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Menschenrecht als Grundlage

Die Arbeit an diesem Blog bezieht sich auf menschenrechtliche Grundlagen.

-Art. 5 Abs. 1 S. 1 Grundgesetz (Meinungsfreiheit)
-Art. 5 Abs. 1 S. 2 Grundgesetz (Informationsfreiheit)
-Art. 5 Abs. 1 S. 3 Grundgesetz (Pressefreiheit)
-Art. 5 Abs. 1 S. 4 Grundgesetz (Zensurverbot)
-Art. 19 Allgem. Erkl. der Menschenrechte sowie Art. 19 Uno-Zivilpakt (Meinungs- und Informationsfreiheit auch Staatsgrenzen überschreitend)
-Art. 1 von Uno-Resolution 53/144 (schützt das Recht, sich für die Menschenrechte zu engagieren)

Trotzdem sehe ich mich dazu gezwungen, gewisse Kommentare zu überprüfen, und gegebenenfalls nicht zu veröffentlichen. Es sind dies jene, die sich in rassistischer Weise gegen andere Menschen richten - gewalttätige Inhalte enthalten - Beschimpfungen, etc. Derlei Inhalte kann ich nicht damit vereinbaren, dass sich dieses blog für Menschenrechte einsetzt - und zwar ausnahmslos für alle Menschen.

Mein Blog ist ab 18 Jahren, denn ab da kann man voraussetzen, dass der Mensch denkt...

...und ausserdem nicht mehr mit den Umtrieben der Ministerin von der Leyen gegen Websiten in Schwierigkeiten kommt, wenn er einen blog lesen will.

Im Übrigen gilt Folgendes für die verlinkten Seiten:

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Freitag, 26. November 2010

Der Beutetrieb der Regierung





Das Sparpaket hat die Länderkammern und den Bundesrat schon hinter sich gelassen und ist beschlossene Sache.

http://www.jungewelt.de/2010/11-26/003.php

Merkels Raubzug

Hintergrund. Am heutigen Freitag will die Bundesregierung unter dem Titel »Sparpaket« ihre soziale Kürzungsorgie einleiten. Sie treibt damit Prekarisierung, Verarmung und Ausgrenzung weiter voran

Von Michael Klundt
Sozialer Kahlschlag fortgesetzt: Bundesregierung plündert
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Sozialer Kahlschlag fortgesetzt: Bundesregierung plündert Werktätige und Erwerbslose aus
Das nun mit der Mehrheit von CDU/CSU und FDP beschlossene »Sparpaket« der Bundesregierung demonstriert, was Bundeskanzlerin Angela Merkel und ihr Vize Guido Westerwelle von ihrer Bevölkerung auf den unteren Rängen halten. Von Anfang an war klar, daß die Regierung unter »sozial ausgewogen« ein Programm versteht, welches Großverdiener, Banken und Konzerne schont und Erwerbslose, Rentner und Familien belastet. Über die Hälfte aller geplanten Einsparungen bis 2014 (zirka 80 Milliarden Euro) finden sich im Sozialbereich (über 30 Milliarden Euro) und in der Verwaltung (über 13 Milliarden Euro, z.B. durch die Streichung von 10000 Arbeitsplätzen im öffentlichen Dienst sowie Gehaltskürzungen). Mit ihren Haushalts-, Gesundheits- und Hartz-IV-Beschlüssen beschleunigt die Bundesregierung die Verarmungstendenzen und sagt dem im Grundgesetz verankerten Sozialstaatsgebot den Kampf an. Die Kosten der Wirtschafts- und Finanzkrise sollen vor allem die »kleinen Leute« übernehmen. Die Produzenten und Profiteure der Krise bleiben unbelastet. An eine Anhebung des Spitzensteuersatzes, eine Vermögenssteuer, eine wirksame Erbschafts- und Finanzmarktsteuer denkt die Regierung gar nicht erst. Durch den Wegfall der Zuschläge beim Übergang von Arbeitslosengeld (ALG) I zu II fallen Erwerbslose nun direkt auf Hartz-IV-Niveau. Diese Kürzung (um 800 Millionen Euro) macht Beschäftigte und Erwerbslose noch erpreßbarer für Leiharbeit und Niedriglohn. Die Abschaffung jeglicher rentenrechtlichen Absicherung für Langzeiterwerbslose ist ein Programm für noch mehr Altersarmut. Bis 2014 werden dadurch 7,2 Milliarden Euro in der Rentenkasse fehlen. Das Sparen bei Wiedereingliederungsmaßnahmen der Bundesagentur für Arbeit (»Effizienzverbesserungen bei der Arbeitsmarktvermittlung bei SGB II«) in Höhe von etwa 4,5 Milliarden Euro bedeutet, daß es für ältere oder gesundheitlich beeinträchtigte Erwerbslose noch schwerer wird, einen neuen Job zu finden, als bisher. Zudem führen die geplanten 16 Milliarden an Kürzungen im Sozialgesetzbuch (SGB) II und III durch Ersatz von Pflicht- durch Ermessensleistungen zu einer weiteren Einschränkung von Rechtsansprüchen im demokratischen Sozialstaat zugunsten eines verschärften Willkürregimes nach Spardiktat im neoliberalen Wettbewerbsstaat. Mit der Streichung des Heizkostenzuschusses bei Wohngeldbeziehern um 400 Millionen Euro trifft die Regierung außerdem vor allem einkommensschwache Familien und ältere Menschen mit geringen Renten. Schließlich beinhaltet das Sparpaket die vollständige Anrechnung des Elterngeldes auf Leistungen nach dem SGB II und damit dessen faktische Streichung für Familien in Hartz IV. Gemeinsam mit der gesenkten Nettolohnersatzrate von 67 auf 65 Prozent macht das etwa 2,4 Milliarden Euro bis 2014. Der symbolische Betrag von 3,8 Millionen Euro durch die Elterngeldstreichung bei ein paar Reichensteuer zahlenden Spitzenverdienern erscheint dagegen lächerlich und ist auch nicht als Indiz für irgendwelche »Ausgewogenheit« zu werten.

Lobbyismus und Eliten

Die Rahmenbedingungen des bürgerlichen Parlamentarismus lassen sich mit dem britischen Soziologen Colin Crouch immer mehr als Tendenzen zu einer »Postdemokratie« beschreiben. »Während die demokratischen Institutionen formal weiterhin vollkommen intakt sind […], entwickeln sich politische Verfahren und die Regierungen zunehmend in eine Richtung zurück, die typisch war für vordemokratische Zeiten: Der Einfluß privilegierter Eliten nimmt zu […]« (Postdemokratie 2008, S. 13).

Dadurch besteht die Gefahr der »Refeudalisierung«, also des direkten Zugriffs auf politische Macht durch Wirtschaftseliten, Lobbyisten, Anwälte, Werbeagenturen, bezahlte Journalisten, Wissenschaftler etc. Von deren Resultaten sind wir nun in verschiedensten Bereichen der Energie-, Gesundheits-, Renten-, Bildungs- und Arbeitsmarktpolitik betroffen. Eine Regierung, die Pharma-, Atom-, Finanz-, Hotelier- und andere Konzernlobbys hofiert, die von Vermögenssteuern nichts wissen will und die Anhebung des Spitzensteuersatzes sowie der Erbschaftssteuer ablehnt, bedient sich zur Schuldenreduktion beim übrigen Teil der Bevölkerung. Und dort läßt sich immer noch eine Menge kürzen und privatisieren, wie auch die sogenannte »Gesundheitsreform« von Philipp Rösler (FDP) zeigt. Natürlich ist das Ganze dann auch keine Kürzung nach Kassenlage, wie uns der Verweis auf die (selbstverordnete) neoliberale Schuldenbremse weismachen soll. Die fortgesetzte Subventionierung energieintensiver Unternehmen bei der Ökosteuer und der exportbasierte »Aufschwung XXL« (Wirtschaftsminister Rainer Brüderle) entlarven die Streichorgien zu einer gezielten Maßnahme nach Klassenlage.

Deren sozial polarisierende Folgen sind keine versehentlichen Auswirkungen oder Kollateralschäden, sondern Konsequenzen des neoliberalen Projektes »Ungleichheit« mit einem breiten Niedriglohnsektor und der Prekarisierung der Arbeit. Daß diese Maßnahmen allerdings genau die beschriebenen sozialen Einschnitte zur Folge haben sollten, hatten nicht nur deren Verfechter in den Medien bereits vorher unmißverständlich deutlich gemacht. So hatte der Redakteur des Stern Hans-Ulrich Jörges von Hartz IV genau jene Lohndumping- und Entrechtungsdynamik gefordert, welche heute allerorten sichtbar ist: »Kein Arbeitsloser kann künftig noch den Anspruch erheben, in seinem erlernten Beruf wieder Beschäftigung zu finden, er muß bewegt werden, den Job nach überschaubarer Frist zu wechseln – und weniger zu verdienen. Die Kürzung des Arbeitslosengeldes, die Absenkung der Arbeitslosenhilfe auf Sozialhilfeniveau verfolgen exakt diesen Zweck. Und: Sozialhilfeempfänger müssen unter Androhung der Verelendung zu Arbeit gezwungen werden.« (Stern vom 11.9.2003) Neoliberale Kapitalherrschaft durch Angst vor Verelendung war und ist demnach ein bewußt eingesetztes gesellschaftspolitisches Konzept.

Armuts- und Reichtumsproduktion

Zum sozioökonomischen Kontext gehört auch die Wirtschafts- und Finanzpolitik seit der Jahrtausendwende, welche zu einer gigantischen Umverteilung von unten nach oben geführt hat. Die Bundesregierungen haben seitdem bewußt die Finanzmarktspekulation steuerlich gegenüber realwirtschaftlichen Investitionen privilegiert und dereguliert. Gleichzeitig haben Rot-Grün und die große Koalition den Spitzensteuersatz und die Unternehmenssteuern gesenkt, was Schwarz-Gelb nun verschärft fortsetzt. Durch ihre Steuerreformen haben sie nicht nur die Spitzeneinkommen, Gewinne und Vermögen radikal entlastet, sondern auch den Bund, die Länder und Kommunen weitgehend verarmen lassen. Die schwarz-rote Bundesregierung hat die Mehrwertsteuer erhöht, was insbesondere Menschen mit geringen Einkommen belastet. Rot-Grün und Schwarz-Rot förderten mit ihrer Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik Lohndumping, Niedriglöhne und gesetzlich verordnete Armut (bei den Kindern in Hartz IV hat dies nun sogar das Bundesverfassungsgericht erkennen müssen). Durch ihre Renten- und Gesundheitsreformen haben sie die Alterssicherung und Leistungen der Krankenversicherung teilprivatisiert (Riesterrente, Praxis- und Rezeptgebühren). Armut hat sich so verbreitert, und insbesondere die Kinderarmut nahm zu. Wer das ausblendet und sich auf Krokodilstränen hinsichtlich armer Kinder beschränkt, versteht nicht, wieso es zu einer Verbreiterung der Armut und Spaltung der Gesellschaft gekommen ist.

Die klassenspezifischen Folgen dieser neoliberalen Politik sind schon seit Jahren kein großes Geheimnis mehr: Laut Angaben des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) sind in Deutschland etwa 14 Prozent der Bevölkerung oder 11,5 Millionen Menschen von relativer Einkommensarmut bedroht. Vor allem Haushalte mit Kindern und jungen Erwachsenen sind davon betroffen, während Alleinerziehende mit minderjährigen Kindern bei über 40 Prozent weit überdurchschnittliche Armutsrisiken aufweisen (DIW-Wochenbericht Nr. 7/2010). Mehr als ein Viertel aller Erwachsenen (27 Prozent) verfügen über keinerlei persönliches Vermögen oder waren sogar verschuldet. »Die unteren 70 Prozent besitzen nur neun Prozent des Gesamtvermögens, dagegen verfügt das reichste Zehntel der Bevölkerung über mehr als 60 Prozent des Gesamtvermögens von 6,6 Billionen Euro. Diese Kluft hat sich seit 2002 deutlich vergrößert.« (Frankfurter Rundschau vom 21.1.2009) Während also der real existierende Reichtum eine enorme Steigerung erfahren hat, kommen viele Forscher zu dem besorgniserregenden Ergebnis, daß die Armut insbesondere von Kindern und Familien in den letzten Jahren auf fast 20 Prozent angestiegen ist. Sie schlage sich inzwischen auch schon bei Grundschülern als Zukunftsängste vor Erwerbslosigkeit und Perspektivlosigkeit nieder.

Selbst eine Studie der erzkonservativen Konrad-Adenauer-Stiftung sieht Deutschland »auf dem Weg in eine neue Art von Klassengesellschaft« (Eltern unter Druck 2008, S. 8). Die ungleiche Verteilung der Vermögen wird zukünftig durch den Generationenzusammenhang sogar noch weiter verschärft, da mit der Zunahme der Erbschaften sich auch die sozialen Gegensätze vergrößern werden. Denn Personen aus höheren Bildungsschichten, die in der Regel schon selbst höhere soziale Positionen erreichen, erben höher als Personen mit niedrigerem Bildungsstand. Darüber hinaus heiraten wohlhabende Menschen in der Regel auch innerhalb der gleichen Schicht, sodaß Reichtum noch einmal konzentrierter vorkommt. Umgekehrt geht es bei der aktuellen Armut nicht um die (individuellen) Verlierer eines naturwüchsigen Modernisierungsprozesses, wie technokratische Sichtweisen unterstellen. Statt dessen »spitzen sich hierin soziale Klassengegensätze zu« (WSI-Mitteilungen 11/2005, S.616). Die noch von dem sozialliberalen Historiker Hans-Ulrich Wehler wegen ihres Verschweigens von sozialen Unterschieden belächelte »verschämte Klassengesellschaft« BRD (Die Zeit vom 23.11.2006) wandelt sich derweil immer mehr zu einer unverschämten.

Privatisierung und Prekarisierung

Zur vorangetriebenen Privatisierung aller gesellschaftlichen Bereiche und sozialen Risiken gesellt sich das expandierende Phänomen der Prekarisierung, welches als eine allgemeine Verunsicherung und Umwälzung aller Arbeits- und Lebensverhältnisse der Lohnabhängigen zu verstehen ist. Der sich darin ausdrückende Formwandel vom fordistischen Sozialstaats- zum neoliberalen Finanzmarktkapitalismus führt zur Entkopplung der bislang weitgehenden Verknüpfung von Lohnarbeit und sozialer Sicherheit (Robert Castel, »Die neue soziale Frage«, in: Frankfurter Rundschau vom 3.9.2001). Die prekarisierenden Folgen dieser Umgestaltung des Status der arbeitenden Bevölkerung begriff schon der Soziologe Pierre Bourdieu nicht nur als funktionalen Strukturwandel, sondern als strategisches Klassenprojekt: »Die Prekarität ist Teil einer neuartigen Herrschaftsform, die auf der Errichtung einer zum allgemeinen Dauerzustand gewordenen Unsicherheit fußt und das Ziel hat, die Arbeitnehmer (…) zur Hinnahme ihrer Ausbeutung zu zwingen« (Gegenfeuer, Konstanz 1998, S. 100).

Armut und Reichtum sind zudem als »Pol und Gegenpol der kapitalistischen Produktion« eines in sich widersprüchlichen Ganzen zu verstehen. »Die Akkumulation von Reichtum auf dem einen Pol ist zugleich Akkumulation von Elend, Arbeitsqual, Sklaverei, Unwissenheit, Brutalisierung und moralischer Degradation auf dem Gegenpol, d.h. auf Seiten der Klasse, die ihr eigenes Produkt als Kapital produziert« (MEW 23, S. 725/675). Daß dies im gegebenen Wirtschafts- und Gesellschaftssystem gar nicht anders sein kann, es also ohne Armut nun einmal nicht gehen könne, wird zuweilen auch in Leitartikeln liberalkonservativer Medien hervorgehoben (vgl. Ohne Armut geht es nicht, in: Die Welt vom 3.7.2004). Darum müßte kritische Armuts- und Reichtumsforschung auch über bloße Umverteilungsforderungen hinausweisen und soziale Emanzipation jenseits des Klassenverhältnisses thematisieren.

Hetze gegen »Unterschichten«

Das neoliberale Projekt und (sozial-)rassistische Ungleichheitsideologien gehören zusammen und finden im »Sparpaket« sowie den Hartz-IV-Maßnahmen der Regierung ihren Ausdruck. Vergleicht man die Regierungspraxis mit der sozialrassistischen Argumentation des ehemaligen Berliner Finanzsenators und Bundesbankvorstands Thilo Sarrazin oder des Bremer Wissenschaftlers Gunnar Heinsohn, so werden eigentümliche Parallelen sichtbar. Es war nämlich ein großer Irrtum zu glauben, daß die ökonomischen, politischen, wissenschaftlichen und medialen Eliten nach dem von ihnen beförderten Wirtschafts- und Finanzdesaster der letzten Jahre nunmehr etwas zurückhaltender sein würden. Das Gegenteil ist der Fall: Unterschichtsverunglimpfung gegen »spätrömische Dekadenz« (Guido Westerwelle) verbindet sich mit unqualifizierten Beschimpfungen des Sozialstaates. Derweil prügeln Sarrazin und der Berlin-Neuköllner SPD-Bürgermeister Heinz Buschkowsky seit Jahren für die kleinbürgerlichen Boulevard-Medien verbal auf die »asoziale« Unterschicht der »Säufer« und »Kopftuchmädchen«-Produzenten ein.

Wissenschaftler wie Gunnar Heinsohn unterstellen indessen, daß Armut ausschließlich durch das Vermehrungsverhalten armer Menschen verursacht sei. Diese würden Kinder als Geldanlage produzieren, was Heinsohn, wenn nicht verbieten, so zumindest unterbinden will, indem Sozialleistungen auf insgesamt fünf Jahre begrenzt würden. Er schreibt allen Ernstes in der FAZ vom 16.März 2010: »Solange die Regierung das Recht auf Kinder als Recht auf beliebig viel öffentlich zu finanzierenden Nachwuchs auslegt, werden Frauen der Unterschicht ihre Schwangerschaften als Kapital ansehen« (FAZ vom 16.3.2010). Da Kinder aus bildungsfernen Schichten für Heinsohn praktisch qua Geburt grundsätzlich zu den »Niedrigleistern« gehören, naturgemäß als Frauen »durch Vermehrung nach Einkommen streben« und als Männer, zumal mit Migrationshintergrund, einzig und allein kriminell vorstellbar sind, erklärt er sie auch gleich noch für beinahe lebensunwert. »Ungeborene können niemandem einen Baseballschläger über den Kopf ziehen, aber sie können auch von niemandem erniedrigt oder beleidigt werden« (Die Welt vom 9.2.2010). An dieser volksverhetzenden Propaganda wird ganz gut deutlich, daß man Menschen am besten ideologisch zunächst ihre Würde nimmt, um ihnen danach auch ihre sozialen Rechte streitig zu machen. Deshalb ist es auch nur konsequent, wenn Heinsohn in sozialeugenischer Manier nicht nur gegen Elterngeld für Hartz-IV-Beziehende wettert (»Sonderprämien, wenn sie ihre risikoreiche und pädagogisch ungünstige Existenz auf weitere Neugeborene ausdehnen« FAZ vom 25.6.2010). Auch hetzt er gegen erwerbslose Mütter mit erfundenen Zahlen (»eine solche Mutter kostet bis zum fünfzigsten Lebensjahr 415000 Euro«) und gegen Ausländer, die ihren Mitbürgern »auf der Tasche liegen oder von hochbezahlten Integrationsarbeitern begleitet werden müssen«. In seinem biologistischen Menschenbild sind sowohl der Intelligenzquotient als auch der Schulabbruch bereits am Tage der Geburt anhand der sozialen Herkunft eines Kindes festgelegt. Deshalb kann sich Heinsohn auch die mangelhaften Bildungschancen von Migrantenkindern in Deutschland nicht mit strukturellen Problemen im dreigliedrigen Bildungssystem erklären, sondern nur folgendermaßen: »Schon die Eltern unserer Einwanderungskinder waren schlecht in der Schule« (ebd.). Ähnlich erläutert Sarrazin Behinderungen und Mißerfolge von muslimischen Kindern im deutschen Schulsystem lieber mit vorausgegangener »Inzucht«. Statt selektiver Bildungsstruktur und jahrzehntelanger Ausgrenzung seien vielmehr »Erbfaktoren für das Versagen von Teilen der türkischen Bevölkerung im deutschen Schulsystem verantwortlich« (Sarrazin, Deutschland schafft sich ab, München 2010, S. 316).

Die neoliberalen Protagonisten und Medien scheint nicht zu interessieren, daß sich diese sozial­rassistischen Einstellungen fundamental gegen den Geist und Gehalt des Grundgesetzes richten (mindestens Art. 1 und 20 GG). Dabei handelt es sich um eine moderne Form des akademischen (Sozial-)Rassismus, dessen Ideologie in Menschen jeglicher Religion oder Hautfarbe aus der Unterschicht eine Art Unterrasse von ewigen »Niedrigleistern« erblickt und umgekehrt beruflich erfolgreiche Menschen jeglicher Hautfarbe und Religion als eine Art Oberrasse der geborenen »Leistungsträger« begreift. Seine sozialeugenische Note erhält dieses Denken auch durch den FDP-Politiker Daniel Bahr, der in schlicht bevölkerungspolitischer Weise behauptete: »In Deutschland kriegen die Falschen die Kinder. Es ist falsch, daß in diesem Land nur die sozial Schwachen die Kinder kriegen« (Tagesschau.de vom 24.1.2005). Der französische Soziologe Pierre Bourdieu bezeichnete solche Ideologien auch als »Klassenrassismus«, der es den Herrschenden seit Jahrhunderten möglich mache, sich selbst fern jeglicher Grundlage als Wesen höherer Art und Wertigkeit zu begreifen und die von ihnen Beherrschten als »dummes Pack« anzusehen (Wie die Kultur zum Bauern kommt, Hamburg 2001, S. 147).

Rückgriff auf rassistische Ideologien

Betrachten wir nun noch mal die vollständige Streichung des Elterngeldes für Familien, die Arbeitslosengeld II beziehen: Erhielten sie bis 2006 noch 24 Monate 300 Euro Erziehungsgeld, so bekamen sie seit der Einführung des Elterngeldes 2007 nur 12 bis 14 Monate 300 Euro. Mit dieser Kürzung konnte der Höchstbetrag für besserverdienende Eltern auf bis zu 1800 Euro angehoben werden. Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom Februar 2010 sollten bis zum Ende des Jahres die Regelsätze, insbesondere bei Kindern, bedarfsgerecht berechnet werden, wobei nicht nur das physische, sondern auch das soziokulturelle Existenzminimum gewährleistet werden muß. In dieser Situation entscheidet die Bundesregierung, daß eine erwerbslose Familie im ersten Lebensjahr ihres Kindes pro Monat 300 Euro weniger als bisher erhält. So muß sich die Bundesregierung den Vorwurf gefallen lassen, daß sie mit dieser Maßnahme Kriterien negativer sozialer Eugenik übernimmt, wonach die Armen sich nicht vermehren sollen. Die zentrale Funktion dieser Argumentationen besteht somit einerseits in der Ausblendung realer Herrschafts- und Machtstrukturen sowie andererseits in der Legitimation von Privilegien und sozialer (Macht-)Ungleichheit. Beide Aspekte sind zwei Seiten einer Medaille, die von der Bundesregierung praktisch umgesetzt werden. Die Thesen Heinsohns und Sarrazins wären demnach bloß als Aufforderungen zu verstehen, die bereits real exististierende, vorherrschende politische Praxis gegenüber instrumentell überflüssig gemachten Menschen mit oder ohne Migrationshintergrund zu verschärfen. Dadurch werden erwerbstätige Arme gegen arme Erwerbslose ausgespielt und aufgehetzt sowie eine Politik der sozialen Spaltung verschleiert.

Deshalb ist auch weniger der notorische Sozial­rassismus Sarrazins das Problem, als die vielen heimlichen und offenen Unterstützer seiner Hetzreden in den Eliten von Medien, Wissenschaft, Politik und Wirtschaft. In einer Phase ungeheuerlicher sozialer Spaltungen glaubt ein nicht unerheblicher Teil der bürgerlichen Eliten offensichtlich, daß zur Rettung bzw. Herstellung neoliberaler Verhältnisse und zur kapitalistischen Krisenregulation (im Zweifelsfalle) auch auf (sozial-)rassistische Ideologien und Maßnahmen zurückgegriffen werden sollte. Für sie hat die demokratisch-kapitalistische Herrschaftsform anscheinend mal wieder ausgedient und es ist Zeit für autoritäre, rassistische Antworten auf die kapitalistische Krise1. Ähnliches entdeckte auch der Philosoph Hauke Brunkhorst: »Das Ressentiment ist auf der anderen Seite, es ist bei jenen, die von einer blinden Globalisierung nach oben gespült wurden – bei der neuen, transnational herrschenden Klasse. Diese Klasse regiert weitgehend am demokratischen Gesetzgebungsprozeß vorbei, und sie vereinigt Exekutivspitzen, Wirtschaftsführer, Finanz- und Rechtsexperten sowie die hochdotierten Fernsehjournalisten und das Talk-Management zu einer netzwerkartig organisierten Klasse, während die großen Zeitungen ebenso wie die Parlamente in Bedeutungslosigkeit zu versinken drohen. Nur der Absturz der Weltwirtschaft konnte die Selbstsicherheit dieser Klasse für einen Moment erschüttern« (Die Zeit vom 10.12.2009).Eine solche Erschütterung gelingt jedoch nur, wenn sich die Lohnabhängigen aller Länder nicht gegeneinander ausspielen lassen.

Polarisierung der Einkommen

Wer die Zerklüftung der Gesellschaft in Arm und Reich reduzieren will, kommt zu deren Finanzierung an einer Vermögenssteuer, einer gerechten Erbschaftssteuer, einer Finanzmarktsteuer und einem angehobenen Spitzensteuersatz nicht vorbei. Denn ein sich selbst arm machender Staat kann Armut nicht bekämpfen. Die gegenwärtige Weltwirtschafts- und Finanzkrise läßt sich nicht nur auf »Gier«, »das System« sowie die Deregulierung der Finanzmärkte und die Privatisierung weiter gesellschaftlicher Bereiche zurückführen. Zentraler Ausgangspunkt dieser Krise ist die in den letzten Jahrzehnten enorm gestiegene Polarisierung der Einkommen und Vermögen zwischen Arm und Reich, welche u.a. über die Steuerpolitik öffentliche Armut begünstigte, Massennachfrage hemmte und bis dahin ungeahnte Summen auf die Finanzmärkte trieb. Der zwischenzeitliche deutsche Aufschwung verdankt sich einerseits enormer Lohneinbußen bei den Beschäftigten und keynesianischer Konjunkturprogramme. Auf der internationalen Ebene lebt der deutsche Exportüberschuß vor allem von den US-amerikanischen und chinesischen Konjunkturprogrammen sowie von der enormen Verschuldung der USA und der deutschen EU-Nachbarn. Sollte nicht schnellstmöglich die Binnenkonjunktur in Deutschland anspringen (und dies hätte ja eine Stärkung der Masseneinkommen, also dem Gegenteil des »Sparpaketes«, zur Voraussetzung), so wäre der Aufschwung nur auf Sand gebaut.

1 vgl. Studie zu Rechtsextremismus. »Westerwelle hat Sarrazin den Weg bereitet«. Interview: Islamfeindlichkeit und der Wunsch nach einem »Führer«: Sozialpsychologe Oliver Decker über wuchernde rechtsextreme Ansichten und unterschwelligen »Rassismus« bei Horst Seehofer, in: Süddeutsche.de vom 14.10.2010

Michael Klundt ist Professor für Kinderpolitik am Fachbereich für Angewandte Humanwissenschaften der Hochschule Magdeburg-Stendal. Vom Autor erschien zuletzt: Von der sozialen zur Generationengerechtigkeit? Polarisierte Lebenslagen und ihre Deutung in Wissenschaft, Politik und Medien, VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden 2008
 
 

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