Liebe Soldaten in Afghanistan.
Heute möchte ich mir mal kurz Zeit nehmen, um Euch ein paar Zeilen zu schreiben. Mit Kummer habe ich zur Kenntnis genommen, das ihr Eure Arbeit am Hindukusch nicht ernst genommen fühlt, ihr denkt, niemand zu Hause denkt an Euch.
Das stimmt nicht.
Ich denke oft an Euch.
Auch beklagt ihr, das niemand die Gefahren richtig einschätzt, denen ihr ausgesetzt seid und das deshalb so ein kleiner Oberst der Presse zum Fraß vorgeworfen wird.
Aber auch da irrt ihr, denn ich denke, ich kann diese Gefahren richtig einschätzen. Ich schätze mal, das ist so lebensgefährlich da drüben, das Euch oft der Arsch auf Grundeis geht.
Trotzdem irrt ihr, wenn ihr meint, ich hätte nur einen Funken Verständnis für das, was ihr da tut. Da geht es mir wie vielen anderen in diesem Land. Wir haben andere Probleme, Weihnachten steht vor der Tür, eine Riesenwirtschaftskrise tobt durchs Land, unsere sozialen Strukturen sind bedroht - da können wir uns
um die Einzelschicksale einiger Abenteuerurlauber nicht auch noch kümmern.
Die Staatskasse ist leer und jeder tote afghanische Zivilist, den ihr uns beschehrt, erhöht die Chance, das wir zu Hause ebenfalls Tote zu beklagen haben, die wir ohne eure Abenteuer nicht hätten. Möglicherweise kommen bald ein paar Taliban auf die Idee, die Freiheit des Hindukusch in Deutschland verteidigen zu müssen - so ein Gedanke müßte uns allen ja verständlich sein, oder?
Es gibt dort unten keine Freiheit, die man verteidigen müßte. Das habt ihr sicher auch schon gemerkt.
Es gibt dort unten nur ein paar Soldaten in einem fremden Land, die sich tagtäglich mehr Feinde machen, weil sie dort überhaupt nichts verloren haben. Keine deutschen Touristen sind in Gefahr, keine deutsche Botschaft wurde gestürmt, kein deutsches Unternehmen angegriffen.
Es gibt dort nur ein paar Amerikaner, die meinen, das vielleicht eventuell von dort aus ein Anschlag gegen die USA geführt wurde. Und auch dies kann gelogen sein. Das Geld kam auf jeden Fall aus Pakistan, die vermeintlichen Attentäter sowieso aus Saudi-Arabien.
Und überhaupt - ihr seid nicht nur Soldaten, zu deren Geschäft halt das erschossen werden gehört, ihr seid auch noch freiwillig da. Was sollen also die Klagen? Wofür meint ihr, vom deutschen Volk noch Beifall bekommen zu müssen? Welche würdigen Heldentaten sollte man dort vollbringen können, die Beifall wert wären? Ich würde gerne Beifall spenden - doch mir fällt kein Nutzen ein, den Eure Anwesenheit dort unten hätte.
Wenn ihr eure Eltern, eure Nachbarn, eure Lehrer und Pfarrer gefragt hättet - die Mehrheit hätte Euch wohl geraten: bleibt zu Hause.
Die Amerikaner werden bald gehen. Dann werden die Taliban schnell wieder Herrscher des Landes sein, weil die Warlords des Nordens zu schwach sind, die Herrschaft an sich zu reißen. Und was man von denen so hört: da kann man nur froh sein, das sie zu schwach sind.
Wieviele Leben unbescholtener afghanischer Bürger habt ihr denn vor den bösen Taliban bislang gerettet ... und wie steht das im Verhältnis zu "versehentlich" getöteten Zivilisten?
Wieviel Beweismaterial ist Euch in die Hände gefallen, das von Afghanistan aus Anschläge in den USA geplant worden waren? Hierzulande gibt es viele - wie auch in den USA - die trauen der offiziellen Version immer weniger. Möglicherweise seid ihr wegen einer Lüge dort unten. Ließe sich das mit Eurem Gewissen vereinbaren?
Wo sind konkrete Beweise, das die afghanischen Taliben Anschläge auf Eure Heimat geplant haben? Weiß überhaupt jemand von denen, wo die BRD überhaupt liegt?
Hierzulande weiß auf jeden Fall kaum jemand, warum ihr eigentlich da unten so kopflos herumlatscht. Man kann nur vermuten, das es Euch irgendwie Spaß macht. Andere buchen lieber Cluburlaub. Aber Afghanistan bekommt man ja gut bezahlt, habe ich mir sagen lassen.
Nun, in Zeiten der strukturellen Massenarbeitslosigkeit treibt es - wie üblich in solchen Zeiten - manch einen in die Arme der Armee, der normalerweise nie dort gelandet wäre. So etwas sollte man natürlich im Vorfeld ausschließen ... aber man kann nach deutschem Recht den Kriegsdienst jederzeit aus Gewissensgründen verweigern.
Es ist schlimm wenn Kameraden das Leben verlieren, mit denen man Tags zuvor noch einen getrunken hat.
Wir kennen das - wir haben hier "Straßenverkehr", der an manchen Tagen mehr Opfer fordert als eure ganze Expedition in den Jahren, die ihr dort unten seid.
Meine Empfehlung an Euch: wenn Euch da unten wirklich irgendetwas stört ... oder wenn ihr Eure Arbeit nicht genügend gewürdigt seht: kommt doch bitte nach Hause. Ihr seid hier herzlich willkommen.
Und je früher ihr kommt, umso weniger müssen wir für psychiologische Betreuung der Kriegsheimkehrer ausgeben. Das würde hier alle freuen, denn unser Geld ist knapp.
Also, hört auf zu Klagen, denkt mal drüber nach, warum ihr eigentlich wirklich in der Situation seid, über die ihr Euch so bitter beschwert und kommt endlich nach Hause.
Wir warten auf Euch.
Alle.