Am vergangenen Freitag hat der Bundesrat den Entwurf der Gesundheitsreform durchgewunken. „Bei den Verhandlungen zur Gesundheitsreform hat im Regierungslager ein Klima geherrscht, das einer stummen Kriegsführung gegen die eigene Bevölkerung gleicht“, erklären Helga Ebel, Sprecherin der Landesarbeitgemeinschaft Gesundheit und Soziales, und Dr. Thomas König, gesundheitspolitischer Sprecher des Landesvorstandes der LINKEN in NRW. „Bedient werden die Interessen der schwarz-gelben Klientel: der Pharma- und Gesundheitsindustrie, Ärzteschaft, Versicherungsgesellschaften, etc. Nach „Hartz IV“ für die Erwerbslosen und der Riesterrente sowie der „Rente erst ab 67“ droht nun der unwiderrufliche Systembruch auch in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV)“, führen die beiden weiter aus.
Die Bundesregierung erhöht die Krankenkassenbeiträge zu Jahresbeginn 2011 von 14,9 auf 15,5 Prozent, je 0,3 Prozent für Arbeitnehmer und Arbeitgeber. Doch damit soll der Arbeitgeberanteil (ab 1. Januar 2011 7,3 Prozent) für immer eingefroren ein. Der Anteil, den die abhängig Beschäftigten bezahlen, steigt weiter. Außerdem müssen die Erwerbstätigen auch noch pauschale Zusatzbeiträge zahlen, die völlig unabhängig vom Einkommen erhoben werden. Das ist der Einstieg in ein Finanzierungssystem, die Kopfpauschale, in das beispielsweise eine Filialleitung genauso viel einzahlt wie eine Reinigungskraft.
Nach Plänen des Bundesgesundheitsministers Philipp Rösler (FDP) sollen gesetzlich Versicherte zukünftig auch noch ihre Behandlung beim Arzt gleich selbst bezahlen und sich das Geld danach von ihrer Kasse erstatten lassen. Der Arzt rechnet dann nach privatärztlicher Gebührenordnung ab, die Krankenkasse darf aber nur den gesetzlich festgelegten Betrag rückerstatten. Vorkasse beim Arzt bedeutet also: Patienten zahlen drauf.Diese Gesundheitsreform wird dem medizinisch-pharmazeutischen Komplex, der Ärzteschaft, den Versicherungsunternehmen und anderen Profiteuren weitere Gewinne auf Kosten der abhängig Beschäftigten, Erwerbslosen sowie Rentnerinnen und Rentner einbringen.
Während die Beschäftigten fast jährlich höhere Beiträge zahlen und durch die Krise immer weniger real in der Tasche haben, zahlen die Zocker und Spekulanten, die die Finanzmarktkrise verursacht haben, keinen Cent in die Krankenkassen ein. Gewinne aus Aktien und andere Kapitaleinkünfte werden nicht zur Finanzierung der Gesundheitsversorgung herangezogen.
Im Gegenteil, der boomende Gesundheitsmarkt mit der Aussicht auf hohe Rendite scheint nun auch die Vorstände der gesetzlichen Krankenkassen in Goldrausch zu versetzen.
Der radikale Kurswechsel der Gesundheitspolitik kam erst vor kurzem an die Öffentlichkeit. Durch ein undurchsichtiges, von der Pharmaindustrie mitgeschriebenes gesetzliches Machwerk hat es die Merkel-Regierung unter Federführung ihres Gesundheitsministers Rösler (FDP), Cheflobbyist des Großkapitals, der Pharmaindustrie und privaten Krankenversicherung ermöglicht, noch weiter zu gehen:
Mit dem Gesetz zur Neuordnung des Arzneimittelmarktes (AMNOG) ermöglicht die Bundesregierung, dass ab dem 1. Januar 2011 Pharmaunternehmen sogar direkt mit den Krankenkassen Versorgungsverträge abschließen können. Grundlage des neuen Versorgungsangebotes ist die integrierte Versorgung nach § 140b SGB V. In Zukunft können gewinnorientierte Unternehmen, die im Unterschied zu Ärzten nicht an eine Berufsordnung gebunden sind, die Behandlung von kranken Menschen direkt mit gestalten. Die AOK in Niedersachsen hat bereits einen solchen Vertrag abgeschlossen, bei dem das Versorgungsmanagement und die „Budgetverantwortung“ in Händen der Pharmaindustrie liegen.
Zu der bestehenden Schieflage bei der Finanzierung zu Lasten der Mehrheit der Bevölkerung müssen wir jetzt auch noch verhindern, dass unsere Versichertenbeiträge an der Börse verzockt beziehungsweise Versicherte zum Spekulationskapital werden.
„Der Pharmaindustrie und den privaten Versicherungsunternehmen darf nicht die Gesundheitspolitik überlassen werden! Das ist ein Pulverfass, aus dem nichts Gutes zu erwarten ist!“ so Ebel und König.
Deshalb muss es dringend einen radikalen Kurswechsel in der Gesundheitspolitik geben. Der Staat muss seiner Aufsichtspflicht und Verantwortung bei der Sicherheitsüberwachung von Medizinprodukten und der Patientensicherheit in der Versorgung nachkommen.
DIE LINKE fordert ein demokratisches Gesundheitssystem bestehend aus einer solidarischen Kranken- und Pflegeversicherung, in die alle gemäß ihrer Finanzkraft einzahlen, wobei alle Einkommensarten berücksichtigt werden, und einer Öffentlichen Gesundheitsversorgung.
Dafür kämpfen wir mit den Gewerkschaften und anderen sozialen Bewegungen sowie mit allen Menschen, die nicht zulassen wollen, dass diese Politik uns alle weiter krank macht.
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