Einerseits wollen die Menschen in Deutschland keine Kriege, - wollen, dass die Bundeswehr aus Afghanistan so rasch wie möglich wieder heimkehrt,- wollen, dass es wieder eine Armee zu Hause sein soll, wie früher...
Andererseits verehrten Viele einen Kriegsminister der genau das Gegenteil von allem diesem vorhatte. Die BILD-Geeichten frassen ihm aus der Hand, und vermutlich war auch genau dies der Sinn seines Seins, unter einigen anderen Nützlichkeiten.
Die Bundeswehr als Pflichtarmee auflösen --- das hatten die meisten Deutschen, die das auch wollten, anders bedacht, als es nun umgesetzt werden soll. Dass Guttenberg viel bei den kriegführenden Soldaten war,- dass er ihnen beistehen wolle,- das alles ist schön und gut...
Aber, diese Soldaten sind im Krieg für jene Politik, die er vertritt, die er zu machen und umzusetzen hat.
Welche Politik das ist erfährt man nur, wenn man auch da zuhört, wo es nicht nur Show ist.
http://le-bohemien.net/2011/03/02/freiherr-und-kriegsfurst/
Freiherr und Kriegsfürst
Guttenberg ist gescheitert – nicht aber die Idee seiner Reform
Von Sebastian MüllerDie aktuell heiß entflammte Diskussion um Guttenberg lenkt von grundlegenden politischen Entwicklungen im Ressort des Ex-Verteidigungsministers ab. Während ganz Deutschland um die Plagiatsaffäre debattiert, wird der Blick auf das Wesentliche verschleiert: Den bedenklichen Umbau der Bundeswehr von einer Verteidigungs- zu einer Interventionsarmee.
Die Nachdenkseiten griffen jüngst den Gedanken auf, dass Guttenberg vor allem deshalb von Merkel im Amt gehalten wurde, weil vor allem er es schaffte, den Krieg als eine akzeptable Möglichkeit zur Durchsetzung wirtschaftlicher Interessen erscheinen zu lassen. Der ehemalige Bundespräsident Horst Köhler musste zurücktreten, weil er offen über diese Absicht redete. Guttenberg wurde gehalten um die Bundeswehr zu einer Interventionsarmee zu reformieren, und musste erst über seine zusammengeklaute Doktorarbeit stolpern.
Diese These kann sich bei näherer Betrachtung nur erhärten. Die „Umstellung der Bundeswehr auf eine Söldnerarmee“ (NDS) ist genau dem Umstand geschuldet, professionell militärisch intervenieren zu können. Die deutsche Presse thematisiert diesen verfassungsrechtlich höchst fragwürdigen Umstand genauso wenig, wie auch die Opposition diese wichtige Frage nicht ausreichend aufgreift. Auch Guttenberg selbst verzichtete in Gänze auf eine sicherheitspolitische Begründung „seiner“ Reform. Wäre man gänzlich unbefangen, könnte man fraglos jenes Argument entgegensetzen, dass die von der Bundesregierung eingesetzte Strukturkommission postuliert: „Durch den Wegfall einer massiven unmittelbaren militärischen Bedrohung kann die Wehrpflicht in der heutigen Form sicherheitspolitisch nicht mehr gerechtfertigt werden.“ Diese Einschätzung kommt jedoch verdächtig spät. Bereits der konservative Verfassungsjurist und ehemalige Bundespräsident Roman Herzog teilte sie schon vor 15 Jahren.
Die Liste sicherheitspolitischer Argumente in der Reformdebatte ist damit aber bereits erschöpft. Die tatsächlichen Erwägungen folgen einer anderen Logik. „Vom Einsatz her denken“ überschreibt die Strukturkommission ihren Abschlussbericht. Und der Ex-Verteidigungsminister sekundierte noch im November 2010: „Messlatte für uns alle und bei allen Entscheidungen muss der Einsatz sein.“ Worum es dabei geht, verdeutlicht Reinhard Mutz, Experte für Friedensforschung und Sicherheitspolitik, mit einem Zahlenbeispiel. Gegenwärtig könne die Bundeswehr aus einem Mannschaftsbestand von 250 000 Soldaten ganze 7000 gleichzeitig für Auslandseinsätze aufbieten. Diese Relation wird als Ärgernis empfunden. Die Strukturkommission will laut Mutz aus einer auf 180 000 Dienstleistende gestreckten Personaldecke 15 000 zeitgleich entsendbare Einsatzkräfte gewinnen.
Mehr Kampfkraft, mehr Waffenwirkung bei weniger Personal zu niedrigeren Kosten, lautet das Credo der Einsatzoptimierung. Für die Umsetzung braucht es nichts weiter als betriebswirtschaftliche Rationalisierung und Effizienzsteigerung, das Mantra aller Reformen. Dabei werden die sicherheitspolitische Zielsetzung und die militärische Mittelwahl kurzerhand entkoppelt. So umgeht man beispielsweise die berechtigte Frage nach der Erfolgsbilanz bisheriger Auslandseinsätze. Es zeichnet sich aber deutlich ab, dass den laufenden Einsätzen in Afrika und Nahost weitere folgen sollen. Darauf soll sich eine „moderne“ Bundeswehr einzustellen. In den Worten Guttenbergs: „Denken vom Einsatz her heißt, auch künftige, bisher nicht auf der Tagesordnung stehende Einsätze in möglichst vielen Facetten vorauszudenken: ressortübergreifend, multinational, mit Blick auf die dann benötigten Fähigkeiten.“
Das Ziel Guttenbergs war also die Aushebung einer schlagkräftigen, spezialisierten und professionalisierten Eingreiftruppe, die für den flexiblen Einsatz in Krisengebieten verwendbar ist. Dieser Umbau zur Interventionsarmee, der – es muss wiederholt werden – nicht ohne den Bruch mit verfassungsrechtlichen Schranken zu realisieren ist, liegt nicht zuletzt im Interesse der USA. Das mithilfe von der Rot-Grünen Koalition zustande gekommene Engagement der Bundeswehr und der NATO im Kosovo Krieg war weder vom Selbstverteidigungsrecht noch von einem Auftrag des Sicherheitsrats gedeckt und der erste wichtige Schritt zum Einsatz der Bundeswehr out of area, also außerhalb des NATO-Bereichs. Afghanistan war ein weiterer Schritt. An Guttenberg sollte festgehalten werden, um die weiteren Schritte vorzubereiten.
Dabei stellt sich jedoch die Frage, warum ausgerechnet Guttenberg offensichtlich so sehr als Schlüsselfigur für diese Reform gesehen wurde. Die Antwort könnte in seiner Mitgliedschaft ausgewählter, karrierefördernder Kaderschmieden zu finden sein. Dazu gehören interessengleitete Denkfabriken wie die Atlantik-Brücke und die Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) in Berlin, die auch unter German Council on Foreign Relations firmiert, was ihre abhängige Verwandtschaft zum entsprechenden US-amerikanischen Einflussgremium „CFR“ verdeutlicht. Die DGAP ist eine direkte Schwesterorganisation des CFR. Beide Institutionen haben die Funktion, ideologisch geschultes Führungspersonal in die höchsten politischen Ämter zu transferieren.
Über den Council on Foreign Relations (CFR) ist bereits einiges bekannt. Und gerade ein Aspekt kann nur schwer in Zweifel gezogen werden: dass es sich bei dieser Gesellschaft, die zu Beginn der 20er Jahre von Geschäftsleuten mit dem Ziel des Ausbaus internationaler Geschäftsverbindungen gegründet wurde, um ein äußerst einflussreiches Gremium handelt. Die finanziell hochbetuchten Kreise, die den CFR unterhalten, haben eine klare Vorstellung davon, wie die Welt nach ihrem Wunsch und Willen gestaltet werden soll. Diese Vorstellungen überschneiden sich streckenweise mit neoliberalen, neokonservativen oder US-amerikanischen geostrategischen Interessen, kommen aber nie hundertprozentig mit diesen zur Deckung, denn es handelt sich um Interessen „sui generis.“ Der amerikanische Politologe William Domhoff bezeichnete das CFR als „das entscheidende Verbindungsglied zwischen den großen Konzernen und der Regierung“ und stellte fest, dass „die Wichtigkeit dieser Vereinigung für das Verständnis der Grundmotive und der Grundlinien amerikanischer Weltpolitik kaum hoch genug veranschlagt werden kann“.
Der CFR unterhält ein von David Rockefeller bezahltes Denkfabrikprogramm, dass sich in drei Zentren unterteilt: Das Center für Präventivaktionen, das Greenberg Center für geoökonomische Studien und das Zentrum für universale Erziehung. Aus diesem einschlägigen Pool sorgfältig ausgebildeter Nachwuchsdarsteller für die Bühne der (Außen-)Politik entsendet der CFR seine Favoriten immer wieder direkt in die amerikanische Politik. Ziel dieses Netzwerkes ist es nicht zuletzt, amerikanische Interessen als im Prinzip deckungsgleich mit den Interessen der Deutschen und Europäer zu definieren. Guttenbergs Mitgliedschaft in der DGAP und die darüber entstandenen Kontakte könnten also entscheidend für seine umstandslose Inkorporierung in den Auswärtigen Ausschuss des Deutschen Bundestages von 2005 bis 2008 gewesen sein (als jüngstes Mitglied), der nur formal ein Beratungsgremium, aber faktisch ein Entscheidungsgremium für die Außenpolitik ist. Über den genauen Zeitpunkt seiner Aufnahme in die DGAP ist nichts zu eruieren, sie ist wahrscheinlich schon vor seinem Bundestagsmandat 2002 erfolgt.
Die auf den ersten Blick schwer nachvollziehbare Nibelungentreue zu seiner Person könnte Guttenberg also gerade seiner „Durchhaltefähigkeit“ und seiner internationalen und ideologischen Einbindung verdanken. Mit anderen Worten, Guttenberg dürfte für die Bundesregierung bzw. die Amerikaner deshalb so wichtig gewesen sein, weil er im Gegensatz zu Politikern wie Peter Gauweiler ein direkter Vertreter der transatlantischen Interessensgemeinschaft ist. Die auf dem Völkerrecht basierende Verteidigungsdoktrin der Bundeswehr soll in ihrem Sinne auf dem Altar ökonomisch-transatlantischer Interessen geopfert werden, die sich hinter Parolen wie „den Krieg gegen den internationalen Terrorismus“ verstecken. Anders ausgedrückt: „Heute wird unsere Sicherheit unter anderem ja durch internationalen Terrorismus, regionale Instabilitäten, organisierte Kriminalität, Piraterie und die hohe Verwundbarkeit unserer Handelswege gefährdet“, wie Guttenbergs in seiner Eröffnungsrede auf dem 9. Europäischen Sicherheits- und Verteidigungskongress in Berlin verlauten ließ.
Desweiteren erklärte deutsche Politstar bis heute gänzlich ungeschoren, dass „Schwellenländer wie China, Indien oder auch Indonesien (…) die Durchsetzung nationaler Interessen als Selbstverständlichkeit“ betrachten. Guttenberg unterstrich weiter, der Bedarf dieser aufstrebenden Mächte an Rohstoffen steige ständig und trete damit „zunehmend mit unseren Bedürfnissen in Konkurrenz. Dies kann zu neuen Spannungen, Krisen und Konflikten führen“. Darauf müsse Sicherheitspolitik eine Antwort finden.
Wohlgemerkt, Horst Köhler musste aufgrund ähnlicher Sätze seinen Hut nehmen. Guttenberg ist es dagegen gelungen, das vom Bundeswehroberst Klein befohlene Massaker von Kundus dazu zu nutzen, rhetorisch in die Offensive zu kommen. Dabei ist die Rolle der flankierenden Berichterstattung von Bild und Spiegel nicht zu unterschätzen, die Guttenberg half, missliebige Mitarbeiter aus seinem Ministerium zu entfernen und die friedliebende Öffentlichkeit Stück für Stück an eben jene unbequeme Wahrheit heranzuführen, dass deutsche Soldaten in Afghanistan einen schmutzigen Krieg führen. Das ist im übrigen ein weiterer Aspekt, der ihn für die Schwarz-Gelbe Bundesregierung trotz der Plagiatsaffäre so unverzichtbar machte.
Wer an all dem Zweifel hat, sollte die amtliche Lesart des Sicherheitsweißbuch der Bundesregierung zur Kenntnis nehmen. Danach sollen deutsche Soldaten in erster Linie weder äußere Gefahren abwenden oder das Land verteidigen, noch überhaupt eine im engeren Sinn sicherheitspolitische Funktion wahrnehmen. An der Spitze ihres Aufgabenkatalogs steht eine scheinbar neuartige Zielsetzung: die Gewährleistung der außenpolitischen Handlungsfähigkeit Deutschlands. Was aber ist das anderes als ein Neusprech für handfeste Interessenspolitik, abgesichert durch militärische Schlagkraft – ganz nach US-amerikanischen Vorbild? In diesem Zusammenhang ist die Aussage des amerikanischen Verteidigungsministers Robert Gates vor Offiziersanwärtern in Washington bezeichnend: „Die Entmilitarisierung Europas hat sich zum Hindernis für Sicherheit und dauerhaften Frieden im 21. Jahrhundert entwickelt.“
Guttenbergs Rücktritt wird den Umbau der Streitkräfte wohl möglicherweise ins Stocken geraten lassen, langfristig aber nicht stoppen was die Spatzen schon von den Dächern pfeifen: die Zukunft von Wirtschaftskriegen mit deutscher Beteiligung ist mehr als eine bloße Dystopie. Mit der Mahnung, „Auslandseinsätze müssten für die Bundeswehr künftig zur Selbstverständlichkeit werden“, hatte der Minister Guttenberg den Kurs bereits justiert.
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