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Menschenrecht als Grundlage

Die Arbeit an diesem Blog bezieht sich auf menschenrechtliche Grundlagen.

-Art. 5 Abs. 1 S. 1 Grundgesetz (Meinungsfreiheit)
-Art. 5 Abs. 1 S. 2 Grundgesetz (Informationsfreiheit)
-Art. 5 Abs. 1 S. 3 Grundgesetz (Pressefreiheit)
-Art. 5 Abs. 1 S. 4 Grundgesetz (Zensurverbot)
-Art. 19 Allgem. Erkl. der Menschenrechte sowie Art. 19 Uno-Zivilpakt (Meinungs- und Informationsfreiheit auch Staatsgrenzen überschreitend)
-Art. 1 von Uno-Resolution 53/144 (schützt das Recht, sich für die Menschenrechte zu engagieren)

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Freitag, 1. Oktober 2010

Stadtpark des Grauens vor dem Bahnhof des himmlischen Friedens...




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Der Bahnhof des himmlischen Friedens

geschrieben am 01. Oktober 2010 von Spiegelfechter
Was soll man einem Kind über Demokratie und den Rechtsstaat erzählen, das bei einer angemeldeten Schülerdemonstration von grotesk martialisch uniformierten Polizisten mit Tränengas, Schlagstöcken und Wasserwerfern malträtiert wird? Welchen Wert hat das Verhältnismäßigkeitsprinzip überhaupt, wenn es von einer zu allem entschlossenen Politikerkaste nach eigenem Gutdünken verbogen wird? Worin unterscheidet sich eigentlich die Stuttgarter Landesregierung, die Kinder von „Robocops“ zusammenschlagen lässt, von einem Herrn Putin, der seine OMON-Truppen auf Demonstranten hetzt? Mit der gestrigen Eskalation der Staatsgewalt im Stuttgarter Schlosspark hat der baden-württembergische Ministerpräsident Stefan Mappus ein unrühmliches Stück deutscher Nachkriegsgeschichte geschrieben – mit dem Blut von Kindern und Greisen, die Demokratie leben wollten.
Welche Mittel darf der Staat anwenden, um seine Entscheidungen durchzusetzen? Prinzipiell darf der Staat jedes Mittel anwenden, er ist jedoch auch dazu verpflichtet, seine Mittel an der Verhältnismäßigkeit auszurichten. Es ist aber nicht verhältnismäßig, wenn man bis an die Zähne bewaffnete Polizeihundertschaften mit brutalster Gewalt auf Schüler hetzt. Natürlich haben die Verantwortlichen Recht, wenn sie als Verteidigung vorbringen, die betroffenen Schüler hätten schließlich eine Ordnungswidrigkeit begangen, als sie einen Polizeilaster, der Sperrgitter transportierte, „besetzt haben“.



Das Prinzip der Verhältnismäßigkeit besagt aber, dass die Staatsgewalt erst dann zu einer härteren Maßnahme greifen darf, wenn kein milderes Mittel zur Verfügung steht, das in gleicher (oder sogar besserer) Weise geeignet ist, den Zweck zu erreichen, aber den Betroffenen weniger belastet. Ein Staat, der Kinder niederknüppeln lässt, tritt das rechtsstaatliche Prinzip der Verhältnismäßigkeit allerdings mit Füßen. Was sich gestern in Stuttgart abspielte, hat mit einem Rechtsstaat nicht mehr viel zu tun.
Doch eine formaljuristische und politikwissenschaftliche Betrachtung der Ereignisse verfehlt in gewisser Weise den Kern der eigentlichen Problematik. Wie ist die öffentliche Wirkung der gestrigen Geschehnisse? Auf der einen Seite sah man eine Art basisdemokratischen „Volkssturm“ – 12.000 Demonstranten, viele davon Greise und Jünglinge, unbewaffnet, friedlich, politisch engagiert. Ihre Motivation war und ist eine hehre – in Zeiten der angeblichen Politikverdrossenheit stellten sie sich einem Abrisskommando in den Weg, das mit dem Fällen von Bäumen Fakten für die Unumkehrbarkeit eines milliardenschweren Infrastrukturprojekts schaffen sollte, das lokal und regional von der Mehrheit abgelehnt wird. Auf der anderen Seite sah man die Staatsmacht in ihrer hässlichsten Form – grotesk martialische Einsatzkräfte, die mit äußerster Gewalt den Willen der Volksvertreter gegen das eigene Volk durchzusetzen hatten. Dies ist weiß Gott keine Konstellation, die einem PR-Verantwortlichen im Dienste der Landespolitik gefallen könnte. Mehr noch – dies ist ein Kampf, den der Staat nur verlieren kann, selbst wenn er sein Ziel vordergründig erreicht.
Doch welches Ziel kann und soll eine parlamentarische Demokratie haben? Stuttgart 21 ist ein Projekt, das von den Repräsentanten des Volkes ordnungsgemäß beschlossen wurde. Doch die Basis dieser Legitimation hat sich mit der Zeit dramatisch geändert. Je mehr Informationen, die eigentlich unter den Teppich gekehrt werden sollten, ans Licht kamen*, desto stärker wurde der Widerstand gegen das Projekt. Eine ideale Demokratie ist eine lebendige Demokratie. Selbst wenn beispielsweise der Familienrat den Vorschlag des Familienvaters mehrheitlich unterstützt, am nächsten Tag mit der Familie einen Spaziergang zu unternehmen, so wäre es zumindest unklug, an diesem Vorhaben festzuhalten, wenn sich das Wetter am nächsten Tag massiv verschlechtert. Besteht der Vater dennoch auf dem Familienspaziergang, so könnte man ihn als borniert beschreiben. Treibt er seine widerwilligen Kinder mit einem Schlagstock aus dem Haus, so versündigt er sich nicht nur an der moralischen Legitimation als Familienoberhaupt, sondern führt das Prinzip eines Familienrats ad absurdum. Nur Dummköpfe können der Meinung sein, dass ein Entschluss unabänderlich ist, wenn sich die Grundvoraussetzungen ändern. Landesvater Mappus ist nicht nur borniert, er ist auch ein gewalttätiger Dummkopf, wenn er seinen Willen mit Gewalt gegen das Volk durchsetzen will. Er hat das Prinzip der Demokratie ad absurdum geführt und müsste in einer besseren Welt zurücktreten. Natürlich wird er dies nicht tun, die Chancen, dass er im nächsten Frühjahr in seinem Amt bestätigt wird, sind jedoch spätestens seit gestern gen Null gesunken.
Wir leben in Zeiten, in denen die Bürger sowohl der Politik als auch dem Staat immer weniger vertrauen. Bornierte Dummköpfe tragen nicht dazu bei, dass sich daran etwas ändern wird – im Gegenteil. Da wirkt es schon beinahe grotesk, dass die Kanzlerin sich – ohne Not – in Nibelungentreue an den schwarzen Fürsten aus dem Süden kettet. Durch ihre öffentlich demonstrierte Rückendeckung wird aus dem regionalen Fanal ein Politikum, das die gesamte politische Diskussion verändert. In welchem Staat wollen wir leben? Sicherlich nicht im Merkel-Mappus-Staat, in dem der Staat bar jeder Vernunft alten Männern die Augen ausschlägt und Kinder verdrischt. Angela Merkel hat die Chance vertan, sich im letzten Moment zu retten, ihr oft zitierter politischer Instinkt scheint ihr mittlerweile abhanden gekommen zu sein. Damit dürften auch ihre Tage als Kanzlerin gezählt sein. Wenn die eiserne Kanzlerin künftig mit erhobenem Zeigefinger Richtung Moskau oder Teheran zeigt, wird man ihr Stuttgart vorhalten können. Wer sein eigenes Haus mit dem Stahlbesen kehrt, kann vom Nachbarn auch nicht verlangen, sein Haus mit dem Mikrofasertuch zu putzen.



Stuttgart 21 ist mehr als ein Fanal, es ist die Bankrotterklärung der repräsentativen Demokratie. Dort, wo der Wille des Volkes durch die Macht der Waffen unterdrückt wird, ist kein Hort der Demokratie, sondern ein Abgrund der Repression. Wenn es die repräsentative Demokratie nicht schafft, das Vertrauen des Volkes zurückzugewinnen, droht dem Land eine neue Ära des bürgerlichen Widerstands. Es gab immer Demonstrationen von Minderheiten, die mit Gewalt niedergeschlagen wurden. In Stuttgart ist es allerdings das Bürgertum, die Mittelschicht, die sich gegen einen bornierten Staat stellt, der offenbar bis zum Äußersten geht, um seinen Willen durchzusetzen. Alle Staatsmacht geht vom Volke aus? Welche Bedeutung hat dieser Satz am heutigen Tag? Die politischen Eliten sollten in sich gehen und einmal darüber nachdenken. Noch haben sie Zeit, die Demokratie zu retten, indem sie dafür sorgen, dass die Demokratie wieder mehr ist als ein hohles Wort. Doch die Zeit läuft ab, und wer meint, die Entwicklungen aussitzen zu können, wird früher oder später vom Volk hinweggefegt. Man sollte die Geschichte nicht durch einen Mangel an Phantasie beleidigen.
Jens Berger

Wer MP Mappus und Innenminister Rech zum Rücktritt auffordern will, der kann dies über den Mailer von Campact tun! Nur zu!
Zum Thema: Felix Neumann: Ohnmacht, Wut und repräsentative Demokratie
Stefan Sasse: Proteste gegen S21 eskalieren – was sind die Folgen?
* Über die Hintergründe werde ich in der nächsten Woche einen Artikel verfassen

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