Seit gestern wissen wir es. Obama hat es gesehen: Das Böse. Es ist da. Bedroht die Menschheit. Uns alle.
Zeit, sich mal darum zu kümmern.
Man kann es sich einfach machen und sagen: das Böse gibt es nicht. Man kann auch einfach sagen: das Böse ist das Gegenteil vom Guten, das weiß doch jeder. Oder man flüchtet sich panisch in den Relativismus und sagt: das Böse ist für jeden was anderes. Man kann auch zu Religionen jeder Art Zuflucht nehmen.
Bringt uns politisch alles nicht weiter. Um dem allem eine Bremse vorzuschieben, haben wir die allgemeinen Menschenrechte entworfen - auch und gerade unter dem Eindruck der Konzentrationslager. So nach dem Motto: das ist jetzt erstmal gut und darüber wird auch nicht mehr diskutiert. Denn wenn wir damit anfangen, landen wir wieder in Auschwitz - und das darf nie wieder geschehen.
Hintenherum wird den allgemeinen Menschenrechten schon lange wieder das Wasser abgegraben. Ganz offiziell, weil kaum noch einer die Zusammenhänge im Alltag präsent hat.
Man liest wirklich solche Sätze: "Wieviel Sozialstaat können wir uns leisten?"
Hinter der Frage steckt - rein logisch - der Wunsch nach Vernichtungslagern. Allerdings muß man weiter denken, als man es gewöhnlich heutzutage in der Schule nahegebracht bekommt. 1949 hätte es sich niemand getraut, diese Frage öffentlich zu stellen - der Geruch der Leichen schwebte noch in der Luft.
Jedem war damals klar: Sozialstaat ist der Sinn des Lebens im Kampf gegen das Böse. Wird er geschwächt, hebt der alte Dämon wieder sein Haupt ... um wieder zu fressen.
Manche sagen ja: der Mensch ist böse. Habe letztens noch einen Gerichtspsychater gelesen, der dreihundert Mörder untersucht hat. Würde ich dreihundert Japaner untersuchen, würde ich sagen: der Mensch ist gelb.
Ich folge da gerne Kant und ähnlichen Genossen, die meinen: der Mensch ist an und für sich völlig in Ordnung ... aber er gleicht eher einer Pflanze. Stecke ihn in schlechten Boden, gebe ihm zuwenig Licht, zuviel Wind - und er verkrüppelt, wird häßlich schief und krumm.
Ähnliches hat Tolkien in seinem Mythos entworfen. Mittelerde ist ja an und für sich ein Klasse Land. Die Guten sind gut, die Bösen sind Böse (und sehen auch so aus) - das Leben ist einfach und leicht zu regeln.
Ab nach Mordor, auf´s Maul hauen (oder nach Angband und Utumno) und schon ist die Sache in Ordnung.
Dabei waren Orks früher mal Elben - aber Folter hat sie gräßlich entstellt. Eigentlich müßte man sie nicht erschlagen, sondern Pflegeheime für sie bauen. Das wäre ... menschlicher.
Ich hatte nun die Ehre, viele Kinder beim Aufwachsen zu begleiten. Da gibt´s nichts Böses zu sehen. Sicher, Kinder können grausam sein ... später. Da greift schon das Pfanzenbild. Aber zuvor sind Kinder ... menschlich. Freundlich, hilfsbereit, neugierig, voller guter Eigenschaften und vor allem: sehr glücklich. Das beobachte ich nicht nur bei meinen eigenen Kindern.
Philosophisch und theologisch scheitern wir an dem Bösen, weil wir uns momentan einen lieben und allmächtigen Gott denken. Das entbehrt jeder Logik, es sei denn, Gott ist ein A-Loch. Das behaupteten ja mal die Bogomilen und Katharer - und dafür hat die Kirche sie ausgerottet. Mal ehrlich ... schon mal die Teilnehmer einer Bischofskonferenz studiert? Sehen die wirklich aus wie Menschen, die von einer unglaublich "frohen Botschaft" wüßten? Evangelium ... die frohe Botschaft. Für mich sehen die eher aus wie Melkors Priester auf Numenor (Tolkiens Version des Atlantikmythos. Dort wurde das Böse in der Tat mit Gewalt aus Mittelerde vertrieben, kam aber dann nach Numenor und schuf das erste und einzige Mal eine "Religion" in einer ansonsten religionslosen Welt).
Germanen und Wikinger hatten dieses Problem nicht so. Unten Utgard, wo Riesen und Ungeheuer hausen. Oben Asgard, wo die Götter wohnen, unter deren Launen man ebenfalls zu leiden hat. Mittendrin Hägar, der zusehen muß, wie er sich in dieser Welt einrichtet.
Bei den alten Griechen war das nicht anders. Den Zorn der Götter haben alle gefürchtet. Die waren in dem Sinne nicht "gut". Dafür waren ihre Dämonen auch nicht "böse".
Kommen wir aber nochmal zu einem Gerichtspsychiater.
http://www.zeit.de/2009/44/Interview-Das-Boese
DIE ZEIT: Herr Kröber, Sie sind seit 25 Jahren Gerichtspsychiater, haben rund tausend Straftätern gegenübergestanden. Was ist für Sie das »Böse«?
Hans-Ludwig Kröber: Für mich ist das Böse eine Wahrnehmungskategorie, eine Form des unmittelbaren Erlebens. So wie wir spontan etwas als schön oder eklig empfinden, so erleben wir auch ein bestimmtes Handeln – ob wir es wollen oder nicht – als böse. Im Angesicht des Bösen sind wir fassungslos, empört, die Welt ist aus den Fugen – weil jemand sie bewusst zerstört. Das gilt selbst dann, wenn man eine solche Tat später als Gutachter nachzuvollziehen versucht; häufig beschleicht einen da ein gewisses Kältegefühl, ein ungutes Kribbeln.
... Eine Form des unmittelbaren Erlebens mit klar definierbaren körperlichen Reaktionen. Aber es kommt noch besser, denn der Praktiker hat auch eine Definition des "Guten":
Aber das Böse ist umso augenfälliger, je eindeutiger es darauf abzielt, ganz bewusst das Schöne, das Heile, das Kindliche, die Zukunft zu zerstören.
Ich weiß nicht, ob er Kant gelesen hat ... aber in Kindern sind die Instinkte noch reiner vorhanden.
Je nach Umwelt stirbt da aber schnell was ab.
Die alten Griechen hatten es da leicht: für sie waren "gut" und "schön" fast dasselbe. Unseren moralischen Begriff von "Böse" kannten sie nicht. Und doch ist in der Ethnologie die Erkenntnis weit verbreitet, das es wohl so etwas gibt wie ein "instinktives Wissen" vom Guten. Und darum reagieren wir, wie Kröber es beschreibt, auch mit heftigen körperlichen Reaktionen: mit Entsetzen.
Es wäre zu naiv, nun den "verorkten" Westmenschen dem "guten" Naturmenschen gegenüber zu stellen. Auch die leiden unter zu wenig Licht, zu wenig Wasser, zu schlechtem Boden. Allerdings findet man dort noch mehr Spuren von den reinen Instinkten - die vorhanden sein müssen, um so extrem körperlich auf "das Böse" zu reagieren.
Aber wir sollten uns klar werden, das wir in unserer Kultur das Böse züchten. Je mehr Massenmörder, Folterer, Kindermörder und Vergewaltiger eine Kultur hat (und da schiele ich zuerst auf die USA) umso böser ist dieser Kultur ... und umso schlechter scheint das Klima zu sein.
Darum ist der Kampf gegen das Böse nicht mit Waffen zu gewinnen, weil Menschen eben keine Orks sind.
Aber er ist zu gewinnen, indem man das Klima ändert....das soziale Klima.
So einfach ist das ... und schon hat man ein Volk von Engeln. Jedenfalls in der Theorie ... und in ferner Zukunft. Der Weg dahin ist lang und steinig, weil wir momentan in eine ganz andere Richtung gehen.
Aber so gesehen ... ist der Kampf um den Sozialstaat der direkte Kampf gegen das Böse. Und er ist elemtar wichtig. Sollte beispielhaft geführt werden. Schafft es ein Land, diesen Kampf zu gewinnen, so wird das Gute ansteckend werden, so wäre mein Verdacht. So, wie heute das Böse ansteckend wird ... und wir in dem Anderen, dem Fremden, dem Feind nur noch den Ork sehen, den es zu erschlagen gilt, damit endlich der Frieden kommt.
Wenn wir den Kampf gegen das Böse gewinnen wollen ... müssen wir aber möglicherweise auch weiterdenken.
Viel weiter. Der "Teufel" ist nachweislich eine literarische Erfindung recht jungen Datums, ein historischer Reflex auf die "Unfehlbarkeit" des Papstes, die wiederum ein Reflex gegen den Machtzuwachs der Naturwissenschaften war. Wäre zu schön, wenn man einfach einen bösen Dämon für den ganzen Mist verantwortlich machen kann, doch dies wäre im Kampf gegen "das Böse" zu kurz gedacht, wiewohl man sagen kann: zwei Formen, zwei Prinzipien schlechten Klimas sind erkennbar (wir berichteten).
Aber um das Böse an seiner Ausbreitung zu hindern, genügt es schon, sich auf die allgemeinen Menschenrechte zu konzentrieren. So kann man es eindämmen und schlimmste Exzesse verhindern, egal ob es nun in der Gestalt eines Taliban oder eines US-Marines daherkommt.