Enthüllung brisanter Kriegsdokumente
Die Afghanistan-Protokolle
Von Matthias Gebauer, John Goetz, Hans Hoyng, Susanne Koelbl, Marcel Rosenbach und Gregor Peter Schmitz
Das gab es noch nie: Fast 92.000 US-Dokumente über den Afghanistan-Krieg sind an die Öffentlichkeit gelangt. SPIEGEL, "New York Times" und "Guardian" haben die überwiegend geheimen Papiere analysiert. Sie enthüllen die wahre Dimension des westlichen Militäreinsatzes - und Probleme der Bundeswehr.
Der Londoner "Guardian", die "New York Times" und der SPIEGEL haben das Material gründlich geprüft und mit unabhängigen Berichten verglichen. Alle drei Medien sind übereinstimmend zu dem Ergebnis gekommen, dass die Dokumente authentisch sind und ein ungefiltertes Bild des Krieges bieten - aus Sicht der Soldaten, die ihn kämpfen.
Die Dokumente datieren zwischen dem 1. Januar 2004 und dem 31. Dezember 2009. Einige sind so brisant, dass sie mit dem Vermerk versehen sind, sie den afghanischen Regierungsstellen vorzuenthalten.
Es sind Meldungen der Truppen aus dem laufenden Gefecht, kurz zusammengefasst und unmittelbar weitergeleitet. Überwiegend berichten Feldwebel, auch mal ein Leutnant im Gefechtsstand oder rangniedere Analysten beim Militärgeheimdienst.
Die Dokumente werden zu einer Zeit bekannt, in der auch in den USA der Ruf nach dem Abzug der Truppen immer lauter wird. In der vergangenen Woche haben sich die Vertreter von mehr als 70 Staaten und Organisationen in Kabul zur Afghanistan-Konferenz getroffen. Sie bekundeten Präsident Hamid Karzai ihre Zuversicht, sein Land werde bis 2014 in der Lage sein, die Sicherheit durch eigene Soldaten und Polizisten zu garantieren.
Düsteres Bild fast neun Jahre nach Kriegsbeginn
Doch solch zur Schau getragener Optimismus klingt zynisch angesichts der Schilderungen in den geheimen Dokumenten. Diese zeichnen fast neun Jahre nach Kriegsbeginn ein düsteres Bild. Sie beschreiben gerade die afghanischen Sicherheitskräfte als hilflose Opfer der Anschläge durch Taliban. Sie vermitteln einen zwiespältigen Eindruck von den Drohneneinsätzen, jener amerikanischen Wunderwaffe, die durchaus verwundbar ist.
Sie zeigen auch, dass der Krieg im Norden des Landes, wo die deutschen Truppen stationiert sind, immer bedrohlicher wird. Die Zahl der Warnungen vor Taliban-Anschlägen hat sich dort im vorigen Jahr drastisch erhöht - angeheizt von den Hintermännern dieses Kriegs, den Strippenziehern in Pakistan.
Die Dokumente sind ein Fenster zum Krieg in Afghanistan. Wer sich künftig über ihn informieren will, wird ohne dieses Logbuch nicht mehr auskommen.
Das Weiße Haus hat bis zum Redaktionsschluss der SPIEGEL-Druckausgabe eine Stellungnahme verweigert, trotz wiederholter Anfragen. Am Samstagabend schickte es schließlich schriftliche Antworten auf ausgewählte inhaltliche Fragen - lehnte ein Interview jedoch weiterhin ab.
Mehr erfahren:
http://www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,708311,00.html
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen