Im Dreck
Sonntag, 13. Dezember 2009
In der Unterschicht, dort wo das karge Leben in fleckiger und dreckiger Blüte steht, wird das Dasein nicht zu knapp zur Kette. Eine Kette, die an der Existenz hält, die das Enteilen aus misslichen und betrüblichen Zuständen vorenthält. Das Leben wird zum bedrückenden Angekettetsein, zum Unverlassbaren - beharrlich liegt zuviel Dasein in der Luft, erschlägt einen die wuchtige Unabänderbarkeit der notdürftigen Existenz. Existieren als Bürde, nicht als Gnade. In der Unterschicht, wo das Leben brummt, brummt vor Sorge und Not, sich grämt vor Zukunftsangst und Unsicherheit, sich übergibt vor Druck und Ausgrenzung, dort ist Leben eine Serie ineinandergefügter Glieder, schier undurchtrennbar, stählern im Widerstand.
Ganz unten, in der Gosse, wo in maroden Wohnungen und engen Gemächern gehaust wird, wo selbst unbefristete Arbeitsverträge nicht länger als sechs Monate Geltung haben, wo Arbeitsvermittler zu alten Bekannten emporsteigen, entkommt man der Bürde des Atmens nicht. Die Gosse, heute mehr als Kloake, viel mehr als Mulde und Rinne. Sie zeigt sich in ruinierten Haushalten, in Wohnverhältnissen der untersten Sorte, in Lebensentwürfen, die niemand freiwillig für sich entworfen hat, die ihm jedoch entworfen wurden. In der Gosse, dort wo das Leben nach Angst stinkt, nach Hetze von denen, die Hochdruckreiniger als probates Mittel der Gossenspülung einzusetzen gedenken, wo Scheiße und Kotze gleich neben Erwerbslosen und Ausländern was gelten, in dieser Gosse wird zwar emsig gelebt aber sich simultan gegen die Fessel dieses Daseins kaum mehr aufgelehnt.
Im Abgrund, aus dem die Kacke nach oben dampft, in dem die Scheiße immer dann am Brodeln ist, wenn dem Untermenschen, dem Gammler, neue Widrigkeiten begegnen, läßt es sich effizienter sterben denn leben. Hält eine kostenintensive und zermürbende Krankheit Einzug, stehen überraschende Unkosten ins Haus, neigt sich zwei Wochen vor Monatsende das Lebensmittelgeld dem Tode zu, so wird das Leben zum Krebs. Im Schlund der Unterschicht atmet es sich streng. Hier hechelt man, japst man, röchelt man. Immer in Bedrückung, anhaltend in Verfolgung, sich unaufhörlich über die Schultern spionierend. Wer jagt mich heute? Wer scheucht die Trampel und Blödiane gegen mich, meine Nichtigkeit, meine Lethargie, meine Besitzlosigkeit, meinen ausländischen Akzent? Wer heftet mir augenblicklich einen sechseckigen Stern an die Brust und sei es nur mit geringschätzigen Blicken oder abfälligen Worten?
Ins Bodenlose fallend, wo Furcht und Knappheit wie Reichtümer sich stapeln, wo der Boden kein fester Grund, sondern ein stets enteilendes Fundament ist, sind Beschaulichkeit und Erholung exotische und rare Tierarten. Das Herz pumpt quälend, der Kopf spult mühselig. Man ist seiner Tage leid, gäbe sie liebend gerne wie einen verbrauchten und verschlissenen Mantel ab, würfe sie mit Freuden davon, wie ein Kondom mit abgefülltem Reservoir. Die Existenz bleibt jene Last, jene Bürde, jenes Unternehmen, jener Mantel, jenes Reservoir, das man nie und nimmer verlassen kann. Ganz unten, in den Schluchten der Gesellschaft, in den Straßenschluchten sozialer Brennpunkte, gestaltet sich die Neuanschaffung eines Mantels zum persönlichen Katastrophenfall, zum Weltuntergang, zum unüberwindbaren Hindernis. Ohne Mantel, doch die löchrigen Taschen voller Spott von denen, die Mäntel für ihre Mäntel kaufen, kündigt sich die Apathie an. Die Welt wird einem zu einer beschissenen Zirkusnummer, zum höllischen Ort voll Beschissenheit, gefüllt mit beschissenen Wesen oberhalb des Untens. Beschissene Wesen, die einem deuten, dass nicht die gesellschaftliche Kluft an der Lebensfreude hindert, sondern die Schlaffheit, die Leistungsverweigerung, der Suff, das Sprachdefizit. Man nistet sich ins ungemachte Bett, tagein tagaus ungemacht und unausgeschüttelt, tagein tagaus mit derselben Bettwäsche behaftet, entflieht im Dunst aus Schweiß und Schlummer in Traumwelten. Traumwelten, die nur ein ödes Abbild der beschissenen Welt abgeben, billige Kopie vor geschlossenen Augenlidern sind. Traumwelten in vertrauter Beschissenheit, nur zwergenhafter als das Original, harmloser weil verschwommen und schemenhaft, doch ebenso nach Pest und Geschwür stinkend.
Erst als Bodensatz des Übermenschentums vermag man es, die menschliche Existenz in ihrer Einzigartigkeit zu erfassen. Einzigartig als Kette, als Bürde, als langsam versprühtes Gift. Unter der Oberfläche der ästhetischen Gesellschaft rumort das wahre, das hässliche, das scheußliche Leben. Das Leben als Notbringer und Leidensschenker, Leben als Quälgeist und Dämon, Leben als Pott voller Scheiße und Eiter. Wem derart Leben widerfährt, berichtet später vom wirklichen, vom schäbigen Leben. Ein Leben fern des Urlaubs und des Sonnenscheins, fern von Gejammere über gekappte Bonusgratifikationen und einbehaltenes vierzehntes Jahresgehalt, fern von Konsumplausch und Preisgeschachere. Im Matsch der feinen Leute, im bürgerlichen Dünnschiss, unter den Ärschen jener Gestalten, in der Unterschicht also, vollzieht sich Leben als Elend, als Schmerz. Des einen Würde setzt des anderen Bürde voraus. Der Dreck ist die Grundlage der Sauberen...
Ganz unten, in der Gosse, wo in maroden Wohnungen und engen Gemächern gehaust wird, wo selbst unbefristete Arbeitsverträge nicht länger als sechs Monate Geltung haben, wo Arbeitsvermittler zu alten Bekannten emporsteigen, entkommt man der Bürde des Atmens nicht. Die Gosse, heute mehr als Kloake, viel mehr als Mulde und Rinne. Sie zeigt sich in ruinierten Haushalten, in Wohnverhältnissen der untersten Sorte, in Lebensentwürfen, die niemand freiwillig für sich entworfen hat, die ihm jedoch entworfen wurden. In der Gosse, dort wo das Leben nach Angst stinkt, nach Hetze von denen, die Hochdruckreiniger als probates Mittel der Gossenspülung einzusetzen gedenken, wo Scheiße und Kotze gleich neben Erwerbslosen und Ausländern was gelten, in dieser Gosse wird zwar emsig gelebt aber sich simultan gegen die Fessel dieses Daseins kaum mehr aufgelehnt.
Im Abgrund, aus dem die Kacke nach oben dampft, in dem die Scheiße immer dann am Brodeln ist, wenn dem Untermenschen, dem Gammler, neue Widrigkeiten begegnen, läßt es sich effizienter sterben denn leben. Hält eine kostenintensive und zermürbende Krankheit Einzug, stehen überraschende Unkosten ins Haus, neigt sich zwei Wochen vor Monatsende das Lebensmittelgeld dem Tode zu, so wird das Leben zum Krebs. Im Schlund der Unterschicht atmet es sich streng. Hier hechelt man, japst man, röchelt man. Immer in Bedrückung, anhaltend in Verfolgung, sich unaufhörlich über die Schultern spionierend. Wer jagt mich heute? Wer scheucht die Trampel und Blödiane gegen mich, meine Nichtigkeit, meine Lethargie, meine Besitzlosigkeit, meinen ausländischen Akzent? Wer heftet mir augenblicklich einen sechseckigen Stern an die Brust und sei es nur mit geringschätzigen Blicken oder abfälligen Worten?
Ins Bodenlose fallend, wo Furcht und Knappheit wie Reichtümer sich stapeln, wo der Boden kein fester Grund, sondern ein stets enteilendes Fundament ist, sind Beschaulichkeit und Erholung exotische und rare Tierarten. Das Herz pumpt quälend, der Kopf spult mühselig. Man ist seiner Tage leid, gäbe sie liebend gerne wie einen verbrauchten und verschlissenen Mantel ab, würfe sie mit Freuden davon, wie ein Kondom mit abgefülltem Reservoir. Die Existenz bleibt jene Last, jene Bürde, jenes Unternehmen, jener Mantel, jenes Reservoir, das man nie und nimmer verlassen kann. Ganz unten, in den Schluchten der Gesellschaft, in den Straßenschluchten sozialer Brennpunkte, gestaltet sich die Neuanschaffung eines Mantels zum persönlichen Katastrophenfall, zum Weltuntergang, zum unüberwindbaren Hindernis. Ohne Mantel, doch die löchrigen Taschen voller Spott von denen, die Mäntel für ihre Mäntel kaufen, kündigt sich die Apathie an. Die Welt wird einem zu einer beschissenen Zirkusnummer, zum höllischen Ort voll Beschissenheit, gefüllt mit beschissenen Wesen oberhalb des Untens. Beschissene Wesen, die einem deuten, dass nicht die gesellschaftliche Kluft an der Lebensfreude hindert, sondern die Schlaffheit, die Leistungsverweigerung, der Suff, das Sprachdefizit. Man nistet sich ins ungemachte Bett, tagein tagaus ungemacht und unausgeschüttelt, tagein tagaus mit derselben Bettwäsche behaftet, entflieht im Dunst aus Schweiß und Schlummer in Traumwelten. Traumwelten, die nur ein ödes Abbild der beschissenen Welt abgeben, billige Kopie vor geschlossenen Augenlidern sind. Traumwelten in vertrauter Beschissenheit, nur zwergenhafter als das Original, harmloser weil verschwommen und schemenhaft, doch ebenso nach Pest und Geschwür stinkend.
Erst als Bodensatz des Übermenschentums vermag man es, die menschliche Existenz in ihrer Einzigartigkeit zu erfassen. Einzigartig als Kette, als Bürde, als langsam versprühtes Gift. Unter der Oberfläche der ästhetischen Gesellschaft rumort das wahre, das hässliche, das scheußliche Leben. Das Leben als Notbringer und Leidensschenker, Leben als Quälgeist und Dämon, Leben als Pott voller Scheiße und Eiter. Wem derart Leben widerfährt, berichtet später vom wirklichen, vom schäbigen Leben. Ein Leben fern des Urlaubs und des Sonnenscheins, fern von Gejammere über gekappte Bonusgratifikationen und einbehaltenes vierzehntes Jahresgehalt, fern von Konsumplausch und Preisgeschachere. Im Matsch der feinen Leute, im bürgerlichen Dünnschiss, unter den Ärschen jener Gestalten, in der Unterschicht also, vollzieht sich Leben als Elend, als Schmerz. Des einen Würde setzt des anderen Bürde voraus. Der Dreck ist die Grundlage der Sauberen...
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