" "Starbucks und ich" ***** Das Frauenministerium wird Ceiberweiber mit € 5000.- (beantragt: 25.000 wie üblich, bei gestiegenen Zugriffszahlen) unterstützen, sodass ich, um die Seite weiterzubetreiben und meinen Lebensunterhalt (wieder) zu sichern (derzeit lebe ich von wenigen Ersparnissen), Aufträge journalistischer Art brauche, auch ein Teilzeitjob wäre willkommen. Ich kann bswp. von Veranstaltungen berichten, Leute für Projekte interviewen, schreibe gerne Artikel, Kolumnen und Kommentare zu allen Themen (meine Selbstvorstellung mit allen Infos ist hier als doc-Datei). Und überhaupt: Anregungen, Infos, Angebote, Veranstaltungsankündigungen und Meldungen für die Ceiberweiberseite bitte per Mail an Alexandra Bader Denn das ist kein Grund aufzugeben (außerdem werde ich von was leben müssen:-) Solidarität für Ceiberweiber - hier nehme ich gerne auch weitere Statements der LeserInnen auf... Spenden für den Fortbestand von Ceiberweiber nehme ich gerne entgegen: Alexandra Bader Erste Bank 00032875894 BLZ 20111 BIC GIBAATWWXXX IBAN AT592011100032875894 Ganz herzlichen Dank :-) |
Mittwoch, 10. März 2010
Überleben - nach extremen Erlebnissen
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