(Quelle: SPIEGEL-Online)
"Ich bin gekommen, um einen historischen Kompromiss zu finden", sagte Netanjahu am Mittwochabend in Washington. "Präsident Abbas, Sie sind mein Friedenspartner. Es ist an uns, den quälenden Konflikt zwischen unseren Völkern zu beenden und mit Hilfe unserer Freunde einen Neuanfang zu erreichen". Er wolle einen "historischen Kompromiss, der es unseren beiden Völkern ermöglicht, in Frieden, Sicherheit und Würde zu leben".
Das ist blanke Zynik und Lüge.
Mahmoud Abbas gilt in eigenen Kreisen ohnehin nicht viel und diese Sätze von Netanjahu müssen ihm vorkommen wie harte Schläge mitten ins Gesicht. Entgegen jedes geltende Gesetz und Recht baut Israel trotz des eigenen "Baustopps" seit Monaten weiter an tausenden von Wohnungen inmitten des Westjordanlandes - eines Landes, das Israel nicht gehört.
Israel enteignet palästinensische Bauern, jagt sie fort und errichtet eigene Wohnungen auf dem Land.
Naftali Bennett, der Generaldirektor der Siedlerorganisation Jesha, kann in dem Vorgehen Israels kein Unrecht entdecken, im Gegenteil:
"Es reicht nicht, dass das Moratorium am 26. September endet. Ehud Barak muss aktiv 3000 neue Wohneinheiten genehmigen - davon 1500 sofort."
Dabei interessiert es weder Bennett noch Netanjahu oder irgendjemanden in Israel, dass dieses Land nicht Israel gehört, sondern vor 60 Jahren ultimativ von der UN einem palästinensischem Staat zugeeignet worden ist.
Schon bald könnten somit in 57 Siedlungen die Bauarbeiten wieder beginnen. Daran werden die am Donnerstag feierlich von US-Außenministerin Hillary Clinton eröffneten Friedensgespräche nichts ändern. Denn schon in der Vergangenheit wurde während Verhandlungen weitergebaut. Vom Beginn des Osloer Friedensprozesses in den neunziger Jahren bis heute hat sich die Zahl der Siedler im Westjordanland verdreifacht. Von 110.000 auf mehr als 300.000 Menschen in 121 Siedlungen und 100 Außenposten, dazu kommen 200.000 weitere Siedler in Ostjerusalem.
Das ist nach jedem menschlichen Gesetz Landraub und militärische Annektion. Ein palästinensischer Staat wäre selbstverständlich in die Lage versetzt, offiziell mit Krieg zu antworten - denn Israels Vorgehen ist ein Verbrechen auf nationaler Ebene und im Grunde einer Kriegserklärung gleichzusetzen.
Die Bautätigkeiten sind nicht Verstöße privater Firmen, sondern sie werden mit aktiver Staats-, bzw. Regierungshilfe in Szene gesetzt:
Bauen im Westjordanland wird für Israelis massiv subventioniert. Das Land ist fast umsonst, es ist ja "Staatsland". Die Erschließungskosten zahlt der Staat, die Bewohner bekommen günstige Kredite.
Man braucht nur ein paar Zahlen vom israelischen Statistikbüro, um festzustellen, dass es keine nennenswerte Reduzierung der Bautätigkeit gab: So berichtete der israelische Fernsehsender Channel 10, dass in den vergangenen sechs Monaten 8000 Israelis ins Westjordanland gezogen sind oder dort geboren wurden. Das entspräche, hochgerechnet auf ein Jahr, 16.000 Menschen. In den vergangenen Jahren - ohne Baustopp - lag die durchschnittliche Wachstumsrate bei 5,5 Prozent - was bei 300.000 Siedlern in der Westbank jährlich einen Zuwachs von 16.500 Menschen macht. "Mit anderen Worten: Der vieldiskutierte Baustopp hat uns 500 Siedler weniger gebracht", sagt Etkes.
Obama hatte zu keinem Zeitpunkt jemals ernsthaft daran gedacht, Israel in seine eigenen Grenzen zurückzwingen zu wollen. Ihm ist lediglich an ausreichend Ruhe gelegen; keine blutigen Übergriffe sollten seine Amtszeit weiterhin überschatten. Deshalb versucht die US-Administration, über den Ägypter Mubarak ausreichend Druck auf die Palästinenser auszuüben, damit Abbas in deren Namen ohne jede Gegenleistung von Israel alle nur erdenklichen "Garantien" ausspricht.
Während Israel verstärkter bauen will, sollen die Palästinenser noch ruhiger werden. Netanjahus Absicht ist völlig klar: weder der Abriss von palästinensischem Privatbesitz noch die Einebnung von Moscheen im Westjordanland (also palästinensischem Land!) soll künftig Anlass genug sein für Demonstrationen. Jede Aktion gegen Israel infolge dieser Vorgänge soll von Israel als "Terrorakt" bezeichnet und blutig vergolten werden können.
Abbas hatte zwar direkt beim Auftakt der "Friedens"-Gespräche einen Verhandlungskatalog vorgestellt und einen Stopp aller Bautätigkeiten gefordert und drohte mit Beendigung der Verhandlungen, wenn dem nicht stattgegeben würde. Israel baut weiter. Und es kann sich darauf verlassen, dass Obama auch weiterhin nicht gegenüber Israel reagiert - sondern ausschließlich die Palästinenser dazu auffordern wird, weiterhin stillzuhalten.
Die Kriegsgefahr wächst - denn im Gegensatz zu uns (die wir uns ja weidlich und gern verarschen lassen!) ist die arabische Öffentlichkeit sehr auf den Fortgang der Verhandlungen gespannt.