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Ein Gespenst geht um …
Oder wie aus einer Ente ein Elefant im medialen Porzelanladen wird:Am Mittwoch meldete Bild die Spiegel-Enten auf Seite eins, Welt online phantasierte eine Zeitlang von »dem DKP-Vorsitzenden« als Teilnehmer der Diskussion – dann brachen im Politikbetrieb alle Dämme.jW
Es ist erschreckend mit anzusehen, wie «Leitkultur» zur Kaschierung von Fremdenfeindlichkeit bzw. handfestem Rassismus gereicht, wie rechte Umtriebe verniedlicht bzw. mit einem «erstarkenden» linken Extremismus relativiert werden oder wie führende Politiker jedweder Couleur die Verfassung stetig in Frage stellen, Minderheiten stigmatisieren, etc. pp. Es ist geradezu absurd, wie die bloße Erwähnung von Kommunismus einige Politiker fast den Notstand ausrufen läßt, vollkommen merkbefreit wird eine Angst geschürt, die insbesondere den Deutschen in undemokratischen und menschenverachtenden Zeiten eingeimpft wurde. Den Massenmörder Stalin verniedlicht kaum einer der bei klarem Verstand ist, das Regime der DDR hingegen erfährt eine mediale Verniedlichung, die kaum in «kommunistischen» Utopien fußt.
Die «Blutspur» hingegen, von der da jemand in den Medien sprach, kennen wir Deutsche mehrheitlich seitens des Nationalsozialismus. Wir tun uns jedoch recht schwer damit dies zuzugeben, üben uns in Hinhaltetaktiken gegenüber ehemaligen Zwangsarbeitern, feilschen um die Schuld — daß viele Nazis in der Bundesrepublik wieder erfolgreich Fuß fassen konnten, auch insbesondere in der Politik, spricht Bände.
Andererseits haben wir Deutsche keine Probleme damit lukrative Geschäfte mit Regimen zu tätigen. Erinnern wir uns an Rumänien und Ceausescu, ein beliebtes Urlaubsziel der Deutschen damals, starke wirtschaftliche Beziehungen und ein blutiges Regime? Ach, diese Blutspur läßt sich heute noch gut verfolgen. An den Händen des deutschen Staats klebt Blut, auch in jüngster Zeit.
Warum verniedlichen die Medien die Gefahr von Rechts, stellen menschenverachtende Aussagen diverser Politiker zur Diskussion, hofieren diese gar und relativieren Regime ob wirtschaftlicher Beziehungen? Warum kocht die Republik ob eines Begriffs, einer Ente und ergibt sich zugleich ganz pragmatisch einem menschenverachtenden Handeln im Innern, als auch in der Außenpolitik? Der «braune Spuk» ist immer noch recht präsent in diesem Land, ebenso wie die in jenen Zeiten manifestierte Angst vorm «Bolschewik».
Und wenn sich ein führendes Mitglied der SPD, Frank-Walter Steinmeier, mit Worten wie «Ich faß’ mir an den Kopf» dazu äußerst, dann frage ich mich doch wie es um die Kenntnis der eigenen Vergangenheit der SPD bestellt ist? Mit welchen Parolen wurde diese gejagt, mit welchen Parolen eröffnete die CDU unter Adenauer den Wahlkampf gegen die SPD? Ja lang ist es her. Unvergessen sind wohl auch die Worte eines Franz-Josef Strauss: «Was wir hier in diesem Land brauchen, sind mutige Bürger, die die roten Ratten dorthin jagen, wo sie hingehören — in ihre Löcher.«1 Oder als Kohl den Wahlkampf anno 82/83 mit dem denkwürdigen Satz eröffnete: «Wir werden die Arbeitslosigkeit und die Zahl der in Deutschland lebenden Ausländer um die Hälfte reduzieren.»
Dies alles macht mir Angst, ebenso wenn ich heute wieder vermehrt Teile der Bevölkerung schaue, diverse Politiker oder auch Einzelne einer noch recht jungen demokratischen Partei, die rechte Gedanken hofieren bzw. gar Holocaust-Leugnern unter dem Deckmantel der «Meinungsfreiheit» eine Plattform stellen bzw. dies einfordern. Den Kommunismus hingegen, als Deckel für eine Vielzahl von Richtungen, fürchte ich in keinster Weise. Ich fürchte denjenigen, der anderen die Würde abspricht, die Menschlichkeit versagt, ich fürchte all jene, die dem Miteinander abschwören und auf dem Weg zum eigenen Vorteil über Leichen gehen.
- DIE WELT, 23. September 1974 [↩]
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