Zusammenfassung aus:
Hessen Extra Nr. 2 – Februar 2010 Onlineausgabe
B u n d D e u t s c h e r K r imi n a l b e amt e r vom 15.02.2010
Urteil des Bundesverwaltungsgerichts Nr. 5/2010 vom 9. Februar 2010
Regelleistungen nach SGB II ("Hartz IV-Gesetz") nicht verfassungsgemäß
Der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts hat entschieden, dass die Vorschriften
des SGB II, die die Regelleistung für Erwachsene und Kinder betreffen,
nicht den verfassungsrechtlichen Anspruch auf Gewährleistung eines menschenwürdigen
Existenzminimums aus Art. 1 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 20 Abs.
1 GG erfüllen.
Die Vorschriften bleiben bis zur Neuregelung, die der Gesetzgeber bis zum 31.
Dezember 2010 zu treffen hat, weiter anwendbar. Der Gesetzgeber hat bei der
Neuregelung auch einen Anspruch auf Leistungen zur Sicherstellung eines unabweisbaren,
laufenden, nicht nur einmaligen, besonderen Bedarfs für die nach § 7
SGB II Leistungsberechtigten vorzusehen, der bisher nicht von den Leistungen
nach §§ 20 ff. SGB II erfasst wird, zur Gewährleistung eines menschenwürdigen
Existenzminimums jedoch zwingend zu decken ist.
Bis zur Neuregelung durch den Gesetzgeber wird angeordnet, dass dieser Anspruch
nach Maßgabe der Urteilsgründe unmittelbar aus Art. 1 Abs. 1 GG in Verbindung
mit Art. 20 Abs. 1 GG zu Lasten des Bundes geltend gemacht werden
kann.
Zur Entscheidung
Das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums
aus Art. 1 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip des Art. 20 Abs.
1 GG sichert jedem Hilfebedürftigen diejenigen materiellen Voraussetzungen zu,
die für seine physische Existenz und für ein Mindestmaß an Teilhabe am gesellschaftlichen,
kulturellen und politischen Leben unerlässlich sind.
Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner Entscheidung überprüft, ob der Gesetzgeber
das Ziel, ein menschenwürdiges Dasein zu sichern, in einer Art. 1 Abs.
1 GG in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 GG gerecht werdenden Weise erfasst und
umschrieben hat, ob er im Rahmen seines Gestaltungsspielraums ein zur Bemessung
des Existenzminimums im Grundsatz taugliches Berechnungsverfahren gewählt
hat, ob er die erforderlichen Tatsachen im Wesentlichen vollständig und
zutreffend ermittelt und schließlich, ob er sich in allen Berechnungsschritten mit
einem nachvollziehbaren Zahlenwerk innerhalb dieses gewählten Verfahrens und
dessen Strukturprinzipien im Rahmen des Vertretbaren bewegt hat.
Zur Ermöglichung dieser verfassungsgerichtlichen Kontrolle besteht für den Gesetzgeber
die Obliegenheit, die zur Bestimmung des Existenzminimums im Gesetzgebungsverfahren
eingesetzten Methoden und Berechnungsschritte nachvollziehbar
offen zu legen. Kommt er ihr nicht hinreichend nach, steht die Ermittlung
des Existenzminimums bereits wegen dieser Mängel nicht mehr mit Art. 1 Abs. 1
GG in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 GG in Einklang.
Hartz IV-Gesetz nicht verfassungsgemäß
Verfassungsverstöße des Gesetzgebers
1. Alleinstehende
Die Regelleistung von 345 Euro für Alleinstehende wurde durch den Gesetzgeber
in einer nicht verfassungsgemäßen Weise ermittelt, weil dieser
von den Strukturprinzipien des Statistikmodells ohne sachliche Rechtfertigung
abwich.
2. Lebenspartner in Bedarfsgemeinschaften
Die Ermittlung der Regelleistung in Höhe von 311 Euro für in Bedarfsgemeinschaft
zusammenlebende Partner genügt nicht den verfassungsrechtlichen
Anforderungen, weil sich die Mängel bei der Ermittlung der Regelleistung
für Alleinstehende fortsetzen, denn sie wurde auf der Basis jener
Regelleistung ermittelt.
3. Kinder bis zur Vollendeung des 14. Lebensjahres
Das Sozialgeld für Kinder bis zur Vollendung des 14. Lebensjahres von 207
Euro genügt nicht den verfassungsrechtlichen Vorgaben, weil es von der
bereits beanstandeten Regelleistung in Höhe von 345 Euro abgeleitet ist.
Darüber hinaus beruht die Festlegung auf keiner vertretbaren Methode zur
Bestimmung des Existenzminimums eines Kindes im Alter bis zur Vollendung
des 14. Lebensjahres. Der Gesetzgeber hat jegliche Ermittlungen
zum spezifischen Bedarf eines Kindes, der sich im Unterschied zum Bedarf
eines Erwachsenen an kindlichen Entwicklungsphasen und einer kindgerechten
Persönlichkeitsentfaltung auszurichten hat, unterlassen. Sein vorgenommener
Abschlag von 40 % gegenüber der Regelleistung für einen
Alleinstehenden beruht auf einer freihändigen Setzung ohne empirische
und methodische Fundierung. Insbesondere blieben die notwendigen Aufwendungen
für Schulbücher, Schulhefte, Taschenrechner etc. unberücksichtigt,
die zum existentiellen Bedarf eines Kindes gehören. Denn ohne
Deckung dieser Kosten droht hilfebedürftigen Kindern der Ausschluss von
Lebenschancen. Auch fehlt eine differenzierte Untersuchung des Bedarfs
von kleineren und größeren Kindern.
Die Verfassungsverstöße wurden weder durch die Auswertung der Einkommensund
Verbrauchsstichprobe 2003 und die Neubestimmung des regelsatzrelevanten
Verbrauchs zum 1. Januar 2007 noch durch die Mitte 2009 in Kraft getretenen
§§ 74 und 24a SGB II beseitigt.
Vielmehr beinhaltet die zum 1. Januar 2007 in Kraft getretene Änderung der Regelsatzverordnung
wesentliche Mängel, wie zum Beispiel die Nichtberücksichtigung
der in der Abteilung 10 (Bildungswesen) der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe
erfassten Ausgaben oder die Hochrechnung der für 2003 ermittelten
Beträge entsprechend der Entwicklung des aktuellen Rentenwertes.
Außerdem genügt das durch § 74 SGB II eingeführte Sozialgeld für Kinder ab
Beginn des 7. bis zur Vollendung des 14. Lebensjahres in Höhe von 70 % der
Regelleistung für einen Alleinstehenden den verfassungsrechtlichen Anforderungen
nicht, weil es sich von der fehlerhaft ermittelten Regelleistung ableitet.
Ferner ermittelte der Gesetzgeber die Regelung des § 24a SGB II, die eine einmalige
Zahlung von 100 Euro vorsieht nicht empirisch. Der Betrag von 100 Euro
pro Schuljahr wurde offensichtlich freihändig geschätzt.
Unvereinbar mit dem Grundrecht ist, dass im SGB II eine Regelung fehlt, die einen
Anspruch auf Leistungen zur Sicherstellung eines zur Deckung des menschenwürdigen
Existenzminimums unabweisbaren, laufenden, nicht nur einmaligen,
besonderen Bedarfs vorsieht. Ein solcher ist für denjenigen Bedarf erforderlich,
der deswegen nicht schon von den §§ 20 ff. SGB II abgedeckt wird, weil die
Einkommens- und Verbrauchsstatistik, auf der die Regelleistung beruht, allein
den Durchschnittsbedarf in üblichen Bedarfssituationen widerspiegelt, nicht aber
einen darüber hinausgehenden, besonderen Bedarf aufgrund atypischer Bedarfslagen.
Zu finden war das und noch mehr, hier:
http://www.cop2cop.de/2010/02/17/hessen-extra-nr-2-februar-2010/
Ja, und hier war auch dies zu finden - von wegen Hartz IV kostet zu viel - das sind ganz andere:
96.900.000.000 Euro – Staatsdefizit versechsfacht
Kurz vor Jahreswechsel erschienen Pressemeldungen dieses Inhalts. Der Atem
stockt, denn eines scheint gewiss:
In Zeiten von Dienstrechtsreformplänen der hessischen Landesregierung
ist zu befürchten, dass Staatsdiener weiter und nachhaltiger als je zuvor
zur Kasse gebeten werden. Es bleibt zu hoffen, dass Polizeibeamte eine
Sonderstellung zugewiesen wird.
Noch im Jahr 2008 betrug der Fehlbetrag in der deutschen Staatskasse lediglich
17,2 Milliarden Euro. Im Jahr 2009 verbuchte Deutschland ein Staatsdefizit von
96,9 Milliarden Euro. Grund für die explodierende Staatsverschuldung im Jahr
2009 sind nach Angaben des statistischen Bundesamtes hohe Kosten für die
Bankenrettung,
Konjunkturpakete und
Kurzarbeit.
Die Wirtschaftskrise verursachte Mehrausgaben um 7,9 Prozent auf 838,8 Milliarden
Euro. Gleichzeitig sorgte eine schlechte Konjunktur für hohe Steuerausfälle,
die Mindereinnahmen um 2,4 Prozent auf 741,9 Milliarden Euro herbeiführte.
Bund
Das Finanzierungsdefizit des Bundes erhöhte sich auf 49,2 Milliarden Euro. Hiervon
entfielen 16,0 Milliarden Euro auf die Sonderhaushalte namens Finanzmarktstabilisierungsfonds
und Investitions- und Tilgungsfonds.
Länder
Für die Bundesländer errechnet sich ein Finanzierungsdefizit von 24,3 Milliarden
Euro.
Gemeinden und Gemeindeverbände
Die Gemeinden und Gemeindeverbände wiesen im Berichtszeitraum ein Finanzierungsdefizit
in Höhe von 6,7 Milliarden Euro aus.
Nettokreditaufnahme der öffentlichen Haushalte bei 62 Milliarden
Die öffentlichen Ausgaben stiegen besonders stark beim Bund und bei den Ländern.
Ins Gewicht fielen hier stark gestiegene Ausgaben für Beteiligungen im Zusammenhang
mit Maßnahmen zur Stabilisierung des Finanzmarkts. Bei den Gemeinden
und der Sozialversicherung fielen die Ausgabenzuwächse dagegen geringer
aus.
Zum Rückgang bei den Einnahmen der öffentlichen Haushalte trugen im Wesentlichen
gesunkene Einnahmen aus Steuern und steuerähnlichen Abgaben (um 3,3
Prozent auf 662,4 Milliarden Euro) bei.
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