Was sagst Du dann dazu? Alle Deutschen ausweisen, die das tun?
Das ist jetzt auch nur Satire, genauso wie Dein letztes Kapitel im Buch...
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Thilo Sarrazin: Alles nur Satire
oderWarum sich unsere Gesellschaft neu ausrichten muss
Bild: Bundesarchiv, Wikimedia Commons
Wer noch ein Argument benötigt hat, dass Thilo Sarrazin ein zutiefst verachtenswertes Menschenbild hat, ein rassistisches Menschenbild, der musste heute nur Plasberg einschalten. Beispielsweise hat er seine «These» über jüdische Gene nicht zurückgenommen, im Gegenteil, er hat sie noch einmal bestätigt. Sarrazin meine lapidar, der Satz sei seiner Sache nicht dienlich gewesen, inhaltlich sei sie nicht zurückzunehmen. Selbstverständlich hat er sich jede Menge Kritik anhören müssen – bis die gesamte Debatte von Thilo Sarrazin selbst ad absurdum geführt wurde.
Er wurde auf das letzte Kapitel seines Buches angesprochen: In 100 Jahren ist Deutschland muslimisch, Deutsche in der Minderheit – was selbstverständlich grober Unfug ist, dies wurde im Übrigen auch vom Statistischen Bundesamt bestätigt. So – und jetzt alle festhalten: Thilo Sarrazin behauptete dann allen Ernstes, nachdem er argumentativ an den Rand gedrängt wurde, das letzte Kapitel seines Buches sei doch Satire gewesen. Wirklich, das hat er so gesagt. Seine apokalyptische Prognose sei Satire gewesen.
Mensch, da hat uns der gute Herr Sarrazin aber alle auf den Arm genommen. Da sprechen wir dämlichen Gutmenschen seit Tagen über Rassismus, Beleidigungen von Minderheiten – und es ist nur Satire. Gut, dass wir das geklärt haben. Es muss, so glaube ich zumindest, ein weiterer Punkt nicht erwähnt werden: die Mehrheit der Menschen, und es ist die Mehrheit der SPD-, Unions-, FPD-, Grüne– und Linken Wähler stimmt Sarrazin zu. Dass Sarrazin sich schlussendlich selbst der Lächerlichkeit preisgegeben hat – geschenkt. Die Mehrheit stimmt seinen kruden Behauptungen zu.
Deutschland ist mit diesem Buch weit nach rechts gerutscht.
Habt Ihr eine kleine Schwester oder vielleicht schon eine junge Tochter? Ist diese vielleicht schon einmal mit einem jungen Mann nach Hause gekommen, bei dem Euch jegliche Nackenhaare zu Berge standen? Ihr könnt argumentieren, wie Ihr wollt, der junge Herr kann rumhuren — nach einer kurzen Trauerphase strahlt das junge Glück wieder als wäre nichts gewesen. Gegen Gefühle lässt sich nicht anreden, weder sachlich und argumentativ — noch emotional. Ähnlich sieht in dieser Debatte aus. Die so genannten Thesen Sarrazins wurden mittlerweile weitestgehend widerlegt – und doch ist da nach Gefühl der Bevölkerung endlich mal einer, der die Wahrheit sagt. Die ausgedachten Thesen Sarrazins spiegeln ein Gefühl wieder, werden schnell zu Fakten und schlussendlich zur Wahrheit.
Die Medien spielen auf dieser Klaviatur, verdienen sie mit den Gefühlen der Menschen doch ihr Geld. Wer wirklich glaubt, Medien seien objektiv, der sollte sich selbst fragen, ob er bei den unterschiedlichsten Themen objektiv ist. Vielleicht reicht es auch aus, zu dem selben Thema die Artikel in der BILD, der taz, der FAZ und der SZ zu lesen. Objektiv betrachtet sollten die Artikel dieselbe Aussage beinhalten. Sie tun es nicht – darum sollte man niemals den Fehler machen, zu glauben, Journalismus sei objektiv. Genauso sieht es mit so genannten wissenschaftlichen Gutachten aus – das Beispiel Loveparade zeigt gerade, dass der Auftraggeber das Ergebnis bestimmt. Und über Statistiken, wie sie Thilo Sarrazin in seinem Sinne interpretiert, muss wohl gar kein Wort verloren werden.
Doch darum soll es nicht gehen. Am Montagabend bei Beckmann sagte die Sozialwissenschaftlerin Naika Foroutan wahre Dinge, die sehr zum Nachdenken anregen. Es verwundert nicht, dass nach 9/11 das Miteinander zwischen der deutschen und muslimischen Bevölkerung nicht das beste war. Auch in Deutschland wurde – salopp gesagt — hinter jedem Turban und Bart ein Terrorist vermutet. Foroutan, die sich täglich mit Integration und dem sozialen und gesellschaftlichen Zusammenhalt unseres Landes beschäftigt, sagte, dass sich seit vier bis fünf Jahren das Blatt wieder gewendet habe. Es gibt wieder ein Miteinander – auch politische Maßnahmen haben dazu beigetragen, dass sich die beiden Bevölkerungsgruppen nicht mehr wie Fremde gegenüber stehen.
Als Beckmann auf Sarrazin und die enorme Zustimmung seiner Zuschauen hinwies, antwortete Foroutan Bedrückendes. Sinngemäß sagte sie, dass man keine Chance habe, gegen die Gefühle der Menschen anzureden. In Sarrazins Buch sieht sie eine Gefahr, dass der aufgebaute Zusammenhalt der letzten Jahre wieder zunichte gemacht wird. Direkt gesagt wurde es nicht, aber zwischen den Zeilen konnte man heraushören, dass Sarrazins Buch den sozialen Frieden in Deutschland gefährden würde.
«Wir» haben gegen Sarrazin, NPD & Co. absolut keine Chance. So dramatisch und trostlos muss man es sehen. Was muss und kann man tun? Unsere Gesellschaft muss sich völlig neu aufstellen und neu ordnen. Der Mensch muss wieder Mensch sein dürfen – mit all seinen Stärken und Schwächen. Der Mensch ist keine Produktionseinheit, er ist kein Kostenfaktor, er ist nicht anders — er ist eine Bereicherung für jedes andere Leben.
Wenn man heute in die U-Bahn steigt, durch die Stadt geht, sind gefühlt die Hälfte der Werbeanzeigen von Zeitarbeitsfirmen geschaltet. Der Mensch wird nicht mehr durch das Menschsein definiert, sondern durch seinen Arbeitsplatz, seine Statussymbole, sein Ansehen. Andersartigkeit, egal in welcher Form, wird abgelehnt.
Arbeitslose Menschen werden – sogar von der Politik – offiziell als Parasiten, von den Medien als Sozialschmarotzer bezeichnet, wer in problematischen Stadtteilen wohnt, entsprechend belächelt – Ausländer in diesem Land täglich schief angesehen, beleidigt, ihnen wird aufgezeigt, dass sie nicht zu «uns» gehören.
Oftmals wird – gerade von konservativen Politikern – immer wieder gefordert, man müsse die deutsche Leitkultur annehmen, sich dieser unterordnen. Doch was ist diese ominöse Leitkultur? Diese Leitkultur, das ehemalige Land der Dichter und Denker definiert sich ausschließlich über Statussymbole und Angepasstheit. Fremde, Andersdenkende und Anderslebende gehören nicht zu dieser Leitkultur.
Selbst wenn die von Sarrazins angekündigte Apokalypse eintreten würde – es wäre absolut nicht schlimm. Dieses Land, so wie es sich entwickelt hat, ist es wahrlich nicht wert, erhalten zu werden. Wir müssen nicht nur über Integration reden, sondern auch über uns selbst. Warum darf der Mensch nicht mehr Mensch sein? Warum werden Andersdenkende, anders Aussehende, anders lebende Menschen ausgegrenzt, beschimpft beleidigt und an den Rand der Gesellschaft gedrängt?
Sobald unsere Gesellschaft wieder den Menschen als Menschen wahrnimmt, ihn annimmt, toleriert und akzeptiert, wie er ist – sei er arbeitslos, schlecht deutsch sprechen oder in einem Ein-Zimmer-Appartement lebend – erst dann können wir wieder von einer deutschen Leitkultur sprechen, für die es wert ist, zu kämpfen. Die derzeitige Verfassung unserer Gesellschaft lässt es wahrlich nicht zu, dass wir mit dem Finger auf andere Menschen zeigen.
Integration, ein soziales Miteinander ist keine Einbahnstraße – es ist ein Geben und Nehmen. Wir befinden uns im 21. Jahrhundert und große Teile unserer Gesellschaft und der so genannten Elite befinden sich vom Denken und Handeln noch im Mittelalter. Sicherlich gibt es Integrationsprobleme, Parallelgesellschaften– unbestritten. Sie sind aber Folge unserer Gesellschaft, unseres sozialen Miteinanders. Es sind die Geister, die Deutschland selbst gerufen hat. Wir haben sie geschaffen.
Deutschland ist krank. Schuld daran sind aber nicht die Arbeitslosen, die Alten, die Studenten oder die Ausländer. Schuld ist unsere Gesellschaft als Ganzes. Wir reden immer über moderne Zeiten, sprechen verächtlich über das zurückgebliebene Anatolien, wollen Aufbauarbeit in Afghanistan leisten, vergessen dabei aber, dass insbesondere Wir, unser Land, unsere Gesellschaft eine Frischzellenkur benötigt.
Der indischer Philosoph Jiddu Krishnamurti hat einmal gesagt: «Die Wandlung der Gesellschaft ist nicht so wichtig; sie wird sich natürlich und zwangsläufig ergeben, wenn der Mensch die innere Wandlung vollzogen hat.» Bis dahin ist es in unserer Gesellschaft noch ein ganz langer Weg. Der Großteil der Menschen in unserer Gesellschaft definiert sich darüber, sich insbesondere moralisch von anderen Menschen abzugrenzen. Dies ist im Übrigen auch ein Grund, warum unsere Politik so «gut» funktioniert. Man lasse Rentner gegen Studenten, Arbeiter gegen Arbeitslose kämpfen – und schon kann sich die Regierung weitestgehend zurücklehnen.
Wir brauchen ein neues Denken in unsere Gesellschaft, im täglichen Zusammensein. Menschsein bedeutet im positivsten Fall nicht, den Arbeitslosen und den Ausländer naserümpfend zu tolerieren. Menschsein bedeutet, den Studenten und Rentner und all die anderen zu akzeptieren, als gleichwertiges Mitglied unserer Gesellschaft und unserem sozialen Miteinander. Die Anderen sind nicht anders, die Anderen sind wir. Unsere Gesellschaft besteht aus unzähligen Gruppen – und jeder Mensch ist gleichberechtigt, jede einzelne Person ist wichtig und belebt unsere Kultur und fördert unser Wissen. Unsere Gesellschaft braucht ein Umdenken, «wir» benötigen ein Umdenken. Erst dann können wir wieder vom Menschsein sprechen. Derzeit gilt das Recht des Stärkeren, unterschiedliche Schichten kämpfen miteinander – ganz wie in der Fauna.
Wie sehr mensch ist unsere Gesellschaft, wie sehr mensch darf sie heute noch sein?
Sie mißinterpretieren mich böswillig.
AntwortenLöschentsts, ich habe nur mal gefragt.... Zudem interpretiert eben jeder in der Weltgeschichte herum, Du ja auch - grins.
AntwortenLöschenDu interpretierst, dass ich interpretiere, dass wer im Artikel interpretiert, was Du interpretierst, usw. So ist das eben...