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NDR Info exklusiv
Abzocke-Vorwurf gegen AWO Neumünster
Von Ilka Steinhausen, NDR Info
Die aktuelle Diskussion um Hartz IV erregt zurzeit die Gemüter. Viele Arbeitslose wollen arbeiten, anstatt nur in den Tag hineinzuleben. Daher sind Ein-Euro-Jobs für viele attraktiv. Sie können arbeiten und vor allem haben sie die Hoffnung, in einen regulären Job hineinzurutschen. Eine Frau aus Neumünster bekam einen Ein-Euro Job - doch dann stellte sich heraus, dass die Arbeiterwohlfahrt, die sie beschäftigte, Geld mit ihr verdient hat.
Als Marianne Kalus* aus Neumünster erfuhr, dass sie als hauswirtschaftliche Betreuerin arbeiten sollte, atmete die alleinerziehende Hartz-IV-Empfängerin auf. Endlich ein Job und die Hoffnung, vielleicht irgendwann wieder regulär arbeiten zu können. Über die Arbeitsagentur war sie an die AWO vermittelt worden, die wiederum hatte einen Ein-Euro-Job für sie. "Als ich dann hörte, dass es im Haushalt ist, war ich noch glücklicher. Und da musste ich in die Haushalte gehen, jeden Tag zu jemandem anderen, musste da putzen und manchmal auch einkaufen mit den Kunden."
Ähnlich sieht das Wirtschaftsexperte Hickel: "Das ist ja eigentlich der Skandal oder - wenn man es vorsichtig ausdrückt - der brutale Widerspruch, der sich auftut. Würde jetzt die betroffene Person, die da in dieses Leiharbeitsverhältnis reingesteckt wurde für einen Ein-Euro Job bei der AWO, würde sie selbst diese Dienstleistung anbieten, ohne die Leiharbeitsvermittlung der AWO, dann würde sie persönlich besser dastehen, dann bräuchte sie keine Hartz-IV-Bezüge.
Das hätte sich Marianne Kalus gewünscht. Doch die AWO bot ihr nur an, für 1,25 Euro weiterzumachen. Mit Gerechtigkeit und Solidarität, für die die AWO eigentlich steht, hat das nichts zu tun, findet sie.
* Marianne Kalus ist nicht der richtige Name der betroffenen Frau. Sie wollte ihn nicht offen nennen.
Als Marianne Kalus* aus Neumünster erfuhr, dass sie als hauswirtschaftliche Betreuerin arbeiten sollte, atmete die alleinerziehende Hartz-IV-Empfängerin auf. Endlich ein Job und die Hoffnung, vielleicht irgendwann wieder regulär arbeiten zu können. Über die Arbeitsagentur war sie an die AWO vermittelt worden, die wiederum hatte einen Ein-Euro-Job für sie. "Als ich dann hörte, dass es im Haushalt ist, war ich noch glücklicher. Und da musste ich in die Haushalte gehen, jeden Tag zu jemandem anderen, musste da putzen und manchmal auch einkaufen mit den Kunden."
Kunden zahlen acht Euro pro Stunde
Über die AWO Service GmbH Neumünster, einer Tochterfirma der Arbeiterwohlfahrt, wurde sie zu älteren, bedürftigen Menschen geschickt. Und so kam Marianne Kalus mit ihren Kunden ins Gespräch und erfuhr, dass die Senioren für die Arbeit acht Euro an die AWO zahlten. Die Hartz-IV-Empfängerin war überrascht und fühlte sich wie vor den Kopf gestoßen. "Ja, ich hätte das gerne weitergemacht. Wenn ich diese Kunden gehabt hätte und dann wahrscheinlich auch dadurch noch andere Kunden, dass ich dadurch irgendwann ganz von Hartz IV weggewesen wäre. Das wäre mein Wunsch gewesen, aber nicht diese – ich sag mal – 'Verarsche' von der AWO, also nee.""Höchst unmoralisches System"
Die AWO bekommt von der Arbeitsagentur pro Hartz-IV-Empfänger das sogenannte Regiegeld. Im Schnitt 200 Euro im Monat, für Weiterbildung und Beschäftigung der Hartz-IV-Empfänger. Den zusätzlichen Stundenlohn von acht Euro müsse die AWO haben, argumentiert eine Mitarbeiterin, da die Verwaltung der Arbeitslosen sehr aufwendig sei. Der Bremer Wirtschaftsexperte Rudolf Hickel hält dieses System für höchst unmoralisch. Er spricht bei NDR Info von Abzocke der AWO: "Sie ist so etwas wie eine Zeitarbeits- oder Leihfirma. Kassiert auf der einen Seite die Regiebeträge und auf der anderen Seite nochmal acht Euro von dem Entleiher der Person. Und da zeigt sich ganz klar: Dieser Missbrauch besteht darin, dass die AWO im Grunde genommen als Zeit- oder Leiharbeitsfirma tätig wird in der Vermittlung solcher Jobs und das geht nicht."Bundesarbeitsministerium kündigt Prüfung an
Auch das Bundesarbeitsministerium interessiert sich für den Fall in Neumünster. Eine Sprecherin sagte NDR Info, man wolle das Vorgehen überprüfen. Genauso verwundert war der Geschäftsführer der zuständigen Arbeitsagentur, dass die AWO zusätzlich zum Regiegeld Stundensätze kassiert. Auch die Art der Tätigkeit überraschte ihn. Ob die Reinigung in Seniorenhaushalten und Wäschepflege überhaupt ein Ein-Euro-Job ist, sei sehr fraglich.Ähnlich sieht das Wirtschaftsexperte Hickel: "Das ist ja eigentlich der Skandal oder - wenn man es vorsichtig ausdrückt - der brutale Widerspruch, der sich auftut. Würde jetzt die betroffene Person, die da in dieses Leiharbeitsverhältnis reingesteckt wurde für einen Ein-Euro Job bei der AWO, würde sie selbst diese Dienstleistung anbieten, ohne die Leiharbeitsvermittlung der AWO, dann würde sie persönlich besser dastehen, dann bräuchte sie keine Hartz-IV-Bezüge.
Das hätte sich Marianne Kalus gewünscht. Doch die AWO bot ihr nur an, für 1,25 Euro weiterzumachen. Mit Gerechtigkeit und Solidarität, für die die AWO eigentlich steht, hat das nichts zu tun, findet sie.
* Marianne Kalus ist nicht der richtige Name der betroffenen Frau. Sie wollte ihn nicht offen nennen.
Autorin/Autor: Ilka Steinhausen, NDR Info
Stand: 22.03.2010 01:00
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