IGM-Chef Huber feiert Geburtstag im Kanzleramt
Von Ulrich Rippert
12. März 2010
Oftmals sind es kleine, unauffällige Nachrichten, die einen tiefen Einblick in die gesellschaftliche Entwicklung geben. Die Zeitungsmeldung, dass der Vorsitzende der größten europäischen Industriegewerkschaft IG Metall, Berthold Huber, seinen 60. Geburtstag am 17. März auf Einladung der Regierungschefin im Berliner Kanzleramt feiern wird, ist eine solche Nachricht.Man kann Huber nur gratulieren, der Ort ist gut gewählt. Neben der Kanzlerin und dem Gewerkschaftschef werden auch der Arbeitgeber-Präsident Martin Kannegiesser, Siemens-Chef Peter Löscher und VW-Chef Martin Winterkorn an der Geburtstagstafel Platz nehmen.
Zu den geladenen Gästen der Party gehören außerdem die Betriebsräte der großen Konzerne, berichtet die Süddeutsche Zeitung und fügt süffisant hinzu, "unter ihnen Merkels absoluter Favorit unter den Arbeitnehmervertretern: Klaus Franz von Opel. Sogar Uwe Hück von Porsche kommt."
IGM-Chef Huber leistet damit einen wichtigen Beitrag zur Arbeiterbildung. Denn er macht klar, auf welcher Seite die Gewerkschaften stehen und wie eng ihre Zusammenarbeit mit Regierung und Staat bereits entwickelt ist. Seine Geburtstagsfeier hat Symbolcharakter und ist Ausdruck der immer deutlicheren Verwandlung der Gewerkschaften in Organe des Staates.
Vor ziemlich genau siebzig Jahren, wenige Monate vor seiner Ermordung, schrieb Leo Trotzki einen Artikel über "Die Gewerkschaften in der Epoche des imperialistischen Niedergangs". Er beginnt mit den Worten: "Es gibt in der Entwicklung, oder besser, in der Degeneration der gegenwärtigen Gewerkschaftsorganisationen der ganzen Welt einen allen gemeinsamen Zug: die Annäherung der Gewerkschaften an die Staatsgewalt und das Verschmelzen mit ihr."
Allein die Tatsache, dass diese Tendenz zur Verschmelzung mit dem Staat allen gewerkschaftlichen Organisationen, den so genannten unpolitischen wie den sozialdemokratischen, den kommunistischen und auch den anarchistischen zu eigen sei, mache deutlich, dass diese Entwicklung nicht aus dem Verhalten einzelner Funktionäre, "sondern aus allgemeinen gesellschaftlichen Bedingungen entspringt, denen alle Gewerkschaften in gleicher Weise unterworfen sind", schrieb Trotzki damals.
Die Wirtschaft sei von Monopolen beherrscht, die eng mit der Staatsmacht zusammenarbeiteten. Die Gewerkschaften könnten unter diesen Bedingungen nicht mehr, wie in früheren Entwicklungsphasen, die Konkurrenz zwischen den verschieden Unternehmen ausnutzen. "Sie haben einem zentralisierten, eng mit der Staatsgewalt verbundenen kapitalistischen Widersacher zu begegnen. Für die Gewerkschaften - soweit sie auf reformistischem Boden bleiben, das heißt soweit sie sich dem Privateigentum anpassen - entspringt hieraus die Notwendigkeit, sich auch dem kapitalistischen Staate anzupassen und die Zusammenarbeit mit ihm zu erstreben."
Seit Trotzki diese Zeilen schrieb, habe sich viele politische Organisation und Gruppierungen bemüht, diese Einschätzung zu widerlegen. Nachdem die Gewerkschaften in der Nachkriegszeit in der Lage waren, für einen vorübergehenden Zeitraum Lohnerhöhungen und soziale Verbesserungen zu erreichen, sprachen sie den Gewerkschaften eine grundsätzlich fortschrittliche Rolle zu und behaupteten, soziale Verbesserungen und eine sozialistische Entwicklung sei nur durch die Gewerkschaften zu erreichen.
Sozialdemokraten, Stalinisten und Pablisten aller Schattierungen lehnen bis heute jede grundsätzliche Kritik an den Gewerkschaften ab und ordnen die Arbeiterklasse den bürokratischen Apparaten der Gewerkschaften unter.
Hubers Geburtstagsparty im Kanzleramt trägt dazu bei, solche opportunistischen Standpunkte zu widerlegen. Die Feier, für die sich der Gewerkschafter in einem Schreiben an die "Liebe Frau Kanzlerin" überschwänglich bedankt hat, macht klar, dass der Tarifabschluss, den die IGM-Funktionäre vor wenigen Wochen in der nordrhein-westfälischen Metall- und Elektroindustrie unterzeichneten und der bei einer Laufzeit von knapp zwei Jahren Reallohnsenkung für die Beschäftigten bedeutet, darauf ausgerichtet war, der Bundesregierung den Rücken freizuhalten.
Während das von der EU diktierte Sparprogramm in Griechenland den Auftakt für massive Angriffe auf die Arbeiterklasse in ganz Europa bildet und der Widerstand dagegen sich ausweitet, versuchen IG Metall, Verdi und die anderen DGB-Gewerkschaften die Arbeiter durch Tarifabschlüsse mit langen Laufzeiten und die damit verbundene Friedenspflicht ruhig zu stellen. Für diese Politik des Burgfriedens werden Huber und seine Betriebsratsfürsten nun im Kanzleramt gefeiert.
Arbeiter sollten dies Klarstellung begrüßen und darauf vorbereitet sein, dass die Gewerkschaften und Betriebsräte in den kommenden Klassenkämpfen noch stärker als bisher als Lohnpolizei der Regierung auftreten werden. Der Aufbau von Fabrikkomitees, die systematisch gegen die Gewerkschaften und Betriebsräte und ihre Verteidigung der Regierungspolitik kämpfen, wird immer dringender.
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