Manchmal ist es spannend einen Blick über den Tellerrand zu werfen. Zum Beispiel in die USA.
Normalerweise schaue ich ja etwas skeptisch über den Teich. Seltsame Dinge gehen dort vor und aus der Ferne kann man schnell den Eindruck bekommen, dort ist schon längst Polizeistaat.
Stimmt ja vielleicht auch, vielleicht aber auch nicht. Von hier aus ... ist das letztendlich schwer zu beurteilen.
Noch schlimmer wird es umgekehrt: in den USA weiß wahrhscheinlich kaum jemand, was in dem kleinen unbedeutenden Deutschland los ist. So dachte ich jedenfalls. Dann jedoch fiel mir dieser Artikel in die Hände:
http://www.berliner-journalisten.com/blog/2010/02/10/der-usa-wundert-man-sich-uber-henkel-und-co/
Der in deutschen Talkshows (u.a. Anne Will) recht umtriebige Herr Henkel ruft in den USA Verwunderung hervor. Die Nachdenkseiten veröffentlichen einen offenen Brief von William K. Black, Associate Professor of Economics and Law University of Missouri Kansas City/MO an Dr. Walter E. Massey, Aufsichtsrat der Bank of America. Dieser Brief wurde auch auf der Website von Michael Moore veröffentlicht.
Da hat man dann doch mal den Herrn Henkel wahrgenommen ... und das hatte einen besonderen Grund:
Gestern wurde ich darauf aufmerksam, dass Hans-Olaf Henkel für die Bank of America in Deutschland als “Senior Advisor” beratend tätig ist. Ich bin der Ansicht, dass die Bank of America einige Zusammenhänge betrachten sollte, die mir an Herrn Henkel als sehr beunruhigend aufgefallen sind.
Na sie mal einer an: die kennen den Henkel in Amerika. Und nicht nur den.
Der “Senior Advisor” der Bank of America in Deutschland - Leiter eines Teams von Beratern, das helfen soll, die Richtlinien der Bank festzulegen - beklagt das Ende des „Redlining“ und behauptet, dass die amerikanischen Bankkredite für die schwarzen “Slums” die globale Finanzkrise verursacht hätten. Ich weiß, dass Sie genau verstehen, was Redlining bedeutet - der absichtliche Ausschluss von Minderheiten als Kreditnehmer auf der Grundlage der ethnischen Zugehörigkeit. Ich weiß auch, dass Sie verstehen, dass Herr Henkels Versuch, schwarze Amerikaner für die globale Krise verantwortlich zu machen, keine reale Grundlage hat und das Produkt eines widerwärtigsten Fanatismus ist. Amerikaner sind natürlich nicht die einzigen, die empfindlich gegen Fanatismus sind. Beachten Sie die politischen Ratschläge, die Herr Henkel im deutschen Zusammenhang gibt.
"Redlining" ... keine Kredite für soziale Randgruppen, wobei unsere bundesdeutsche Gesellschaft bald nur noch aus sozialen Randgruppen besteht, die sich nach Wunsch der Politiker am Besten alle gegenseitig auslöschen.
Olaf Henkel ... ein "widerwärtiger Fanatist". Der Herr Henkel erweist sich als besonders Deutsch. Kein Wunder, das viele glauben, wir wären immer noch alle Nazis. Doch nicht nur der Herr Henkel erregt amerikanisches Interesse, wir haben da ja noch so ein Wunderkind, das gerne durch lautes Krähen auf sich aufmerksam macht: Thilo Sarrazin.
Dr. Thilo Sarrazin, Mitglied der Geschäftsleitung und Leiter des Risikomanagements der Deutschen Bundesbank, sagte der europäischen Kulturzeitschrift Lettre International, dass die Türken mit niedrigen Intelligenzquotienten und primitiven Erziehungsmethoden “Deutschland unterwandern“, indem sie sich zwei- oder dreimal so schell fortpflanzen
Nun, wir kennen Thilos Ergüsse und haben uns wohl langsam daran gewöhnt. Amerikaner jedoch ... sind noch zu überraschen. Für die sind solche Eskapaden doch schlichtweg sehr ungewöhnlich.
Wie reagierte der “Senior Adviser” der Bank of America auf diese wahnhafte Hassrede? (veröffentlicht Anfang Oktober 2009) Er begann einen sofortigen Medien-Kreuzzug zur Unterstützung des Fanatismus des Herr Sarrazin. Er gab Fernseh-Interviews und schickte (im Internet veröffentlicht) einen offenen Brief an den “Lieben Herr Sarrazin”, um seine uneingeschränkte Unterstützung für die Aussagen des Herrn Sarrazin zum Ausdruck zu bringen (ohne “wenn” und “aber”, wie er sich ausdrückte).
So was macht den Amerikanern Sorgen:
In Anbetracht des giftigen Fanatismus ohne Tatsachen, der im Kern die Ansichten von Herrn Henkel bestimmt, Minderheiten betreffend, ist es sicher , dass sein Fanatismus seine Politikempfehlungen bestimmen.Darüber hinaus sind die Personen, die er berufen hat, der Bank als Berater unter seiner Federführung zu dienen, mindestens bereit, seinen Fanatismus ohne Protest zu verdauen.
Und der logische Hinweis auf den Zusammenhang zwischen Henkel, Sarrazin und Ausschwitz wird ebenfalls nicht unterschlagen. Manche US-Amerikaner scheinen sehr gebildet zu sein.
Herr Henkel schmeichelt den Mächtigen durch das Evangelium des Sozialdarwinismus. Herr Henkel behauptet, der Meister der “Unternehmer” zu sein - aber er behandelt “Obst und Gemüse” Unternehmer mit Verachtung. Herr Henkel verurteilt Verleumdungskampagnen gegen die “Marktwirtschaft”, aber er beginnt und unterstützt die widerwärtigsten Verleumdungskampagnen, die ungeheure Verbrechen gegen die Menschlichkeit in der Weltgeschichte hervorgebracht haben.
Ja, es ist ein faschistoider Ansatz, den die Herren Sarrazin und Henkel verbreiten. Wir Deutschen sind seltsamerweise schnell bereit, das zu verzeihen - während in den USA ganz andere Konsequenzen gefordert werden:
Ich biete die folgenden Empfehlungen zur Prüfung durch Ihr Leitungsgremium an. Herrn Henkel sollte aus wichtigem Grund sofort gekündigt werden. Die Bank of America sollte alle politischen Ratschläge, die es von ihm und seinem Team erhielt nachprüfen und externe Beratung von Experten suchen, die (1) die Krise vorhersahen, und (2) die keine Fanatiker sind. Die Bank of America sollten daher auch prüfen, warum die leitenden Manager in Europa und in den Vereinigten Staaten keine Maßnahmen ergriffen, während der “Senior Berater” seinen Hass über Monate verbreitete.
Dieser Brief ist - gelinde gesagt - sehr beschämend. Ich denke manchmal, ich lehne mich weit aus dem Fenster, wenn ich diesen Herren geistige Nähe zum Völkermord nahelege ... aber aus Sicht der USA sind wir schon längst drei Schritte weiter. Hier traut man sich öffentlich Dinge auszusprechen, die drüben noch zur Kündigung führen würden. Hier gibt es "Sarrazin-Fan-Clubs" während man drüben wohl wegen Volksverhetzung im Knast sitzen und somit dem Steuerzahler weniger auf der Tasche liegen würde.
Es kommt mir so vor, als würden wir uns viel zu sehr an den aufsteigenden Faschismus gewöhnen ... oder als ob wir glauben würden, das so etwas hier gar nicht wieder passieren kann - dabei sind wir schon ziemlich weit. Bei uns ist Adolf Henkel noch ein geschätzter Mann, dort drüben ... ist er nur noch ein Adolf.
Umso mehr Sorgen mache ich mir um die Auswürfe des Aussenministers, der sich ja nicht zurückhalten konnte, einfach mal irgendetwas zu sagen, in der Hoffnung, das ihn das über die fünf-Prozent-Hürde katapultiert:
http://de.news.yahoo.com/17/20100211/tde-westerwelle-debatte-um-hartz-iv-hat-b6c1e5d.html
FDP-Chef Guido Westerwelle hat die Debatte um die Höhe von «Hartz IV» nach dem Verfassungsgerichtsurteil scharf kritisiert. Die Diskussion habe «sozialistische Züge», schrieb Westerwelle in einem Beitrag für die Tageszeitung «Die Welt» (Donnerstagausgabe). Gesprochen werde darüber, wer mehr bekomme. Es sei von «staatlichen Leistungen» die Rede, obwohl das Geld der Steuerzahler verteilt werde.
Angeblich ist der Beitrag aus der "Welt" wieder entfernt worden ... vielleicht haben die USA schon die Marines losgeschickt, bevor hier wieder "unwertes Leben" oder "ungerechtes Leben" durch den Schornstein gejagt wird. Immerhin ... der antisozialistische Weg hat hierzulande schon mal zu einem nationalsozialistischen Weg geführt - an den sich nur leider scheinbar immer weniger erinnern können.
Die Empfänger von Steuergeld seien in aller Munde, «doch die, die alles bezahlen, finden kaum noch Beachtung», schrieb Westerwelle.
Und das ist ja auch gut so, denn sonst würde niemand mehr über Politiker reden, die letztendlich alle aus Steuermitteln ernährt werden.
Bei aller Kritik an den sozialen Problemen in den USA ist es erschreckend zu sehen, welches Echo ein kleiner Blick eines Amerikaners in die politische Wirklichkeit Deutschlands 2010 hervorruft.
Widerwärtige wahnhafte Fanatiker beherrschen wieder unsere Politik ... und hierzulande bemerken das scheinbar nur noch wenige.
Vielleicht sollte man denen mal unser Hartz IV vorstellen. Aber wahrscheinlich würde niemand glauben, das es schon so weit gekommen ist.
PS: In der Tat: der Originalbeitrag von Westerwelle wurde entfernt. Man findet nur noch dies:
http://www.welt.de/debatte/article6336280/Lesermeinungen-zu-Westerwelles-Gastbeitrag.html
Hartz-IV-Diskussion
Lesermeinungen zu Westerwelles Gastbeitrag
(712) Von Guido Westerwelle 10. Februar 2010, 17:49 Uhr
Aus technischen Gründen finden Sie an dieser Stelle die älteren Leserbeiträge.