http://www.kritische-polizisten.de/politik_baden-wuerttemberg/pressemitteilung_2011-08-24.pdf
Bundesarbeitsgemeinschaft
Kritischer
Polizistinnen und Polizisten
(Hamburger Signal) e.V.
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Thomas Wüppesahl
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Mittwoch, 24. August 2011
P R E S S E M I T T E I L U N G, Nummer 2
Am 12. Mai 2011 äußerten wir uns erstmals zu dem bürgerrechtlichen Problemfeld um „Stuttgart 21“
und der neuen Tatsache, dass erfreulicherweise eine Grün-Rote Landesregierung aus der Villa Reitzenstein
(Staatskanzlei) Stuttgarts das Ländle regiert. Wir gratulierten dem neuen Ministerpräsidenten
und seinen MitstreiterInnen und benannten zwei notwendig zu beachtende Punkte:
Zum einen muss Kretschmann seine Richtlinienkompetenz entsprechend klug verwenden, nachdem
er „freiwillig“ auf sämtliche Schlüsselressorts – also auch Innen + Recht – verzichtete und zum ande -
ren war uns unklar, ob der neue SPD-Landesinnenminister, Herr Gall, die Klugheit und das Können
besitzt, um die notwendigen Schritte in seinem Ressort vorzunehmen, siehe auch:
http://www.kritische-polizisten.de/politik_baden-wuerttemberg/pm_2011-05-12_stuttgart.pdf.
Heute müssen wir (leider) feststellen:
„Weder Herr Kretschmann noch Herr Gall können was
sie können müssten“
Woran machen wir das fest? – Seit dem 20. Juni 2011 wird einmal mehr um das Projekt „Stuttgart
21“ mit polizeilichen und staatsanwaltschaftlichen repressiven (inclusive richterlichem Handeln)
denn mit demokratischen Mitteln gerungen.
Seit dem 20. Juni wird unter anderem wegen versuchten Totschlags gegen protestierende Bürger er -
mittelt, weil angeblich ein Polizeibeamter das Opfer von Totschlagsaktivitäten geworden sei. Das ist
nicht bloß absurd, sondern mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit an den Haaren herbeigezogen
(= konstruiert). Es dient einzig dem Zweck, um darüber eine sogenannte Katalogtat „vorweisen“
zu können.
Eine „Katalogtat“ nach § 100a der Strafprozeßordnung öffnet Tür und Tor von Handys, PC´s, iPod´s
und so weiter. Eine beliebte Ausforschungshandlung der Justiz; gerade der politischen Justiz; und die
ist hier am Wirken. - Wenn nämlich eine der im § 100a StPO aufgeführten Straftaten vorliegt, darf
auch ohne Wissen des „Betroffenen die Telekommunikation überwacht und aufgezeichnet“ werden.
Und genau darum geht es den Jungs und Mädels in der Stuttgarter Polizei, der ihr nahe stehenden
Staatsanwaltschaft und (leider) auch den anordnenden RichterInnen! - Landfriedensbruch oder gefährliche
Körperverletzung reichen dafür nicht.
Wie man auf den Videos erkennen kann, war der angegriffene Polizist doch noch recht lebendig.
Leipzig lässt grüßen. Dort nahmen die staatlichen Organe gleich über hunderttausende Einzelfeststellungen
auf windigster wenn nicht rechtswidriger Basis vor, um sie dann auch noch zweckentfremdend
in anderen Verfahren zu gebrauchen. Andere Rechtsübergriffe unserer „Freunde und Helfer“
lassen grüßen: Gerade beim Schanzenfest in HaHa am letzten Samstag entblödeten sich Hamburger
PolizeibeamtInnen nicht, neuerlich rechtswidrig einen Journalisten bei seiner Arbeit festzunehmen:
http://www.fskhh.
org/blog/2011/08/20/hamburger_polizei_verhindert_oeffentlichkeit_waehrend_des_schanzenfestes_
fsk_journalist_in_gewahrsam_genommen.
Jedenfalls ist die Totschlags-Konstruktion für den § 100a StPO in Verbindung mit den §§ 100g und
100i der StPO der Erklärungsschlüssel für die neuerlich zu beobachtende rechtsstaatsmissbräuchliche
Einsatzfreude bei den Stuttgarter Ermittlungsorganen. Peinlich, peinlich – vor allen Dingen für die be -
teiligten JuristInnen und PolitikerInnen. Und das diese seriellen Rechtsbrüche durch staatliche Organe
mittlerweile nach Opportunität von Beamten stattzufinden scheinen, macht es um keinen Deut
besser!
Offenbar gibt es niemanden in dieser glorreichen Landesregierung, der die gezielte ermittlungstakti -
sche Tunnelung des bürger- und freiheitsrechtlichen Anspruchs der neuen Landesregierung – so wie
er sogar im Koalitionsvertrag getextet wurde – durch dieselben Technokraten im Innen- wie Justizmi -
nisterium die bereits unter Mappus ihr unseliges Wirken zur Entfaltung brachten, durchschaut. Oder
inzwischen finden selbst Grünlinge gut, wenn Journalisten zu Tätern gemacht werden, weil man bei
ihnen, würden sie als Zeugen geführt, nicht durchsuchen dürfte.
Der Tatverdacht wird – ohne subjektive Momente – ausschließlich aus dem Umstand geschöpft, dass
die JournalistInnen sich auf dem Gelände aufhielten. Niedlich dämlich, denn wie sonst hätten sie be -
richten sollen?!
Soll´s auf ein Berufsverbot hinauslaufen?
Es fehlt schon jegliche Feststellung, ob das betreffende Gelände zum Zeitpunkt des Betretens über -
haupt noch umfriedet war. Es ist auch nicht nachvollziehbar, warum die JournalistInnen an den Sachbeschädigungen
beteiligt gewesen sein sollten.
Es ist nicht einmal dargelegt, dass die vorgeworfenen Taten begangen wurden, als die JournalistInnen
auf dem Gelände waren, aber eben erst recht nicht, dass diese solche Taten subjektiv unterstüt -
zen wollten. Es handelt sich um pure Gesinnungsjustiz als Unterform eines im Ländle nach wie vor in
vielen Köpfen herumschwirrenden Feindstrafrechts.
Und wenn man schon Cams 21-JournalistInnen nicht kunstvoll geschickt, also „clever“ – wie in so vielen
anderen Fällen politischer Justiz -, sondern ausgesprochen bräsig deppert zu TäterInnen macht,
würde sich doch aufdrängen, dann auch gegen andere Medienvertreter (ZDF, RTL und so weiter) zu
ermitteln, falls diese auf dem Gelände waren. Und natürlich gegen den später verletzten Polizisten in
Zivil, der auch auf dem Gelände war, der aber nicht einschritt, obwohl er dem Strafverfolgungszwang
unterliegt (Verdacht der Strafvereitelung im Amte?) und zudem unerlaubt in einer Versammlung eine
Waffe (sogar Schusswaffe) mit sich führte.
Baden-Württemberg ist weiter – wie Bayern – eine Hochburg rechtsstaatlicher Niederungen. Und hat
wirklich noch jemand Fragen warum der neue Innenminister Gall es nicht kann? Der schaue bei Bedarf:
http://blog.cams21.de/2011/08/20/interview-mit-thomas-wuppesahl-hausdurchsuchungenbei-
stuttgart-21-gegnern-und-cams21/
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Wenn man also lust- wie planvoll und ohne Not sowie wenig politischem Verstand schon auf das Jus -
tiz- und Innenressort verzichtet, wie Kretschmann es mit seinen Getreuen getan hat, darf man sich
nicht wundern, wenn ein ehrenamtlicher Feuerwehrmann als Innenminister seine Polizei nicht in den
Griff bekommt. Die baden-württembergische Polizei macht dasselbe wie am 30. September 2010 im
Stuttgarter Schlossgarten. Nur geschickter. Zwar immer noch dämlich, aber nicht dämlich genug als
dass Grünlinge und Sozis das durchschauten. – Oder wollen sie es etwa doch, dass mit gezielten er -
mittlungstaktischen Nadelstichen der Protest gegen „Stuttgart 21“ geschreddert wird?
Das ist der Tribut für einen stramm realpolitisch durchsetzten grünen Landesverband in Baden-Würt -
temberg, der dabei nicht mehr über die in der Regel im linken Spektrum befindlichen Kenner staatli -
cher Repression und seiner unlauteren Methoden verfügt.
Was uns Kritische mit wirklich großer Sorge umtreibt ist Folgendes:
Nahezu überall wo die Grünen mitregiert haben, ob in den Bundesländern oder Rot-Grün in Bonn
und Berlin auf Bundesebene, Schwarz-Grün in Hamburg war sogar ein totales Waterloo für bürgerrechtliche
Ansprüche, waren die Grünen gerade im innen- und justizpolitischen Feld unzuverlässig.
Wie soll das bloß im Bund werden, wenn im Jahre 2013 – darauf scheint alles hinauszulaufen – wieder
Rot-Grün regieren kann? Soll ein Jerzy Montag Justizminister werden? Der Mann zieht vor allen
Dingen eines hinter sich her: Eine Schleimspur von Anbiederung gegenüber dem politischen Gegner
in der er zu ertrinken droht. Immer mit dem nicht zu vergessenen Anhauchen bürgerrechtlichem Anspruchs.
Die Grünen müssen in der Lage sein, das Justiz-, besser wäre endlich mal das Bundesinnenministerium,
kompetent zu besetzen; jedenfalls bei diesen Prozentzahlen bei denen sie derzeit in
Umfragen liegen.
Auch auf Bundesebene sind linke Persönlichkeiten, so es sie überhaupt noch gibt, wie zum Beispiel
Hans-Christian Ströbele, kalt gestellt. Gerade er überlebt die Metamorphosen zur sogenannten Politikfähigkeit
bei den Grünen, indem die Grünen den anderen Parteien immer ähnlicher werden, entscheidend
und nur über das einzige gewonnene Direktmandat das je von den Grünen geholt werden
konnte. Und zwar schon drei Male! - Trotzdem wird so ein Mann als „nicht vermittelbar“ etc. bei der
Verteilung von Staatsämtern zur Seite gelegt.
Dafür stellten die baden-württembergischen Grünen einen Jerzy Montag als potentiellen Landesjus -
tizminister in den Raum. So weit ist es schon gekommen. Da hätten sie ja gleich den abgehalfterten
ehemaligen grünen Hamburger Justizsenator, Dr. Till Steffen, benennen können, der gleich in Serie
als rechts außen einzuordnende Richter ernannte – teilweise zu Vorsitzenden Richtern am Landgericht
Hamburg – und dann noch solche Exemplare von Richter-Persönlichkeiten, zu denen es bessere
BewerberInnen gab! Das kann man nicht alles mit seinen jungen Lebensjahren entschuldigen. Es handelt
sich nicht um Kommunalparlamente, in denen man mal „üben“ könnte, sich „ausprobieren“,
oder so, sondern um Landtage oder dann den Deutschen Bundestag.
Gerade der baden-württembergische Landesverband der Grünen hat schon etliche grün-programmatische
Irrflieger in bedeutsame Stellungen gebracht: Ob Fritz Kuhn, Reiner Metzger, die beide nach
Kräften den neoliberalen staats- und systemzersetzenden Wirtschaftsegoismus nicht bloß zu Zeiten
von Rot-Grün im Bund unterstützten und beförderten! Gerade Letzterer wird ja nicht einmal mehr
bei der CDU, wo er zum nächsten Harakiri ansetzte, vernünftig platziert. Bei den Grünen ging das alles
locker...
Kurzum: Es macht wenig Sinn, den einzigen Fachminister der Grünen zu „Ordnung zu rufen“, also
Winfried Herrmann als Landesminister für Verkehr und Infrastruktur, der in Sachen „Stuttgart 21“ anständige
Arbeit leistet, während seine beiden Kollegen aus Innen + Recht die Verantwortung dafür
tragen, dass der Widerstand gegen „Stuttgart 21“ und für eine sinnvolle Verkehrspolitik geschreddert
wird. Gerade die Richtlinienkompetenz des MP sollte in die andere Richtung wirken. Herrmann
macht was er im legalen Rahmen kann, mit einer Gruppe von exzellenten Köpfen.
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Dies ist der politische Handlungsrahmen in dem man die Geschehnisse vom 20. Juni 2011 in Sachen
„Stuttgart 21“ (besser: Polizei, Staatsanwaltschaft und Gericht vereint gegen Grundrechte wie die
Pressefreiheit) einordnen sollte. Ohne politische Rückendeckung bzw. Trottelei oder Naivität wären
solche Maßnahmen bei einem politischen Brennpunkt wie „Stuttgart 21“ es ist nicht möglich!
Wie Kritische PolizistInnen hatten mit unserer „Gratulations“-Pressemitteilung vom 12. Mai 2011 ver -
sprochen, dass wir weiter die Geschicke verfolgen. Wir halten hiermit unser Versprechen. Auch zukünftig.
Mit freundlichen Grüßen
Thomas Wüppesahl“
(Bei elektronischem Versand ohne Unterschrift)
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Innenministerium will nicht offenlegen, wie viele Journalisten der
Verfassungsschutz derzeit überwacht
-
Das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) hat auf Anfrage mitgeteilt, dass
in seinem elektronischen Aktensystem 317 Dokumente mit dem Namen des
*NachDenk...
vor 2 Stunden
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