http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=14933
Krieg und Frieden Folterrituale und Morde gehören zur Kriegsführung der Bundeswehr Mit Ermutigung von oben Von Ulrich Sander
Christina Dimou aus Kommeno – auf einer
Protestveranstaltung Pfingsten 2003 in
Mittenwald gegen die “Traditionspflege“
der Gebirgsjäger
Quelle: Arbeiterfotografie
Ich möchte den Artikel auch der 80jährigen Griechin Christina Dimou aus Kommeno widmen. Sie hat 1943 ein Gebirgsjägermassaker überlebt, bei dem ihre Mutter und ihre zwei Brüder ermordet wurden. Sie berichtete bei einem Antifa-Hearing in Mittenwald: „Die Soldaten haben uns im Schlaf überrascht, sie kamen und umzingelten das Dorf. Wir waren nur 500 Menschen im Dorf. Sie haben 317 Menschen getötet, ohne dass diese irgendeine Schuld hatten.“
Traueranzeigen der LINKEN für Kundus-Opfer im Bundestag
Quelle: heikehaensel.wordpress.com
Und ich möchte den Artikel der afghanischen Großmutter Bulbul widmen, über die Christine Buchholz im Bundestag berichtete: „Bulbul konnte ihre drei kleinen Enkel nicht davon abhalten, mit den anderen zum Fluss zu laufen. Sie saß mir mit Tränen in den Augen gegenüber und meinte, dass sie im Gegensatz zu vielen anderen wenigstens die Überreste ihrer Enkel gebracht bekommen hat, um sie beerdigen zu können.“ 91 Frauen sind durch den Angriff des Bundeswehrobersten Georg Klein vom 4. 9. 2009 am Kundusfluss zu Witwen geworden. Viele weitere Kinder starben. Als die Abgeordnete das berichtete und ihre Fraktionskollegen von der „Linken“ dazu Traueranzeigen hochhielten, wurden sie vom Präsidenten aus dem Bundestag geworfen.
Die Mörder blieben unbestraft
Pjotr, Christina und Bulbul ist gemeinsam, Opfer oder Hinterbliebene von Kriegsverbrechen zu sein, die samt und sonders nicht bestraft wurden. Soldaten als Mörder, ob Wehrmachts- oder Bundeswehrsoldaten, bleiben hierzulande in der Regel straffrei.
Kriegsverbrechen bestehen u.a. in der Ermordung und Misshandlung von Zivilisten und in mit Kriegshandlungen nicht gerechtfertigten Verwüstungen. So definierte es 1945/46 das Nürnberger Alliierte Gericht. In diesem Sinne geschah am Kundus-Fluss ein Kriegsverbrechen. Dafür müsste Oberst Georg Klein vor Gericht gestellt werden. Doch gegen ihn wird nicht einmal ermittelt, so wie gegen den Nazisoldaten von Rotenburg nicht ermittelt wurde, und auch der Mörder-Kommandeur von Kommeno blieb straffrei.
Die Vorgesetzten von Oberst Klein hielten seine Untat für militärisch angemessen, die Minister Jung und dann zu Guttenberg stimmten zu, bis zu Guttenberg sich lieber nur noch hinter den Obersten, nicht aber hinter seine Untat stellen mochte. Allen gemeinsam im Bendlerblock ist die „menschliche Solidarität“ mit dem Massenmörder Klein.
Die Schule von Mittenwald
Auch Bundeswehr-Oberstleutnant Reinold Klebe blieb straffrei. Seine „stolzen Soldaten“ der 12. Kompanie des Gebirgsjäger-Regiments 98 löschten im August 1943 das griechische Dorf Kommeno aus, und er befahl auch wenig später den Mord an mindestens 4.000 unbewaffneten italienischen Kriegsgefangenen auf der Insel Kefalonia. Später wurde er Bataillonskommandeur der Bundeswehr. Franz Josef Strauß setzte ihn ein. Die Anklage gegen ihn wurde niedergeschlagen, wie gegen rund tausend andere Wehrmachtskiller, welche die Bundeswehr mit aufbauten. Auch gegen Klein soll nun möglichst nicht ermittelt werden, fordert die Bundeswehrführung von der Staatsanwaltschaft – und die führt diesen Befehl bisher auch aus.
Der neue Bundeswehrminister zu Guttenberg ist durch die Schule des Reinhold Klebe gegangen. Er war wie Klebe in Mittenwald bei der Bundeswehr, bei der Gebirgstruppe. In deren gleichnamiger Zeitschrift stellte Bundeswehrgeneral a. D. Jürgen Reichardt bereits im Dezember 2008 fest, dass die heutigen Bundeswehrsoldaten „in Situationen“ geraten könnten, in denen sie wie einst die Gebirgstruppler „überreagieren“. Deshalb soll ein Schlussstrich unter Wehrmachtsverbrechen und unter mögliche Bundeswehruntaten gezogen werden. Auch die neue „Taschenkarte“, die noch Minister Franz Josef Jung an die Soldaten ausgeben ließ, trägt mit ihrer aggressiven Tendenz dazu bei, das deutsche Soldaten wieder verwendungsfähig für Kriegsverbrechen werden.
Ich wundere mich über die Verharmlosung der „Vorkommnisse“ von Kundus durch die meisten Medien, über die „Vorkommnisse“ selber weniger. Dazu werden die Soldaten wieder mal von höchster Stelle ermutigt, was ihnen die Verantwortung nicht abnimmt.
Ermutigung von oben zu den „Vorkommnissen“
Das Verbrecherische der Bundeswehr ist gewollt. Ab und zu regt man sich auf, wenn das, was im Dienst üblich ist, auch die Freizeit der Soldaten bestimmt. Das war so, als in den 90ern die Vergewaltigungsvideos aus Hammelburg auftauchten, wie auch die Bilder des Posierens mit afghanischen Totenschädeln, ferner als in einer Kneipe die Folterübungen von Coesfeld bekannt wurden und nun, da die Rituale des „Rohe-Schweineleber-Fressens“ und Unmengen Saufens wie auch Nackt-Präsentierens ans Licht kamen. Wer genau hinsah, wusste, dass die Folterungen und Rituale im Dienst eingeübt werden, um kriegsnah und „archaisch“ (Heeresinspekteur Budde) auszubilden. Muslimen Schweinefleisch und Alkohol einzuflößen, kann nur als zusätzliche ethnische Foltervariante angesehen werden.
Diese Mittenwalder Folterübungen gleichen zu sehr den Usancen von Abu Graib, als dass wir sie als Besonderheiten der Freizeitgestaltung von Gebirgsjägern erkennen können. In Mittenwald kommt noch die Tradition der Wehrmacht hinzu. Viele Opfer des Massakers in Kommeno beispielsweise wurden von den Soldaten zusätzlich zum Erschießen auch noch geschändet.
Von der 1. Gebirgsjägerdivision 1943 in
Kommeno ermordete griechische Zivilisten
NRhZ-Archiv
Nie richtig aufgearbeitet worden ist der Folter-Skandal von Coesfeld, wo Rekruten in der Grundausbildung bei einer “Gefangennahme“ gefesselt, mit Wasser übergossen und ihnen Stromstöße zugefügt wurden. Sie übten “Geiselnahme“ und fügten sich gegenseitig furchtbare Schmerzen zu, die sie ertrugen, weil sie ihren Job machen wollten, weil außerhalb der Truppe die Arbeitslosigkeit droht.
Folterübungen und Rituale
Immer wenn von Verbrechen wie am Kundusfluss und von “Vorfällen“ wie in Coesfeld, Mittenwald und Hammelburg die Rede ist, werden wir auf Truppen wie das KSK-Kommando-Spezialkräfte und auf ihren früheren Kommandeur Reinhard Günzel aufmerksam, der abgesetzt wurde, weil er durch antisemitische Äußerungen auffiel. KSK sei Oberst Klein zur Hand gegangen, wird zusätzlich berichtet, und Vorlage für die Spezialkräfte sei das Buch „Geheime Krieger“.
Dies ist eine Anleitung zur Befolgung von Wehrmachtsleitlinien durch GSG9 (Abteilung der Bundespolizei) und KSK. Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble und Bundesverteidigungsminister Franz Josef Jung (beide CDU) teilten bei dessen Bekanntwerden mit, sie lehnten disziplinarische Maßnahmen gegen die Autoren des Buches, den ehemaligen Chef der GSG 9, Ulrich Wegener, und den früheren Kommandeur des KSK, Kommando Spezialkräfte, Reinhard Günzel, ab. Diese Autoren des Buches „Geheime Krieger“ haben bekundet, die von ihnen geführten Einheiten in die Tradition der Wehrmachts-Spezial-Division „Brandenburg“ gestellt zu haben. Günzel bemängelte, dass die Bundeswehr alle Wehrmachts-Traditionen kappt. Wegener schrieb, Kameradschaft und Korpsgeist ließen sich „vor allem bei den Brandenburgern studieren“. Minister Jung sah „die Veröffentlichung derartiger Positionen noch im Rahmen der verfassungsrechtlich garantierten Meinungsfreiheit“. In dem Buch „Geheime Krieger“ wird jedoch nicht einfach eine Meinung vertreten, es wird klar gestellt, dass die Vorschriften für KSK und GSG9 bei den Brandenburgern abgeschrieben wurden. Die Brandenburger hatten auch jenes Bataillon Nachtigall in ihren Reihen, mit dessen Namen für immer z.B. das Massaker von Lemberg mit 7.000 ermordeten Juden einher geht.
Die mörderischen Rituale vom Hohen Brendten
Der scheidende Wehrbeauftragte der Bundeswehr, Reinhold Robbe, hat versichert, er habe von den Mittenwalder Ritualen nichts gewusst. Gewußt hat er aber „dass der Kameradenkreis nicht nur die Kriegsverbrechen der NS-Gebirgstruppe verharmlost und die Täter schützt, er ist nun auch dazu übergegangen, die Nichtverfolgung der Untaten als erforderlich für die heutige Kriegsführung der Bundeswehr und der NATO-Alliierten zu bewerten.“ Die Berechtigung, dies zu behaupten, hat die VVN-BdA in einer juristischen Auseinandersetzung mit dem Kameradenkreis Gebirgstruppe e.V. vor dem Nürnberger Landgericht erstritten. Die Feststellung stützt sich auf den oben genannten Artikel des Generals a.D. Jürgen Reichardt, den wir dem Wehrbeauftragten zuleiteten. Er ließ antworten, er wolle dazu nicht Stellung nehmen, denn ein ähnlicher Brief sei ja auch an den zuständigen Verteidigungsausschuss des Bundestages gerichtet worden. Die damalige Vorsitzende des Verteidigungsausschusses, Ulrike Mertens von der SPD, ließ mitteilen, sie wolle zu dem Reichardt-Artikel nicht Stellung nehmen, weil der VVN-BdA-Brief bereits veröffentlicht worden sei und sie zu „offenen Briefen“ nichts sage. Die ebenfalls angeschriebene Kanzlerin ließ durch den Verteidigungsstaatssekretär und Gebirgstruppler Christian Schmidt (CSU) ausrichten, die Regierung äußere sich nicht zu Veröffentlichungen von Privatpersonen (Reichhardt war ja a.D.), und die Gebirgstruppe habe keine verbrecherische Vergangenheit.
Und so schließt sich der Kreis: Verbrechen der Soldaten bleiben möglichst straffrei, denn man dürfe den Soldaten in ihrem schweren Dienst nicht in den Rücken fallen. Untaten in Uniform gehören zum Kriegführen dazu. Der Krieg muß geächtet sein! (PK)
Informationen über die „Zeitung gegen den Krieg“: www.zeitung-gegen-den-krieg.de/aktuell/
Online-Flyer Nr. 242 vom 24.03.2010
http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=10658
Krieg und Frieden Interview mit Tornado-Einsatzverweigerer Oberstleutnant Rose „Völkerrechts- und Verfassungsbruch!“ Von Peter Kleinert
Jürgen Rose: Völkerrrechts- und Verfassungsbruch
Peter Kleinert: Ich habe Panorama nicht gesehen, sondern erfuhr von der Sendung über Sie aus der Presse. Bei welcher Einheit sind Sie Oberstleutnant, und was hat Ihre Arbeit da mit den Tornados zu tun, die mit ein paar hundert Soldaten nach Afghanistan geschickt werden sollen?
Jürgen Rose: Ich versehe meinen Dienst im Wehrbereichskommando IV in München. Dort bin ich unter anderem für die Organisation logistischer Unterstützungsleistungen für die Auslandseinsätze der Bundeswehr zuständig.
War Ihre Mitteilung eigentlich eine echte oder eine theoretische Befehlsverweigerung? Sie hätten ja eigentlich nicht per Tornado oder im Gefolge nach Afghanistan gehen müssen. Warum haben Sie trotzdem diese Befehlsverweigerung öffentlich erklärt?
Es ist richtig, daß ich selbst nicht nach Afghanistan hätte gehen müssen. Aber mein Auftrag bestand darin, den Einsatz der TORNADOS mit ganz konkreten logistischen Unterstützungsleistungen allererst zu ermöglichen. Wie Sie sich sicherlich vorstellen können, muß jedes Kampfflugzeug erst betankt, aufmunitioniert und gewartet sein, bevor es von der Runway abheben kann.
Da Sie eigentlich nicht nach Afghanistan hätten fliegen müssen: Welche Auswirkungen hat Ihre Gehorsamsverweigerung konkret für diesen auch meiner Ansicht nach gegen die Verfassung verstoßenden Tornado-Einsatz?
Zunächst einmal habe ich lediglich erklärt, mich aus Gewissensgründen nicht an dem ja nicht nur in meinen Augen existierenden Völkerrechts- und Verfassungsbruch zu beteiligen. Nun wird wohl ein anderer Kamerad diesen Auftrag bekommen. Dieser wird dann wohl ebenfalls sein Gewissen prüfen und dann danach handeln müssen.
Inzwischen ist bekannt geworden, dass „die Bundeswehr“ Sie für Ihre Haltung nicht bestraft, sondern dass man das akzeptiert. Wer ist in diesem Fall „die Bundeswehr“? Mit welcher Begründung akzeptierte man Ihre Verweigerung? Und: Haben Sie mit dieser freundlichen Reaktion gerechnet?
Zunächst einmal hat mein zuständiger Disziplinarvorgesetzter entsprechend den rechtlichen Vorgaben, die das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig im Juni 2005 in seinem epochalen Urteil zur Gewissensfreiheit von Soldaten gemacht hat, entschieden, mir eine „gewissensschonende Handlungsalternative“ zur Verfügung zu stellen und mich in eine andere Abteilung des Wehrbereichskommandos abgeordnet. Darüber hinaus wird im Bundesministerium der Verteidigung soweit ich weiß die Begründung meiner Gewissensentscheidung noch weiter geprüft. Diesbezüglich steht das endgültige Ergebnis noch aus. Da ich meine, daß ich mich mit dieser Begründung innerhalb der Vorgaben des Bundesverwaltungsgerichtsurteils bewege, erwarte ich, daß das Verteidigungsministerium meinem Antrag stattgibt.
Ich habe inzwischen eine - von den Medien kaum beachtete - Pressemitteilung der Links-Fraktion im Bundestag veröffentlicht, wonach diese gegen den Tornado-Einsatz Verfassungsbeschwerde einlegt, und zwar in einer weniger alibimäßigen Form als die beiden Unionsabgeordneten, deren Beschwerde im Handumdrehen abgelehnt werden konnte. Geben Sie der Klage der Links-Fraktion, die sich dazu offenbar durch Sie angeregt fühlte, eine bessere Chance? Wenn ja, warum?
Es war eher so, daß meine Gewissensentscheidung zunächst ganz entscheidend von den Einlassungen der Abgeordneten Wimmer und Gauweiler beeinflußt war. Umso mehr fühlte ich mich dann später bestätigt, als ich erfuhr, daß auch die LINKE als Fraktion in Karlsruhe klagen wollte. Wie die Chancen vor dem Bundesverfassungsgericht stehen, läßt sich schwer beurteilen. Auf jeden Fall kann die Klage einer Bundestagsfraktion nicht so leicht vom Tisch gewischt werden.
Gibt es Ihrer Kenntnis nach weitere Soldaten, die den Einsatz in Afghanistan inzwischen verweigert haben?
Darüber habe ich keine Informationen. Allerdings haben einige Reservisten unter Bezugnahme auf die in ihren Augen rechtswidrigen Auslandseinsätze der Bundeswehr mittlerweile nachträglich den Kriegsdienst mit der Waffe insgesamt verweigert.
Sie gehören zum Arbeitskreis Darmstädter Signal. Haben Sie früher schon einmal mit Hinweis auf die Verfassung einen Befehl verweigern müssen?
Nein, da ich bis dato nicht in völkerrechts- oder verfassungswidrige Einsätze direkt verwickelt war, brauchte ich das nicht. Allerdings habe ich mittlerweile selbst eine Verfassungsbeschwerde in Karlsruhe eingelegt. Dabei geht es um die Verletzung meines Grundrechts auf freie Meinungsäußerung im Kontext des völkerrechtswidrigen Aggressionskrieges gegen den Irak, der von der Bundeswehr auf Anordnung der rot-grünen Bundesregierung vorbehaltlos unterstützt worden war.
Arbeitstreffen von Soldaten im Darmstädter Kreis
Fotos: Darmstädter Kreis
Wann und warum sind Sie dem Darmstädter Signal beigetreten? Hatte das Folgen für Sie, und welche? - z.B. für Ihre Karriere? Wissen Sie von negativen Folgen für andere Soldaten?
Dem Arbeitskreis kann man nicht formell beitreten, wohl aber dem Förderverein. Die Soldaten, die sich im Arbeitskreis Darmstädter Signal engagierten, waren durchaus Repressionen seitens des Bundesministeriums der Verteidigung ausgesetzt. Am härtesten wurde gegen die Unterstützer des vom Bundesverfassungsgericht ergangenen sogenannten „Mörder-Urteils“ vorgegangen. Damals wurden auf Geheiß des Verteidigungsministers viele kritische Offiziere degradiert. Erst ein Bundesverfassungsgerichtsurteil hat diesem Spuk ein Ende bereitet. Aber auch heute noch ist es nicht karrierefördernd, wenn Soldatinnen und Soldaten sich in unserem Arbeitskreis engagieren.
Online-Flyer Nr. 87 vom 21.03.2007
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