Korea-Krise aus dem Nichts
Von petrapez | 24.November 2010Mindestens zwei Menschen sterben, Dutzende werden verletzt. Obwohl laut einer lediglich in koreanisch vorliegenden Meldung der einzigen südkoreanischen Nachrichtenagentur Yonhap nordkoreanische Stellen um 08.20 Uhr per Telex beim südkoreanischen Militär eine Einstellung des Feuers verlangen (11), schiesst das unter US-Kommando stehende südkoreanische Militär nach eigenen Angaben (12) von der Hauptinsel Baengnyeong aus Granaten ab – nach Westen, wie es behauptet. Die Insel Yeonpyeong Myeon, auf der später die Granaten aus Nordkorea einschlagen, liegt südöstlich von Baengnyeong und direkt an der Grenze zum Territorium Nordkoreas, was nach internationalem Recht mit den Küstengewässern beginnt.
Die Insel-Gruppe, auf der Südkorea Militärbasen betreibt, liegt kurz vor der nach Ende des Korea-Krieg 1953 vom US-Militär unter UNO-Mandat festgelegten “Northern Limit Line”, die eine Reihe von Inseln direkt vor der nordkoreanischen Küste Südkorea zugeordnet hatte.
Die Hintergründe
Anfang Oktober unterzeichnete die Europäische Union mit Südkorea ein Freihandelsabkommen, rund 90 Prozent der Einfuhren in das Land sind dann ab Sommer 2011 steuerfrei, bis 2016 entfallen die Zölle für fast alle Güter. Südkorea ist seit 1996 Mitglied in der OECD, der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung und somit in die oberste Liga der entwickelten Länder aufgestiegen. Mit China wurden ebenfalls in diesem Jahr zahlreiche Abkommen geschlossen.
Freihandelsabkommen der USA und Japan mit Südkorea befinden sich noch in zähen Verhandlungen. Während des G20-Gipfels ist es dem US-Präsidenten Barack Obama trotz grösster Bemühungen in Seoul nicht gelungen, das erhoffte Freihandelsabkommen der USA mit Südkorea zu einem Abschluss zu bringen.
Militärische Provokationen durch ständige Seemanöver der US-Streitkräfte und der südkoreanischen Armee an den Grenzgewässern
Südkorea führte seit Montag, dem 22.November ein grosses Militärmanöver in der südchinesischen See unter Beteiligung von 70000 Soldaten durch, das nur die Fortsetzung der ständig stattfindenden Seeübungen dieser Art ist.
Inmitten dieser spannungsgeladenen Situation kam es zu Artilleriebeschuss der südkoreanischen Insel durch die nordkoreanische Armee. In einer Stellungnahme KNCA hiess es dazu:
“Südkoreanische Truppen feuerten um 13:00 Uhr in den Hoheitsgewässern der Demokratischen Volksrepublik Korea Dutzende von Granaten ab. Die koreanische Volksarmee reagierte sofort auf die Provokation mit militärischen Massnahmen.”
Presseerklärung im Orginal:
“The Supreme Command of the Korean People’s Army Tuesday released the following communique:
The south Korean puppet group perpetrated such reckless military provocation as firing dozens of shells inside the territorial waters of the DPRK side around Yonphyong Islet in the West Sea of Korea from 13:00 on Nov. 23 despite the repeated warnings of the DPRK while staging the war maneuvers for a war of aggression on it codenamed Hoguk, escalating the tension on the Korean Peninsula.
The above-said military provocation is part of its sinister attempt to defend the brigandish „northern limit line,“ while frequently infiltrating its naval warships into the territorial waters of the DPRK side under the pretext of „intercepting fishing boats.“
The revolutionary armed forces of the DPRK standing guard over the inviolable territorial waters of the country took such decisive military step as reacting to the military provocation of the puppet group with a prompt powerful physical strike.
It is a traditional mode of counter-action of the army of the DPRK to counter the firing of the provocateurs with merciless strikes.
Should the south Korean puppet group dare intrude into the territorial waters of the DPRK even 0.001 mm, the revolutionary armed forces of the DPRK will unhesitatingly continue taking merciless military counter-actions against it.
It should bear in mind the solemn warning of the revolutionary armed forces of the DPRK that they do not make an empty talk.
There is in the West Sea of Korea only the maritime military demarcation line set by the DPRK.
Das südkoreanische Verteidigungsministerium gab an, dass Nordkorea Mörsergranaten auf die Insel in Südkorea abschoss, wodurch es zu zwei Todesfällen und achtzehn Verletzten und zur Auslösung einer militärischen Reaktion kam. (2)
Beide Seiten beschuldigten sich gegenseitig, der provozierende Angreifer zu sein.
Für die Südkoreaner gilt ab sofort Nachrichtensperre und das Verbot von privaten Meldungen über die Ereignisse. Das Büro der Generalstaatsanwaltschaft kündigte an, entsprechend der “Nationalen Sicherheitsgesetze” gegen “Sympathisanten” Nordkoreas vor zu gehen. Das Internet und Textbotschaften (sms, etc) die die Öffentlichkeit “in die Irre führen könnten” würden beobachtet, eingeschlossen Berichte über das Schliessen von Schulen oder den Vorratskauf von Nahrungsmitteln wegen Kriegsgefahr. Die lokalen Staatsanwälte erhielten entsprechende Anweisungen. Zuwiderhandlungen können mit bis zu fünf Jahren Haft oder bis zu 50 Millionen Won geahndet werden.
Die KoreaTimes teilte am heutigen Mittwoch, den 24.November mit, dass die Oberste Staatsanwaltschaft mit der Verfolgung von Personen begonnen hat, die grundlos Nachrichten und Gerüchte über den Vorfall auf der Insel Yeonpyeong in die Welt setzten. Diese Bürger werden wegen des Verstosses gegen das National Security Law, das Nationale Sicherheitsgesetz zur Verbreitung von “Verschwörungstheorien”, die Sympathien für den Norden beinhalten, angeklagt werden. Die Staatsanwaltschaft, Polizei und Sicherheits-Ministerien werden zusammenarbeiten, um Gerüchte auszurotten, die die nationale Sicherheit untergraben könnten, hiess es.
Als Beispiele wurden hierfür die Verhaftung zweier Männer mit der nur allgemeine Bezeichnung “Kim” und “Yun” durch die National Police Agency angegeben, die mit ihren Mobilfunktelefonen per SMS-Nachrichten meldeten, dass alle Reservisten eingezogen werden – angeblich unter dem Namen der Anti-Korruptions- und Bürgerrechte-Kommission bzw. des Ministeriums für Nationale Verteidigung. (3), (7)
Diese “Gerüchte über Gerüchte” bieten ein gefundenes Fressen, Überwachungsmassnahmen gegen die Bevölkerung zu etablieren, die keineswegs in jedem Fall mit der Politik in Seoul einverstanden ist, wie die massiven Proteste Anfang November gegen den G-20 Gipfel, die zahlreichen Demonstrationen gegen die weit verbreitete Korruption und gegen die US-Militärstützpunkte zeigten. (4),(5),(6)
Den grössten Vogel schoss eine Zweigstelle von Reuters ab, die von Gerüchten aus Singapur gehört haben will, dass der nordkoreanische Führer Kim Jong-il tot sei. Die asiatischen Börsenkurse rasselten zur Freude gewisser gewiefter Spekulanten an diesem Tag erwartungsgemäss nach unten – ein Schelm, wer Böses dabei denkt – da sich die Meldung von einem zuverlässigen Medienunternehmen schnell online verbreiten konnte. Hong Sang-Pyo, Sekretär des südkoreanischen Präsidenten sagte dazu: “Das ist nur ein Haufen Klatsch, der von der ausländischen Presse verbreitet wird. Es ist nicht einmal wert, an den Präsidenten darüber eine Berichterstattung zu geben.”
Es gibt einen Haufen übler Leute, die Nutzniesser der gezielten Panikmache sind und kräftig dabei nachgeholfen haben dürften.
Die japanische Regierung ist sehr dienstbeflissen und hat es sehr eilig, ihre Treue gegenüber den USA mit der Schaffung einer speziellen Task Force auszudrücken. Auch zeigt sich an der Entscheidung, innerhalb weniger als 24 Stunden die Aufnahme von Hochschulen für Koreaner in Japan in ein wichtiges Bildungsprogramm zu stoppen, die angeblich Nordkorea nahestehen, Laut dem Bildungsminister Japans ist dies kein Anzeichen für `Strafmassnahmen´ gegen Nordkorea. Yoshito Sengoku sagte: “Aber inmitten der Spannungen auf der koreanischen Halbinsel ist es besser, die Verfahren auszusetzen.” Das wirkt so, als hätte man schon startbereit nur auf einen Anlass gewartet. Laut Planungen sollten schon im nächsten Monat zehn Gymnasien der Pro-Pjöngjang-Gruppe Chongryon zu dem Förderprogramm gehören. (9)
Die neue Runde der Gespräche zu dem nordkoreanischen Atomprogramm stehen an.
Vor einem Jahr gab es eine ähnliche Situation der Spannungen vor derartigen nuklearen Gesprächen. Der US-Sondergesandte der US-Regierung, Stephen Bosworth, war zu dreitägigen erfolgreichen Gesprächen nach Pjöngjang gereist, um die Bereitschaft der Regierung zu Verhandlungen der Sechsergruppe über die Nuklearfrage zu erreichen.
Prompt wurde ein osteuropäisches Transportflugzeug, das angeblich mit nordkoreanischen Waffen beladen in Thailand von Sondereinsatzkräften auf Druck der USA gestürmt und voller Waffen gefunden. Nach ein paar Monaten wurde die Besatzung ohne Prozess im Februar 2010 nach Kasachstan abgeschoben. Die Waffen verleibte sich die thailändische Armee ein. (10), (13)
Düstere Aussichten
Chung Min Lee, ein Experte des südkoreanischen Aussenministeriums im Botschafterrang sagte am 23.November, dass alle Bemühungen seiner Regierung darauf abzielten, eine weitere Eskalation zu verhindern. (14)
Diese Worte sind sofort der Heuchelei überführt worden, denn was gibt es für einen besseren Anlass für weitere Provokationen als die Ankündigung eines neuen Seemanövers direkt an der Seegrenze zu Nordkorea.
Am Sonntag, den 28.November wird zur “Vermeidung weiterer Provokationen” ein weitere Übung bis zum nächsten Mittwoch stattfinden. Der USS Flugzeugträger George Washington mit 75 Kampfjets und 6000 US-Soldaten an Bord hat heute einen Marinestützpunkt südlich von Tokio verlassen und Kurs auf die koreanischen Gewässer genommen. (15)
“Diese Übung ist defensiver Natur”, hiess es aus US-Militärkreisen in Seoul.
Die Betonung auf dem angriffslosen Charakter der Übung ist an dieser Stelle wohl recht überflüssig. Die blosse Anwesenheit der stählernen schwimmende “US-Friedenstaube” ist eine Kriegserklärung und eine weitere Aufforderung an Pjongjang:
“Nun schiesst doch endlich noch einmal, ihr Idioten!”
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20.02.2009 Flottenmanöver und Machtpoker um Clintons Besuch in China
Quellen:
(1) http://diepresse.com/home/wirtschaft/international/610929/Suedkorea_Der-asiatische-Tiger-im-Schatten-Chinas?_vl_backlink=/home/wirtschaft/international/index.do
(2) http://www.ionline.pt/conteudo/90124-pyongyang-diz-que-respondeu-uma-provocacao-da-coreia-do-sul
(3) http://www.koreatimes.co.kr/www/news/nation/2010/11/117_76912.html
(4) http://www.radio-utopie.de/2010/11/08/g20-in-seoul-vierzigtausend-menschen-protestieren/
(5) http://www.radio-utopie.de/2009/06/19/tausende-katholiken-und-buddhisten-demonstrieren-gemeinsam-gegen-die-undemokratische-politik-in-seoul/
(6) http://www.radio-utopie.de/2009/06/11/suedkoreaner-gehen-fuer-mehr-demokratie-in-ihrem-land-auf-die-strasse/
(7) http://english.yonhapnews.co.kr/northkorea/2010/11/24/0401000000AEN20101124010300315.HTML
(8) http://search.japantimes.co.jp/cgi-bin/nn20101124x1.html
(9) http://search.japantimes.co.jp/cgi-bin/nn20101124x1.html
(10) http://www.radio-utopie.de/2010/02/13/in-thailand-verhaftete-flugbesatzung-ohne-prozess-abgeschoben-35-tonnen-waffen-bleiben-im-land/
(11) http://app.yonhapnews.co.kr/YNA/Basic/article/new_search/YIBW_showSearchArticle.aspx?searchpart=article&searchtext=%ED%95%B4%EC%95%88%ED%8F%AC%20%EC%8B%9C%EA%B0%84%EB%8C%80%EB%B3%84&contents_id=AKR20101123266500043
(12) http://www.nytimes.com/interactive/2010/11/23/world/asia/1123-korea.html
(13) Stephen Bosworths Erfolge in Nordkorea und die prompte Sabotage
(14) http://de.reuters.com/article/worldNews/idDEBEE6AM0L120101123
(15) http://www.bbc.co.uk/news/world-asia-pacific-11826832
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