Wenn man nach den Äußerungen eines gewissen Außenministers von Merkels Gnaden geht, dann "findet der, der arbeiten will, auch Arbeit und alle anderen sind einfach zu faul zum Arbeiten". Sinngemäß jedenfalls. Es ist ja auch einfacher, an unbegründeten Vorurteilen festzuhalten. Glauben ersetzt Denken. Dogmatismus nennt man das, wenn es beschönigt ausgedrückt werden soll. Borniertheit sagt der Volksmund dazu.
Die Jobcenter verlangen von Hartz-IV-Abhängigen standardmäßig Unmengen von Bewerbungen - wenn man (viel) Glück hat, nur eine pro Woche, oftmals aber deutlich mehr. Wer nicht mitspielt, der wird gnadenlos sanktioniert. Das hat System, denn von irgendwelchen Geldern müssen die Löcher im Haushalt ja gestopft werden. Seitens eines weltfremden Arbeitsministeriums wird hier wohl auf Biegen und Brechen die Maxime "viel hilft viel" durchgesetzt, auch wenn es sich dabei um Unfug handeln sollte.
Das es sich bei dem Zwang zu Unmengen an Bewerbungen um Unfug handelt, hat jetzt der Psychologe Dr. Martin Tomasik von der Uni Jena nachgewiesen. Er befragte über 800 Personen in 80 Landkreisen der alten und neuen Bundesländer nach ihrem Umgang mit neuen Herausforderungen und ihrer Lebenszufriedenheit und erstellte daraus seine Dissertation "Human Behaviour in Social and Economic Change" ("Gesellschaftliche Entwicklungen nach dem Systemumbruch"). Er gehört damit zu insgesamt zehn Wissenschaftlern, die für ihre exzellenten Dissertationen mit besonderer gesellschaftlicher Bedeutung den Deutschen Studienpreis der Körber-Stiftung erhalten.
Der Inhalt der Studie in Stichworten: Massenhafte Bewerbungen, die vergeblich sind, frustrieren nur. Menschen in wirtschaftlich schwachen und wenig familienfreundlichen Regionen sind tatsächlich zufriedener, wenn sie unerreichbare Ziele gar nicht erst verfolgen (müssen). Misserfolge frustrieren und belasten die Menschen nur unnötig. Ein Fehlen solcher Misserfolge hingegen setzt Kräfte und Ressourcen frei, die an anderer Stelle sinnvoller investiert werden. Tomasik schließt daraus: "Dieses Potential muss eine moderne Sozialpolitik nutzen, anstatt Unerreichbares zu fördern und fordern."
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Links zum Thema:
http://www.uni-jena.de/uni_journal_01_2010_Personalia.html
http://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/571/498858/text/
http://idw-online.de/de/news345431
http://eisenach03691.blogspot.com/2009/12/thesen-der-arbeitswelt-so-gangig-so.html